Ilka Wieber arbeitet an ihrem Stein in der Dombauhütte in Trondheim: Das Material in Norwegen ist ein anderes als an ihrer eigentlichen Arbeitsstätte in Freiburg, sagt die 17-Jährige. Foto: Zebura

Steinmetz-Azubine Ilka Wieber aus Kappel-Grafenhausen sammelt Erfahrung in Trondheim

Kappel-Grafenhausen/Trondheim (red/fx) - Von Kappel-Grafenhausen nach Trondheim: Steinmetz-Azubine Ilka Wieber hat drei Wochen in Norwegen gearbeitet. Für die 17-Jährige "sowohl fachlich als auch menschlich eine Bereicherung".

Das heutzutage im Trend liegende "Networking" gehörte unter den Handwerkern bereits im Mittelalter zur gängigen Praxis, so auch bei den Steinmetzen. Die Bauhütten und Baumeister der Kathedral-Kirchen der oberrheinischen Region pflegten seit den Bauanfängen einen regelmäßigen Kontakt und regen Austausch. Dieser setzt sich bis heute fort, sowohl im wissenschaftlichen als auch im handwerklichen Bereich – und das auf europäischer Ebene.

Froh über Unterstützung von vielen Seiten

So durfte die Kappel-Grafenhausenerin Ilka Wieber, Auszubildende in der Freiburger Münsterbauhütte, im Rahmen des Erasmus-Programms einen dreiwöchigen Austausch absolvieren und bei den Steinmetzen im norwegischen Trondheim reinschnuppern. Sie berichtet: "Ich habe fachlich viel gelernt, weil die Arbeitsweisen in der Trondheimer Bauhütte anders sind und auch andere Werkzeuge verwendet werden. Außerdem war es menschlich eine tolle Erfahrung." Ilka Wieber betont, dass sie sehr froh ist um die Unterstützung, die sie im Vorfeld erhalten habe – und zwar von vielen Seiten: moralisch und organisatorisch von den Eltern, fachlich und kommunikativ von der Münsterbauhütte, finanziell und administrativ von der Handwerkskammer. Auf die Frage, weshalb sie gerade nach Trondheim in Norwegen gehen wollte, antwortet sie: "Ich wollte gerne in ein nördliches Land gehen – den Süden lernt man eher mal kennen, etwa durch Urlaub. Außerdem wollte ich mein Praktikum in einem Land machen, in dem entweder jemand Deutsch spricht oder wo ich mit Englisch gut klarkomme."

Da kam die Verbindung der Freiburger Bauhütte zu der des Nidaros-Doms in Trondheim gerade recht. Sie wird unter anderem über die Europäische Dombaumeistervereinigung gepflegt. Außerdem war ein deutscher Steinmetz, der in Trondheim lebt und arbeitet , im vergangenen Jahr für ein paar Wochen an der Turmbaustelle des Freiburger Münsterturms tätig. Für Ilka Wieber ein glücklicher Zufall, da sie in ihrer norwegischen Wirkungsstätte einen direkten deutschsprachigen Ansprechpartner hatte. So konnte sie Einblicke gewinnen, wie die Norweger leben – inklusive Essenseinladungen, beispielsweise zum typischen Taco-Essen am Freitag oder zu einer Weihnachtsfeier, bei der es ein traditionelles Lammgericht gab. Der absolute Höhepunkt für Ilka Wieber war jedoch der Schnee: "Es ist einfach eine andere Winterstimmung, wenn nicht gestreut wird", erzählt die junge Auszubildende. Sie habe es genossen, die winterliche Stadt zu erkunden und Elch-Schlüsselanhänger als Mitbringsel einzukaufen – auch wenn die Sonne nur für wenige Stunden über Mittag zu sehen gewesen sei: "Gegen 15 Uhr war es schon fast dunkel."

Auch in der Bauhütte tauchte sie in eine andere Welt ein. Die Kappel-Grafenhausenerin hatte zwar eigenes Werkzeug mitgenommen, brauchte es aber nicht. So ist etwa der Knüpfel, der in Freiburg zu ihren Hauptwerkzeugen gehört, in Trondheim unbekannt. Das liegt unter anderem an dem anderen Material: In der Trondheimer Bauhütte wird mit Speckstein aus Norwegen gearbeitet. Ilka Wieber beschreibt ihn als "weicher, aber trotzdem schwerer zu bearbeiten – ein ganz anderes Arbeiten als an unserem Sandstein". Außerdem besteht die Trondheimer Bauhütte aus einem Gebäudekomplex mit mehreren Bereichen. Neben Steinmetzen sind dort auch Glaser, Maler, Gipser, Schmiede und Schreiner beschäftigt. Im gemeinsamen Aufenthaltsraum kommen sie dann immer zusammen – oder an den einzelnen Baustellen am Nidaros-Dom. Sie bearbeitete ein eigenes Werkstück für das Königsportal am seitlichen Chor der Großkirche. Sie ist nicht ganz fertig geworden mit der Bearbeitung, sodass ein Kollege die Fertigstellung des Stücks übernehmen wird, was aber nicht weiter schlimm ist. Denn für die 17-Jährige steht fest: Sie möchte nach Norwegen zurückkehren, um die Fjordlandschaften näher zu erkunden und Polarlichter zu sehen. Bei der Gelegenheit kann sie dann ihren fertigen Stein am romanisch-gotischen Dom von Trondheim begutachten.

Info: Wahrzeichen des Handwerks

> Von gestern bis heute:  Die Wanderschaft von Handwerksgesellen war früher Voraussetzung, um zur Meisterprüfung zugelassen zu werden. Die jungen Menschen sollten die Arbeitspraktiken an anderen Orten kennenlernen und Lebenserfahrung sammeln. Auch im 21. Jahrhundert stehen diese beiden Gedanken noch im Vordergrund, wenn Auszubildende oder Studierende am Austauschprojekten teilnehmen.

> Enge Partnerschaft:  Der Kontakt zwischen der Freiburger Münsterbauhütte und der Handwerkskammer Freiburg ist ein sehr enger. 2013 wurde ein Kooperationsvertrag unterzeichnet, der die Fortsetzung der Verbundenheit zwischen regionalem Handwerk und Freiburger Münster im Geiste der über Jahrhunderte währenden Tradition fortschreiben soll. Von der Finanzierung über die Planung durch die Baumeister bis hin zum eigentlichen Bau – das Münster gilt seit Jahrhunderten ein in Stein gemeißeltes Wahrzeichen des regionalen Handwerks. "Als Kammer unterstützen wir die Betriebe, weil der grenzüberschreitende Erfahrungsaustausch ein hervorragendes Instrument ist, die Ausbildung attraktiver zu machen. Außerdem können die Betriebe von der fachlichen Weiterentwicklung ihrer Auszubildenden nur profitieren", so Heike Schierbaum, Projektleiterin bei der Handwerkskammer Freiburg.