Loch an Loch: Naturschützerin Silke Keil ist davon überzeugt, dass Diebe die Orchideen im Taubergießen ausgegraben haben. Foto: Keil Foto: Lahrer Zeitung

Taubergießen: Naturschützerin Silke Keil glaubt nicht an tierische Pflanzendiebe / Hauptamtliche Ranger nötig

Taubergießen. Seit Anfang Mai ermittelt die Kriminalpolizei zu den Orchideen-Ausgrabungen im Taubergießen. Neue Erkenntnisse gibt es bis heute nicht. Die Naturschützerin Silke Keil zeigt sich von der aktuellen Lage enttäuscht.

Frau Keil. sind Sie enttäuscht, dass es noch keine Erkenntnisse gibt?

Natürlich. In den ersten zwei Wochen nach der Ausgrabung war mein Hoffnung noch groß, dass die Kriminalpolizei wichtige Hinweise erhält, zum Beispiel von Besuchern oder Bewohnern der naheliegenden Gemeinde. Auch dachte ich, dass die frischen Reifenspuren in den Wiesen Aufschlüsse bringen könnten. Heute schwindet meine Hoffnung jedoch, dass der Fall noch gelöst wird. Denn wo auch immer in den vergangenen Jahren geschützte Orchideen ausgegraben wurden, ob 2018 im Naturschutzgebiet Burbach im Siegerland oder 2016 im Zwerchörter Moor bei Philippsreut, tappte die Polizei im Dunkeln. Die Diebe hinterlassen keine Spuren.

Warum sind Sie sich so sicher, dass es keine Wildschweine waren?

Seit Jahrzehnten gibt es im Taubergießen einen reichen Wildschweinbestand. Doch Schäden in solch großem Ausmaß wie im Mai gab es bislang noch nie. Über die mehrere Hektar große Wiese "Im G’schlender" fanden sich geschätzt mehr als 3000 einzelne Löcher, die sich deutlich von Wildschweingrabungen unterscheiden. Die Tiere fressen, was ihnen vor die Nase kommt – von der Bienenragwurz über die Riemenzunge bis zum Knabenkraut. Und zwar das gesamte Kraut. Anfang Mai wurden jedoch systematisch nur die Knollen der Spinnen- und Hummelragwurz ausgegraben, säuberlich getrennt von den Blütenständen, die daneben liegen blieben. Auch die benachbarten Brand- und Helmknabenkräuter blieben unversehrt. Bemerkenswert auch: Überwiegte in einem Bestand die Hummelragwurz, blieb die Spinnenragwurz stehen – und umgekehrt. Hier wurde gezielt artenrein gesammelt. Zudem hatten die Löcher ein und dieselbe Größe und waren auf einer Seite glatt und gerundet – wie die Form einer Handschaufel. Wildschweine haben je nach Alter und Geschlecht jedoch unterschiedlich große Schnauzen und graben daher unterschiedlich große Löcher. Und sie werfen die Erde zu allen Seiten hin auf. Es ist ein völlig anderes Schadensbild. Und noch eine Besonderheit: In der Zeit der Ausgrabungen hat es viel geregnet und die Erde war feucht. Dennoch fand sich bei keinem der 3000 Löcher ein einziger Abdruck einer Klaue oder Kot der Tiere.

Waren Sie alleine, als Sie die Ausgrabungen entdeckten?

Als wir zur Orchideenwiese kamen, trafen wir auf elsässische Naturschützer, die erschüttert die Löcher betrachteten. Eine derart große Zerstörung hatten auch sie im Taubergießen noch nie zuvor gesehen. Von dem großen und in Deutschland einzigartigen Bestand der Spinnenragwurz waren nur noch einzelne Pflanzen zu sehen. Jeder, der in den Tagen danach mit uns auf der Wiese war, bestätigte, dass hier keine Wildschweine am Werk gewesen sein können, darunter Jochen Paleit, Bürgermeister von Kappel-Grafenhausen, Forstdirektor Bernhard Ihle, viele Jahre Naturschutzbeauftragter des Taubergießens, Peter Uthoff, Verwaltungsleiter des Forstamts Freiburg, Bruno Jäger, Naturschutzwart des Taubergießens und Mitglied der Fischerzunft Kappel, die Taubergießenführerin Kristina Paleit, Garten- und Landschaftsarchitektin, Naturfotograf Thomas Kaiser sowie der Elsässer Orchideenspezialist Francis Rietsch. Nicht zuletzt ist auch mein Vater, Biologe Dietmar Keil, ein Wildschwein-Kenner. Für den Film "Wunderwelt Wald" studierte und filmte er sie über viele Monate hinweg.

Was halten Sie von den Überlegungen, die Orchideen durch Besucherlenkung zu schützen?

Gar nichts, im Gegenteil. Die Besucher bereiten keine Probleme, sondern Kriminelle, die in einsamen Stunden über die Wiesen streifen. Seit Anfang Mai sind wir fast täglich im Taubergießen. Und selbst an sonnigen Wochenenden treffen wir nur eine Handvoll Menschen an. Wer über eine Lenkung von Besuchermassen spricht, hat keine Ahnung von der Realität. Dringend erforderlich wären stattdessen hauptamtliche Ranger, die mit den notwendigen Geräten das Gebiet kontrollieren. Das würde Orchideendiebe abschrecken. Die Polizei kann diesen Dienst nicht leisten, auch von einer Kameraüberwachung halten wir nichts. Wichtig wäre außerdem ein Besucherzentrum, das die Menschen aufklärt und an die in Deutschland einmaligen Schätze des Taubergießens heranführt. Denn nur was man kennt und liebt, ist man auch bereit zu schützen. Seit über 40 Jahren hat das Regierungspräsidium hier versagt.

Was werden Sie als Nächstes tun?

Mein Vater und ich sind fast täglich im Taubergießen und schauen nach Auffälligkeiten. Einerseits, weil wir Angst um die Orchideen haben, die derzeit in Blüte stehen. Aber auch, weil wir die sicher schwierige Arbeit der Kriminalpolizei unterstützen möchten. Zum Glück gab es seit dem Vorfall Anfang Mai keine weiteren Ausgrabungen. Als wir vor wenigen Tagen entdeckten, dass zahlreiche Knollen von mindestens acht Arten heimischer Orchideen über Ebay versteigert werden, haben wir das sofort gemeldet. Denn das Handeln mit geschützten Pflanzen wie auch Pflanzenteilen ist nach dem Bundesnaturschutzgesetz verboten. Die beiden deutschen Verkäufer haben weder eine Genehmigung noch einen Zuchtnachweis angegeben. Gegen die beiden wird nun ermittelt. Wir hoffen, dass die Spur auch zu den Orchideendieben im Taubergießen führt.  Fragen von Jörg Braun

Der Offenburger Biologe und Dokumentarfilmer Dietmar Keil sorgte vor 40 Jahren dafür, dass der Taubergießen zum Schutzgebiet wurde. Gemeinsam mit seiner Tochter Silke hat er das Verschwinden der Orchideen angezeigt. Sie gaben an, dass rund 3000 Orchideenknollen bei Kappel-Grafenhausen ausgegraben worden seien.