Mira Bannwarth, Leiterin der Eine-Welt-AG am Gymnasium Kenzingen, mit Tochter Noemi, Roswitha Weber, Schriftleiterin von "Die Pforte" und Klaus Weber, Vorsitzender der AgGl, mit der neuen Ausgabe der Pforte vor dem Schild, das an die Juden in Kenzingen erinnern soll. Foto: Göpfert Foto: Lahrer Zeitung

"Verlorene – Vergangenheit – Wiedergefunden" lautet das Thema der 25. Ausgabe

"Verlorene – Vergangenheit – Wiedergefunden" lautet das Thema der 25. Ausgabe von "Die Pforte". Die Arbeitsgemeinschaft für Geschichte und Landeskunde hat sich darin mit der jüdischen Geschichte in Kenzingen auseinandergesetzt.

Wer mit Alice Dreifuss-Goldstein ins Gespräch kommen will, hat am Sonntag, 20. Oktober, die Gelegenheit dazu. Dann hält sie in der Kunsthalle Altdorf ab 19 Uhr den Vortrag "Seite an Seite: Christen und Juden in Altdorf im 19. Jahrhundert". Dazu lädt der "Förderverein ehemalige Synagoge heute Kunsthalle Altdorf" ein. Bei der Vorstellung von "Die Pforte" am 23. Oktober im Gymnasium Kenzingen sind hingegen nur geladene Gäste zugelassen.

Kenzingen. Die erste Idee zu so einer Ausgabe gab es im Jahre 1994. Damals berichtete eine Frau der Arbeitsgemeinschaft davon, wie die beiden Familien Dreifuß (Brotstraße 15) und Epstein (Am Kirchplatz 17) 1940 von den Nationalsozialisten weggebracht wurden. Seitdem wisse niemand mehr, was aus den ehemaligen Bürgern Kenzingens geworden sei. Die Antwort auf diese Frage kann nun die aktuelle "Pforte" geben. "Sie hat uns selbst erstaunt", erklärte Klaus Weber, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft im Pressegespräch.

Beide Familien waren vor ihrer Deportation tief in Kenzingen verwurzelt gewesen: Vor allem die Männer der Familien hatten sich in zahlreichen Vereinen engagiert. Die Familien hatten mit den Kenzingern Traditionen gefeiert und waren auch mit der katholischen Kirche verbunden gewesen. Vor der Deportation in das südfranzösische Lager Gurs bewahrt, hatte sie das jedoch nicht.

Dank dem Kontakt zum Deutsch-Israelischen Arbeitskreis (DIA) und zu dem damaligen Vorsitzenden Robert Krais gelang es der Arbeitsgemeinschaft, die Spuren der verschollenen Mitbürger wiederzufinden. 1998 trug Reinhold Hämmerle für den ersten Band der "Geschichte der Stadt Kenzingen" mit Norbert Ohler alles zusammen, was man über die Juden in Kenzingen wusste.

2017 gelang es Kontakt zu Irène Epstein De Cou aufzunehmen, die ihre Erlebnisse 2016 in einer Autobiografie niedergeschrieben hatte. Ihr Vater, Alfred Epstein, mit dem sie als Baby auf der neuen Ausgabe der Pforte zu sehen ist, war vor dem Nazi-Terror mit seiner Frau in die Provence geflüchtet und hatte sich dort der französischen Widerstandsbewegung angeschlossen, 1944 kam er ums Leben, als Irène noch ein Baby war.

Irène Epstein De Cou wird eine der Ehrengäste bei der Vorstellung der 25. Ausgabe für die AgGL-Mitglieder am 23. Oktober sein. Ein anderer wird die 1931 geborene Alice Dreyfuss Goldstein sein, die ihre Erlebnisse in der Autobiografie "Normale Bürger – widrige Zeiten" festgehalten hat. Sie wird mit ihrer Tochter sowie einer Enkelin und deren Mann sowie einem Urenkel zur Präsentation kommen. Sie alle wollen Kenzingen kennen lernen, mit dem sie ein Stück Heimat verbinden. Auszüge davon sind auch in der neuen Ausgabe der Pforte abgedruckt.

Erinnerungskultur muss aktiv stattfinden

Doch nicht nur mit der Vergangenheit selbst, sondern auch mit der Erinnerungskultur und dem Umgang der jüdischen Geschichte in Kenzingen setzt sich die neue Ausgabe auseinander. "Denn Erinnerungskultur muss immer aktiv sein, jeder Ort muss sie selbst machen", macht Roswitha Weber, Schriftleiterin von "Die Pforte", deutlich. So sind in der Pforte alle Aktivitäten und Bemühungen gegen das Vergessen erläutert, die die Stadt, einzelne Vereine und die Menschen in Kenzingen unternommen haben. Dazu zählt etwa auch der Inge-Auerbacher-Tag, der 2006 an der Grundschule eingeführt wurde. An diesem berichtet die Zeitzeugin Inge Auerbacher den Schülern kindgerecht über ihr Schicksal und regt sie zum Nachdenken darüber an, was sie für ein friedliches Miteinander beitragen können.

Einen weiteren Beitrag gegen das Vergessen liefert auch das Gymnasium Kenzingen. So hat sich die dortige AG Journalistisches Arbeiten 2018 mit dem jüdischen Leben rund um das Gymnasium Kenzingen auseinandergesetzt. Die Eine-Welt-AG unter Leitung von Mira Bannwarth hat die Patenschaft für die sechs Stolpersteine übernommen, die an die jüdischen Bürger erinnern sollen. Ihr Leben wurde im Rahmen eines internationalen Projekts in einer Broschüre festgehalten, das der neuen "Pforte" beigelegt ist.

Diese Einlage ist aber nicht die einzige Besonderheit der 25. Ausgabe. Da diese zeitgleich zum Gedenktag der Juden in der Provence 2019 erscheinen sollte, wurde an ihr nicht wie sonst zwei Jahre, sondern unter Hochdruck nur ein Jahr gearbeitet, um rechtzeitig fertig zu werden. Die nächste Ausgabe erscheint 2021 und die übernächste 2024 zur 775-Jahr-Feier von Kenzingen. Die aktuelle Ausgabe ist bereits für zwölf Euro im örtlichen Buchhandel erhältlich.