Holz, das im Wald von Pilzen und Pflanzen zersetzt wird, nimmt dort eine wichtige Rolle ein und kann Insekten als Lebensraum dienen. Foto: Fotos: Störr

Serie: Dauer der Zersetzung von Art und Dichte des Baums abhängig / Auch wichtige Rolle beim Klimaschutz

Der Wald erfüllt mit der Nutz-, Schutz- und Erholungsfunktion ein großes Spektrum für die Allgemeinheit. Der zertifizierte Natur- und Landschaftsführer Jean-Philippe Naudet erzählt, welche Rolle totes Holz im Wald spielt.

Gutach. Die Bedeutung des Tot-Holzes für den Wald war das praktische Prüfungsthema von Jean-Philippe Naudet zum Natur- und Landschaftsführer (siehe Info).

Somit ist er mit dem Thema bestens vertraut und kennt sich im Alt- und Totholz-Konzept des Landes Baden-Württemberg aus. Die erste Unterscheidung gibt es bei stehendem und liegendem Totholz, wobei das erstere im Wald nur begrenzt erwünscht ist. Schließlich birgt es ein gewisses Unfallrisiko. "In öffentlichen Parks und Anlagen ist es aus ästhetischen Gründen gar nicht zu sehen", erklärt der Gutacher. Doch im Wald würden Baumstümpfe, Stämme und Geäst den Boden stabilisieren und darüber hinaus die Erosion verhindern. Bis in die 1990er-Jahre hinein habe es stets gegolten, den Wald als Wirtschaftsfaktor "sauber" zu halten, die Vermehrung von Schädlingen zu vermeiden und das Totholz höchstens als Brennholz zu nutzen.

Mit der verbindlichen Totholz-Strategie im Staatswald, soll seit 2010 das Nachhaltigkeits-Dreieck aus Bewirtschaftung, Umweltschutz und Erholung besser in Einklang gebracht werden, wie Jean-Philippe Naudet erklärt. "Um die Biodiversität zu sichern und zu steigern ist es das ausgesprochene Ziel, fünf Prozent des Waldes unbewirtschaftet zu lassen." Wo es kein Totholz gebe, könnten Insekten-Hotels und Nistkästen für Vögel ein Ersatz sein. Denn das tote Holz ist Lebensraum von vielen Tieren und Pflanzen. Allein 1 350 verschiedene Käferarten – und damit etwa ein Viertel aller in Deutschland vorkommenden, leben im und am Holz der verschiedenen Zerfalls-Stadien.

Je nachdem, ob es sich um Laub- oder Nadelholz handelt, sind auch andere Insekten wie Bienen, Wespen, Hummeln, Ameisen oder Schmetterlinge zu finden. "Der überwiegende Teil unserer etwa 1 000 Wespen- und Bienenarten ist auf Alt- und Totholz als Lebensraum angewiesen", erklärt der Natur- und Landschaftsführer.

Darüber hinaus gebe es ungezählte Pilze, Moose, Flechten und Farne, die sich auf die unterschiedlichen Zerfallsstadien als Lebensraum spezialisiert hätten. "Der Kreislauf ›Holz‹ schließt sich im Aspekt des Humus´, der gefehlt hat, solange der Wald ›sauber‹ gehalten wurde", verweist Jean-Philippe Naudet auf die gegenseitige Abhängigkeit im Wald. Insekten würden Pilzsporen auf den Holzkörper übertragen, wobei der Pilz auch Nahrungsquelle und Teillebensraum für Insektenlarven sein könnte.

Die Insektenlarven würden dann wiederum als Nahrungsquelle von Vögeln wie beispielsweise dem Specht dienen. Und Bakterien, Käfer sowie Baumpilze würden das Totholz über Jahre hinweg zersetzen. Die Dauer des Prozesses hänge natürlich entscheidend von der Art und Holzdichte des Baumes ab. "Nadelholz zersetzt sich viel langsamer, weil das Harz noch sehr lange schützt, eine Eiche ist im Gegensatz zur Buche sehr kompakt im Holz", erläutert Naudet.

Durch die Zersetzung werde das Totholz zum Nährboden für neue Pflanzen, und der Kreislauf sei geschlossen. Und selbst für das Mikroklima wäre Totholz ein enormer Gewinn, weil Temperaturschwankungen ausgeglichen werden. "Es gibt Experimente mit Totholz in Fließgewässern, die eine deutliche Steigerung der Fischpopulation mit sich brachte", so der Natur- und Landschaftsführer abschließend. Sein Fazit: "Die Natur erholt sich, wenn man Totholz zulässt."

An der Heimat- und Wanderakademie des Landes Baden-Württemberg hat sich Jean-Philippe Naudet zum "Natur- und Landschaftsführer: Wanderführer Schwarzwald" weitergebildet. Ein Teil der Ausbildung umfasste die Naturpädagogik, in deren Rahmen Sinneserfahrungen durch riechen, fühlen, hören und schmecken ermöglicht werden sollen. "Das Totholz kann man sicher nicht schmecken, aber den Borkenkäfer auf jeden Fall hören", erklärte der 48-jährige Gutacher augenzwinkernd.