Auch im Kinizgtal gibt es viele Menschen, die nicht nur eine Muttersprache haben. Symbolfoto: Reinhard Foto: Schwarzwälder Bote

Tag der Muttersprache: Viele Kinzigtäler haben besonderen Bezug zu ihrer zuerst gesprochenen Sprache

Ob nun "lengua materna", "madrelingua", "mother tongue", "langue maternelle" oder "Muettersproch": Heute ist der internationale Tag der Muttersprache. Der Schwabo sprach mit Kinzigtälern, die einen besonderen Bezug zu ihr haben.

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Mittleres Kinzigtal. 6000 Sprachen werden weltweit gesprochen. Auch im Kinzigtal gibt es viele Menschen, die nicht "nur" Deutsch sprechen. José F.A. Olivier (Spanisch): Einer von ihnen ist der HAusacher Schriftsteller, Lyriker und Leselenz-Kurator José F.A. Oliver. Er ist der Sohn spanischer Gastarbeiter und in Hausach aufgewachsen – wo nicht nur Deutsch, sondern vor allem Allemannisch gesprochen wird.

"Ich habe mindestens zwei Muttersprachen, wenn nicht sogar vier: Spanisch, Deutsch und Andalusisch sowie Alemannisch", erklärt er. Die Muttersprache sei für ihn die Sprache, in der er seine "poetischen Grunderlebnisse" gesammelt habe und mit der "Nähe, Wärme, Aufgehoben-Sein und Geborgenheit" verbinde.

Die Gefühle seiner Muttersprachen gegenüber seien in der Intensität gleich, aber dennoch unterschiedlich. "Es ist ein bisschen so wie bei der Liebe zum Vater und zur Mutter. Man liebt sie beide, aber doch anders", meint Oliver. Die deutsche Sprache sei experimenteller, erlaube es mehr, philosophische Gedanken auszudrücken und Worte miteinander zu verbinden. Spanisch sei mehr wie ein Roman: Die Sprache sei bildhafter.

Und in welcher Sprache denkt er? "Immer in der, in der ich mein Brot kaufe", fasst Oliver zusammen.  Mengjiao Chen (Chinesisch): Auch Mengjiao Chen hat einen besonderen Bezug zur Sprache. Die junge Chinesin ist seit vier Jahren in Deutschland, macht gerade eine Ausbildung zur Altenpflegerin im Oberwolfacher Seniorenheim St. Luitgard. Vor allem sprachlich sei es am Anfang nicht leicht gewesen, meint die 25-Jährige. In China habe sie etwa zwei Wochen die neue Sprache gelernt, bevor es nach Deutschland ging. "Viel mehr als ›Guten Tag‹ konnte ich anfangs nicht", erzählt sie. Dank netter Kollegen, die ihr ehrlich sagten, wenn etwas falsch war, und auch ihres Freunds habe sie sich aber schnell sprachlich eingelebt und komme auch in der Schule gut mit.

Mittlerweile spielt sie auch in der Trachtenkapelle Oberwolfach Klarinette. Trotzdem freue sie sich natürlich, wenn sie ihre Muttersprache ab und an höre, zum Beispiel bei Telefonaten mit ihren Eltern und Freunden aus der Heimat. "Mit der Sprache verbinde ich vor allem Freundschaft und Heimat", sagt sie. Franco Giardini (Italienisch): Franco Giardini stammt aus Trevi und kam 1960 als 20-Jähriger nach Deutschland. Italienisch ist ganz klar seine Muttersprache, die er auch pflegt: "Im Kinzigtal leben relativ viele Italiener, mit denen ich mich treffe", erklärt Giardini. Mittlerweile denkt er sowohl auf Deutsch als auch Italienisch. Ihm fiel es auch nicht schwer, die hiesigen Dialekte zu verstehen. Mit seinen Söhnen, die alle in Deutschland geboren und aufgewachsen sind, spricht Giardini jedoch Deutsch. Alfredo Sanchéz (Spanisch): Der Leiter der Spanischen Weiterbildungsakademie AEF wuchs als Sohn spanischer Eltern in Hornberg auf. Spanisch ist seine Muttersprache, Deutsch begann er aber schon als Dreijähriger zu sprechen. Als Jugendlicher hat er zweimal wöchentlich muttersprachlichen Unterricht an der Wilhelm-Hausenstein-Schule besucht und schließlich sogar seinen Hauptschulabschluss auf Spanisch absolviert.

"Beide Sprachen sind gleich stark bei mir", berichtet Sanchéz. Er denke sowohl auf Deutsch als auch auf Spanisch. "Mir fällt es leicht, den Schalter umzulegen. Ich bin bikulturell aufgewachsen und somit Spanier und Schwarzwälder zugleich", erklärt er. "Mit der deutschen Sprache kann man jedoch gut rechnen und beten", sagt der Leiter der AEF Hornberg. Zu Hause spreche er jedoch mit seiner Frau, Kindern und Enkelkindern Spanisch. Jean-Philippe Naudet (Französisch): Der Gutacher lebt seit insgesamt 25 Jahren in Deutschland. Seine Muttersprache Französisch spielt im Alltag jedoch nur noch "eine geringfügige Rolle", berichtet Naudet. Deutsch ist die Sprache, die er im Beruf und bei Unterhaltungen spricht. Auch denke er auf Deutsch. "Ich lebe voll und ganz im Gutachtal. Hier ist meine Wahlheimat und ich kann mir nicht vorstellen, nach Frankreich zurückzukehren." Französisch spreche er, "wenn es hochkommt, nur einmal pro Woche mit meinen Eltern", erklärt Naudet.

Der internationale Tag der Muttersprache ist ein von der Unesco ausgerufener Gedenktag zur "Förderung sprachlicher und kultureller Vielfalt und Mehrsprachigkeit". Er wird seit 2000 jährlich am 21. Februar begangen. Vor dem Hintergrund, dass gut die Hälfte aller weltweit gesprochenen Sprachen vom Aussterben bedroht ist, hat sich die Unesco zum einen die Förderung von Sprachen als Zeichen der kulturellen Identität der Sprechenden auf die Fahnen geschrieben, zum anderen geht es ihr um den Fremdsprachenunterricht und Mehrsprachigkeit als Schlüssel zum gegenseitigen Verständnis und Respekt.