Orchideen-Knolle ausgebuddelt: Ist das ein Spatenstich oder der Abdruck eines Schweinerüssels? Foto: Sommer

Naturschutzwart zweifelt an Orchideen-Klau im Taubergießen. Polizei ermittelt "in alle Richtungen".

Kappel-Grafenhausen - Ist der Orchideen-Klau im Taubergießen nur eine "Schweinerei"? Naturschützer Wolfgang Hoffmann zweifelt an der These der habgierigen Diebe. Er vermutet: Gefräßige Wildschweine sind für den Schaden verantwortlich. Es wäre nicht das erste Mal.

Lokale wie überregionale Medien haben sich in den vergangenen Tagen überschlagen mit Sensationsschlagzeilen: Diebe sollen im Naturschutzgebiet Taubergießen rund 3000 seltene und entsprechend kostbare Orchideenknollen ausgebuddelt haben, um damit auf dem Schwarzmarkt groß Kasse zu machen. Der Wiederverkaufswert wird auf bis zu 100 Euro pro Pflanze taxiert, insgesamt könnten die gerissenen und rücksichtslosen Diebe also satte 300 000 Euro verdienen – auf Kosten der Natur. Der Aufschrei unter Umweltschützern war und ist entsprechend groß. Behörden und Gemeinden wird vorgeworfen, nicht genug zum Schutz der einzigartigen Flora und Fauna am Rhein zu tun. Die Forderungen: Ein Ranger soll künftig über das riesige Gebiet wachen, die Polizei Streife fahren; ja gar nach einer Videoüberwachung wurde gerufen.

Tiere können auch systematisch vorgehen

Doch ist die Kritik berechtigt, hätte der Schaden durch bessere Überwachung des Gebiets verhindert werden können? Waren im Taubergießen tatsächlich raffgierige Menschen am Werk oder doch nur ein Rotte hungriger Wildschweine? Wolfgang Hoffmann vertritt die Tier-Theorie, wie er am Mittwoch gegenüber der Lahrer Zeitung erklärte. Der Ettenheimer, seit 20 Jahren als Naturschutzwart im Auftrag des Landratsamts im Taubergießen aktiv, sagt: "Der These, dass Diebe 3000 Ragwurz-Orchideen im Naturschutzgebiet gestohlen hätten, stehe ich sehr skeptisch gegenüber."

Anfang Mai hat der Biologe und Dokumentarfilmer Dietmar Keil den Fall zur Anzeige gebracht und in den Tagen darauf medienwirksam erklärt, warum aus seiner Sicht nur Menschen für den angerichteten Schaden verantwortlich sein können. Etwa, weil "systematisch mit Schaufeln oder Spaten gegraben" worden sei. Eine Schlussfolgerung, die für Hoffmann "nicht schlüssig ist": "Eine runde Blumenkelle, die angeblich zum Einsatz gekommen sein soll, kann ähnliche Abdrücke wie ein Schweinerüssel hinterlassen – und umgekehrt."

Doch sieht es dort, wo Wildschweine zu Werke waren, nicht immer aus wie auf einem Schlachtfeld? Nein, sagt Hoffmann. Die Tiere hätten durchaus die Gabe, gezielt und punktuell vorzugehen: "Wenn Wildschweine nach Engerlingen suchen, drehen sie den Boden im Allgemeinen flächenmäßig um, aber auf der Suche nach Orchideen-Knollen orientieren sie sich an der Blüte und graben handtellergroße Löcher. Das sieht dann aus wie ausgegraben." Das Schadensbild im Taubergießen sei vergleichbar mit dem von anderen Fällen im Schwarzwald und in Hessen, in denen sich Experten jeweils einig gewesen seine, das Wildschweine, die Orchideen ausgebuddelt hätten.

Dafür spreche im Fall im Taubergießen, dass eben nur die Knollen fehlten – der Teil, auf den es die Tiere abgesehen hätten – während der Rest der Pflanze in den Löchern zurückblieb. Der Naturschutzwart ist sich sicher: "Diebe würden die Stängel mit Blüte bestimmt mitverkaufen."

Neue Diebstähle? Behörde ist skeptisch

Hoffmann sagt, er habe seine Sichtweise den zuständigen Behörden mitgeteilt, auch dem Regierungspräsidium in Freiburg. Wie schätzt man den Fall dort ein, sind für das Verschwinden der Orchideen-Knollen Menschen oder Tiere verantwortlich? Man wolle "derzeit keine der möglichen Erklärungen ausschließen, sondern das Ergebnis der Polizeiermittlungen abwarten", erklärte Pressesprecher Markus Adler am Mittwoch auf LZ-Nachfrage. Zu den jüngsten Medienmeldungen, wonach es in der Nacht auf Dienstag erneut zu Pflanzendiebstählen gekommen sein soll, sagt Adler: "Angesichts der Präsenz in der Öffentlichkeit, wäre es schon arg dreist, wenn es jetzt wieder Fälle gegeben hätte." Das betroffene Gebiet sei kilometerweit einsehbar, sodass mögliche Täter ständig mit ihrer Entdeckung rechnen müssten.

Spricht das für tierische Verursacher? Die Kripo in Offenburg hält sich bedeckt. "Wir ermitteln in alle Richtungen", erklärte Polizeisprecher Ansgar Gernsbeck auf Anfrage. Am Freitag seien Kriminaltechniker vor Ort gewesen. Ob sie dort Fuß-, Reifenspuren oder doch Schweinehaare gefunden haben, dazu wollte sich der Sprecher nicht äußern. "Es wäre unseriös, über Zwischenstände zu berichten. Wir wissen aber, dass der Fall von großem öffentlichen Interesse ist und werden unser Ermittlungsergebnis, sobald es feststeht, mitteilen."

Behörde bittet um Mithilfe

Vertreter der Gemeinden Kappel-Grafenhausen, Rust und Rhinau, der Polizei, des Landratsamts und des Regierungspräsidiums haben sich am Mittwoch zu einem "Abstimmungstermin" bezüglich des weiteren Vorgehens im Taubergießen getroffen. In einer Pressemitteilung bittet das Regierungspräsidium die Bevölkerung um Mithilfe – und "erhöhte Wachsamkeit": Hinweise zu verdächtigen Personen oder Fahrzeugen im Naturschutzgebiet nimmt die Polizei unter Telefon 0781/21 28 20 entgegen.