Rund 70 Prozent der Teilnehmer berichten von Anfeindungen – einer sogar von zerstochenen Autoreifen. Foto: Zinken

Abschlussarbeit von Niklas Hölde. 70 Prozent berichten von Beleidigungen und Gewalt.

Ortenau - Anfeindungen und Gewalt gegen Bürgermeister sind in Deutschland mittlerweile nichts Unbekanntes mehr. Auch Südbaden bildet da leider keine Ausnahme. Das bestätigte nun die Abschlussarbeit von Niklas Hölde an der Verwaltungshochschule Kehl.

"Wer sich in der Gesellschaft politisch engagiert, riskiert damit, häufig zu einer Zielscheibe des Hasses zu werden", konstatiert die Hochschule Kehl in einer Pressemitteilung zur Abschlussarbeit. Aufgrund ihres Amts seien Bürgermeister überdurchschnittlich häufig betroffen. Mit der Situation in südbadischen Städten und Gemeinden beschäftigte sich daher die Bachelor-Arbeit von Niklas Hölde an der Hochschule für öffentliche Verwaltung.

Online-Befragung dient als Datengrundlage

Das erschreckende Ergebnis: Auch in der Region haben schon ein Großteil der Befragten Gewalt und Anfeindungen erlebt. Eine bundesweite Umfrage des Magazins Kommunal mit Unterstützung des Meinungsforschungsinstituts Forsa von 2020 war dabei die Vergleichsbasis.

Als Datengrundlage diente eine Online-Befragung. Diese wurde an 184 Rathauschefs in Baden-Württemberg versendet – an alle aus den Landkreises Rastatt (mit Baden-Baden), Ortenaukreis, Emmendingen, Breisgau-Hochschwarzwald und Lörrach. Davon haben 75 an der Umfrage teilgenommen.

Und die Ergebnisse sind teilweise eindrücklich: Laut der Kommunal-Umfrage sind 64 Prozent der befragten Bürgermeister schon einmal Opfer von Gewalt und Anfeindungen gegen ihre Person geworden – bei der Kehler Umfrage waren es sogar 70 Prozent. Fast zwei Drittel haben demnach bereits "verbale Anfeindungen" erlebt, bei rund der Hälfte war das auch schon über Online-Kanäle der Fall. Fast sechs Prozent – also vier der Rathauschefs – sind bereits körperlich angegangen worden.

Unter den Antworten der Betroffenen finden sich unter anderem Drohanrufe, Anonyme Briefe unter anderem mit rassistischen Inhalten, Ausspucken, Androhung von Gewalt durch Ratsmitglieder oder Ortsvorsteher, mit Eiern beworfene Wohnhäuser oder zerstochene Autoreifen.

Mehr oder weniger konkrete Drohungen

Ein Rathauschef berichtete gar vor einer besonders unappetitlichen Geschichte: "Der bisherige Jagdpächter, mit dem die Gemeinde über Jahre im Streit lag, klingelte mit viel Radau nachts gegen halb eins an der Haustür. Er hatte von der Gemeinde gemäß Pachtvertrag die Auflage erhalten, das erlegte Wild vorzuzeigen. Ein anderes Mal brachte er morgens gegen acht ein halb verwestes, von Maden zerfressene, stinkende Kadaver vor die Haustür."

Auch mehr oder weniger konkrete Drohungen finden sich unter den Antworten der befragten Bürgermeister: "Wenn ich jetzt ein Gewehr hätte würde ich Sie erschießen!", zitiert ein Teilnehmer. "Dich mache ich fertig!" oder "Ich weiß, wo Sie wohnen!" sind weitere Beispiele.

Eine große Anzahl an Bürgermeistern (60 Prozent) ist der Meinung, dass sich die Situation über die Jahre sogar verschlechtert hat. Die gute Nachricht ist, dass viele sich davon jedoch nicht unterkriegen lassen: 58 Bürgermeister und damit rund 94 Prozent der Teilnehmer würden sich auch trotz einer erlebten Situation im Zusammenhang mit Gewalt noch mal zur Wahl stellen lassen.

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"Ohne Gegenmaßnahmen wird sich die Situation höchstwahrscheinlich immer weiter verschärfen", konstatiert Niklas Hölde im Fazit seiner Abschlussarbeit. Eine Verschärfung von Strafen hält er derweil für wenig zielführend. "Meines Erachtens nach, ist die effektivste Art, diese Gewalt gegen Bürgermeister zu bekämpfen, die Aufklärung und Sensibilisierung der Bevölkerung". Denkbar sei eine Art Imagekampagne: Bürgermeister könnten im Fernsehen oder online Beleidigungen vorlesen oder von anderen Gewalterlebnissen berichtet. Auch Plakate oder Online-Porträts seien denkbar.