Waren’s Wildschweine oder nicht? Auch nach Abschluss der Ermittlungen im Taubergießen gehen die Diskussionen weiter. Foto: Lahrer Zeitung

Orchideen: Naturschutzwart Bruno Jäger zweifelt Ermittlungsergebnis an / Vorwürfe gegen Behörden

Kappel-Grafenhausen - Das Verfahren ist eingestellt, die Akte "Orchideen-Diebstähle" geschlossen. Darüber sind nicht alle glücklich. Naturschutzwart Bruno Jäger sagt, Wildschweine als Täter anzunehmen, sei vor allem eins: ein leichter Weg für die Behörden.

Nachdem die Polizei Anfang Juli ihr Ermittlungsergebnis präsentiert hatte, kam die Mitteilung der Freiburger Staatsanwaltschaft vergangene Woche nicht überraschend: "Mangels hinreichenden Tatverdachts" werde das tausendfache Verschwinden seltener Orchideenknollen im Taubergießen nicht weiter verfolgt. Die Erkenntnis nach dem Einsatz von Wildkameras, Zeugenaussagen, Probegrabungen und DNA-Untersuchungen: "kein konkreter Hinweis auf eine (menschliche) Täterschaft". Stattdessen liege der Verdacht nahe, dass das Ausbuddeln der Pflanzen auf das Konto von Wildschweinen gehe. Heißt: Für den entstandenen Schaden von rund 300 000 Euro wird niemand zur Rechenschaft gezogen, auch nicht das für das Naturschutzgebiet zuständige Regierungspräsidium (RP).

Eine Entwicklung, die "die Behörde vermutlich schon immer angestrebt hat", seit die Ausgrabungen im Mai entdeckt wurden, sagt Bruno Jäger im Gespräch mit der Lahrer Zeitung. "Hätte sich gezeigt, dass Menschen für den Knollen-Diebstahl verantwortlich sind, hätte das RP Maßnahmen zum Schutz der Pflanzen ergreifen müssen. Mit den Schweinen als Verursacher handelt es sich um ein Naturereignis, gegen das man machtlos ist. Sehr angenehm." Denn so würden Arbeit und Geld gespart.

Jäger ist seit den 1980er-Jahren als Naturschutzwart in seiner Heimat aktiv, den Taubergießen bezeichnet der 78-Jährige als eine "Herzensangelegenheit". Er sei regelmäßig "draußen" und habe "eigentlich genug damit zu tun, den Menschen klarzumachen, dass das hier kein Rummelplatz ist". Nun müsse er die Natur nicht mehr bloß vor ahnungslosen Besuchern verteidigen, sondern zusätzlich vor amtlicher Ignoranz.

Er könne und wolle niemandem unterstellen, seine Arbeit nicht richtig gemacht zu haben, den Kontakt mit der Polizei beschreibt Jäger aber als "frustrierend": "Bei einem Telefonat mit dem Leiter der Ermittlungen wurden meine Hinweise allesamt abgetan oder es gab für alles eine Erklärung." Für messerscharf abgetrennte Blütenstängel könnten auch Schweinehauer verantwortlich sein, habe man ihm gesagt. Dass keine Fußspuren gefunden worden seien, läge am trockenen Boden. "Dass ich aber Reifenabdrücke entdeckt habe, dafür hat sich niemand interessiert."

Hoffnung, "wahre Täter" zu schnappen, platzt

Jäger bestreitet nicht, dass es in den vergangenen Jahren im Taubergießen immer wieder zu Wildschweinschäden gekommen ist, nicht zuletzt wegen der steigenden Tierpopulation. "Aber Umfang und Vorgehen in diesem Fall sind einzigartig". Das hätten ihm Förster und Jäger, die den "Tatort" inspizierten, bestätigt, sagt der 78-Jährige. Das Untypische: Nur bestimmte Orchideenarten seien ausgegraben worden, alle Löcher gleich groß und mit einer geraden Einstichkante versehen gewesen.

Bei den Ermittlern seien diese Argumente auf taube Ohren gestoßen, was seine Hoffnung, die "wahren Täter zu schnappen", habe platzen lassen, sagt Jäger. Der Kappeler übt sich in Sarkasmus: "Man kann festhalten, dass die Polizei entweder keine Ahnung von der Lebensart der Wildschweine oder sie hat eine neue Spezies entdeckt, mit einer besonderen Intelligenz. Ich nenne sie Alien-Wildschweine."

Info: Andere Fälle noch ungeklärt

Bekanntlich sind nicht nur im Taubergießen, sondern einige Wochen später auch auf der Schwäbischen Alb Orchideen ausgegraben worden. Bei Burladingen im Zollernalbkreis wurden Mitte Juni etwa 100 abgetrennte Knollen entdeckt. Auch in diesem Fall hat die Polizei die Ermittlungen aufgenommen, unter anderem nach möglichen Händlern im Internet gefahndet. Ein Ergebnis steht in diesem Fall noch aus.