Bis zum 15. März müssen Beschäftigte im Gesundheitssektor, darunter auch Pflegekräfte, geimpft sein. Foto: Archiv/dpa

Ab Mitte März gilt die Impfpflicht im Gesundheitssektor. Einige Betreiber von Lahrer Pflegeheimen sehen deshalb ein großes Problem auf sich zukommen – nämlich dass sie dann zahlreiche Beschäftigte verlieren, die den Piks verweigern.

Lahr - Das Personal im Gesundheitswesen und Pflegebereich stemmt sich an vorderster Stelle gegen die Corona-Pandemie. Die Beschäftigten haben direkten Kontakt zu Menschen, ein verlässlicher Schutz vor dem Coronavirus ist für sie besonders wichtig. Deshalb hat der Bundestag eine berufsbezogene Impfpflicht für medizinisches Personal beschlossen. Die Leiter der Lahrer Pflegeheime, mit denen unsere Redaktion gesprochen hat, hoffen inständig, dass sich letzten Endes doch noch alle Mitarbeiter immunisieren lassen. Doch die Konsequenzen der Impfpflicht für diese Berufsgruppe bewerten sie teils unterschiedlich. Vor allem Jonas Kenk befürchtet, dass es Menschen geben wird, die den Pflegebereich dann verlassen werden. 

Pflegezentren Kenk: Familie Kenk betreibt im Raum Lahr/Herbolzheim sechs Pflege-Zentren und einen ambulanten Pflegedienst. Die Impfquote bei den rund 450 Beschäftigten liegt laut Jonas Kenk bei mehr als 90 Prozent. Bisher habe man wegen der bevorstehenden Impfpflicht in der Branche noch keine Kündigungen erhalten, "aber ich fürchte, dass das noch kommen wird". Unter den von unserer Redaktion Befragten ist er der schärfste Kritiker der Neu-Regelung: "Eine Impfpflicht nur für eine bestimmte Berufsgruppe ist völliger Blödsinn und für uns eine Katastrophe." Denn Pflegekräfte seien begehrt, schon wenige Kündigungen hätten gravierende Folgen. "Wenn wir durch die Impfpflicht in jedem unserer Häuser nur einen einzigen Mitarbeiter verlieren, ist das schon ein Riesen-Verlust", verdeutlicht Jonas Kenk.

Ludwig-Frank-Haus:  Im größten Lahrer Pflegeheim hat das neue Jahr gut begonnen. Denn der Corona-Ausbruch, den es dort im Dezember gegeben hatte, ist überstanden, im Januar sind keine neuen Infektionen hinzugekommen. Sieben Bewohner und fünf Mitarbeiter hatten sich infiziert – obwohl alle geimpft waren. Insgesamt hat das Awo-Seniorenzentrum gut 150 Mitarbeiter, die nach Auskunft von Heimleiter Martin Wälde zu 90 Prozent geimpft sind. Bei etwa fünf Prozent des Personals würden medizinische Gründe vorliegen, die gegen eine Impfung sprechen – so habe eine Mitarbeiterin nach dem ersten Piks gesundheitliche Probleme bekommen. Bei ihr hätten die Ärzte von einer zweiten Impfung abgeraten.

Bleiben weitere fünf Prozent des Personals, die auf die Immunisierung verzichtet haben. Einige dieser sieben oder acht Mitarbeiter hätten in Gesprächen mit ihm "eine gewisse Angst" vor der Impfung geäußert, teils, da Angehörige schlechte Erfahrungen damit gemacht hätten, sagt Wälde. Andere würden warten wollen, bis der sogenannte Totimpfstoff vorliegt.

Anders als Jonas Kenk begrüßt Wälde indes die Corona-Impfpflicht für die Branche: "Ich finde sie richtig und sinnvoll." Der Leiter des Ludwig-Frank-Hauses verweist darauf, dass Menschen, die in Einrichtungen wie Krankenhäusern oder Arztpraxen tätig sind, bereits seit dem 1. März 2020 verpflichtet sind, sich gegen Masern impfen zu lassen. Bei Einführung der Masern-Impfpflicht habe es kein "Theater" gegeben, so Wälde.

Nun darf er aber jene Mitarbeiter, die die Corona-Impfung verweigern, ab Mitte März nicht mehr beschäftigen – und das in Zeiten des Fachkräftemangels im Pflegebereich. Damit geht Wälde pragmatisch um – er sagt, dass ja auch die Gefahr bestehe, dass die ungeimpften Mitarbeiter an Corona erkranken und dann ohnehin ersetzt werden müssten.

Spital: Das Alten- und Pflegeheim neben dem Storchenturm hat 75 Mitarbeiter, von denen bis jetzt sieben nicht geimpft sind. Davon haben vier den Genesenen-Status. Bleiben drei Pflegekräfte ohne Immunisierung. "Es sind aber eher Impfskeptiker als Impfgegner", sagt Heimleiter Michael Krupinksi. Eine Mitarbeiterin habe aus persönlichen Gründen Angst vor dem Piks, die beiden anderen würden auf den Totimpfstoff warten, der noch nicht zur Verfügung steht. In Abstimmung mit dem Personalamt der Stadt Lahr werde er Einzelgespräche mit diesen drei Beschäftigten führen, so Krupinski.

Wie ist seine persönliche Meinung über die Impfpflicht für medizinisches Personal? "Ich bin für eine allgemeine Impfpflicht, nicht nur für Pflegekräfte", erwidert er. Denn es sei ja auch denkbar, dass das Corona-Virus durch neue Bewohner oder durch Besucher ins Heim getragen werde. Zurzeit sei allerdings nur ein Spital-Bewohner nicht geimpft.  

Caritas-Häuser: Der Lahrer Caritas-Verband betreibt vier Pflegeheime in Lahr, Seelbach und Ettenheimmünster mit insgesamt etwa 400 Mitarbeitern. 85 Prozent von ihnen sind laut Vorstandsmitglied Mirko Poetzsch geimpft. Rund 60 Beschäftigte haben sich also nicht immunisieren lassen. Man werde Gespräche führen und an die Betroffenen appellieren, sich doch noch impfen zu lassen, so Poetzsch. Jedoch: Wenn sie ihre Meinung über die Corona-Impfung nicht ändern, steht die Caritas ab dem 15. März vor dem gravierenden Problem, auf zahlreiche Beschäftigte verzichten zu müssen. "Diese Gefahr ist da", konstatiert Mirko Poetzsch.

Wie denkt er selbst über die Impfpflicht für Pflegeheim-Personal? "Ich finde es schwierig, hier mit einer Pflicht zu kommen, zumal Pflegekräfte sicher keine Treiber der Pandemie sind. Pandemisch gesehen wäre eine allgemeine Impfpflicht sinnvoller."

Freistellung ohne Bezahlung: Mit dem Stichtag 15. März müssen Beschäftigte etwa im Pflegebereich nachweisen, dass sie gegen das Coronavirus geimpft, von einer Impfung ärztlich befreit oder genesen sind. Die Nachweispflicht besteht gegenüber dem Arbeitgeber, erklärt Jürgen Markowski, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Offenburg. Konkret soll das so ablaufen: Arbeitgeber sollen den Impf- oder Genesenenstatus ihrer Beschäftigten prüfen und die Nachweise auf Verlangen dem Gesundheitsamt vorlegen können. Arbeitnehmer, die keinen Nachweis vorlegen, dürften nicht beschäftigt werden. Dann werde die Person freigestellt – und zwar ohne weiter eine Vergütung zu erhalten. Wer sich nicht impfen lassen will, müsse erst mit einer Abmahnung und dann mit einer Kündigung rechnen.