Die "ZG Raiffeisen" war ein Treffpunkt für das ganze Dorf und bot den Bürgern ein umfangreiches Sortiment. Nun geht es darum, zu gestalten, wie es nach ihrem Wegzug weitergeht. Foto: Lahrer Zeitung

Bürgerversammlung: Wagenstadt diskutiert darüber, was nach der "ZG Raiffeisen" kommen könnte

Was kommt in Wagenstadt nach der "ZG Raiffeisen"? Diese Frage bewegt derzeit die Bürger aus dem Bleichtal. Wie sehr, das war auf der Versammlung vergangene Woche zu sehen: Rund 140 interessierte Bürger kamen und brachten ihre Ideen ein.

Herbolzheim. Die Nachricht, dass die ZG Raiffeisen ihre Zelte in Wagenstadt abbrechen will, habe ihn Ende August kalt erwischt, erklärte Bürgermeister Thomas Gedemer. Nachdem es ihm gelungen war, den Vorstandsvorsitzenden Ewald Glaser zu überzeugen, den Standort bis zum Dezember weiterzuführen, gehe es nun darum, eine Anschlusslösung zu finden. Die Stadt sei bereit, für die Bürgern bei Interesse das Gebäude der ZG Raiffeisen zu kaufen. Doch wie genau es weitergehe, das sollten diese selbst bestimmen und dabei ihr Engagement unter Beweis stellen, denn: "Der Markt lebt von Vitalität", so der Rathauschef. Es gehe darum, eine Lösung für das Dorf zu finden, "mit der wir zufrieden sein können", erklärte der Moderator des Abends, Pfarrer Oliver Wehrstein. Dass sie bereit waren, etwas zu tun, stellten die Wagenstädter an diesem Abend unter Beweis: 140 Bürger waren zu der Versammlung gekommen. Das Konzept Dorftreff: Wie man aus Eigeninitiative etwas Neues entstehen lassen kann, das schilderte Stefan Wortmann. Er hatte in Hiltensweiler am Bodensee 2015 einen Dorfladen und -treff mitbegründet. Das dort umgesetzte Projekt ist dreigeteilt: Es gibt einen Laden mit allem, was zum täglichen Bedarf benötigt wird. Zwei Cafés mit einem Außenbereich mit Spielplatz und einer Elektro-Auto-Ladesäule sowie einen Veranstaltungsraum. Letzterer sei nicht als Konkurrenz zu den Räumen der Vereine zu sehen, sondern als Ergänzung, etwa für eine kleine Gruppe oder als mietbaren Veranstaltungsraum. Um das alles so umzusetzen, hatten damals 141 Engagierte mit 41 000 Euro eine Mini-GmbH gegründet, der Gemeinderat hatte zudem mit einer Bürgschaft unterstützt und es wurde nach weiteren Sponsoren gesucht. "Es ist unser Laden. Für mich ist das etwas, das mein Leben lang bleibt und worauf ich stolz sein kann."   Bürger sind gefragt: Im Anschluss an den Vortrag waren die 140 Besucher gefragt. Sie sollten in zehn Gruppen Antworten auf folgende Fragen finden: was sie an der Idee des Dorftreffs gut fänden. Wie sie sich so einen Dorftreff vorstellen. Aber auch, was sie kritisch an der Umsetzung sehen und welche alternativen Ideen es für das Gebäude der "ZG Raiffeisen" gibt. Große Hoffnung: Wagenstadts Ortsvorsteher Thomas Hofstetter war froh darüber, dass so viele Bürger gekommen waren – auch außerhalb von Wagenstadt. "Das ist positiv. Man kann viel machen – gerade mit jungen Leuten", erklärte er begeistert gegenüber unserer Zeitung, fügte jedoch auch energisch hinzu: "Wenn wir diese Gelegenheit nicht wahrnehmen, werden wir eine Schlafstadt."   Viele Ideen: Warum so ein Dorftreff gut wäre und wie man diesen gestalten könnte – dazu hatten die Anwesenden viele Ideen. Die Pinnwände reichten für alle Vorschläge fast nicht aus: Ein generationenübergreifender Treffpunkt für das ganze Bleichtal und die Region solle er werden und barrierefrei. Ein Ort, an dem man Gemeinschaft und Tradition bewahren, heimische Produkte kaufen und anbieten könne mit Räumen für Veranstaltungen.

Was die konkrete Ausgestaltung betraf, wurden die Bürger richtig kreativ: Eine Paketannahmestation sollte dabei sein, eine "Talentbörse" und die Möglichkeit Lebensmittel unverpackt zu kaufen, wünschten sich einige. Pflanzenbörse, Flohmarkt, eine Probierstube für Wein- und Schnaps oder eine "Reparatur-Börse", das alles und noch mehr, konnten sich die Wagenstädter vorstellen.   Schwierigkeiten: Bei aller Euphorie, die Bürger sahen aber auch die Herausforderungen: Sei es wirklich möglich, dass der Dorftreff keine Konkurrenz für einheimische Anbieter sei oder sich umgekehrt im Hinblick auf die Vollsortimenter der Umgebung überhaupt rentiere? Würde man es schaffen, dass alles zu finanzieren? Und würden ausreichend Bürger mitmachen?

Auch Ideen, was man anstatt eines Dorftreffs verwirklichen könnte, hatten sie einige: Ein Mehrgenerationenhaus, schlugen mehrere vor. Parkplätze, eine Einkaufspassage, Wohnungen oder Tagespflege, aber auch ein Indoor-Spielplatz für Kinder oder eine Kletterhalle und sogar ein Wellness-Tempel wurden vorgeschlagen.   Das Ergebnis: Zum Schluss wurden die Anwesenden gebeten abzustimmen: Bezüglich des Dorfladens gab es vier Gegenstimmen und 10 Enthaltungen, für einen Dorftreff waren aber nahezu alle der Anwesenden, nur zwei enthielten sich. Bereit alles zu tun, um das Projekt zu verwirklichen und dabei führend mitzuwirken waren 30, sechs stellten sich in die Reihe, die keine zeitlichen Reserven dafür hat. Die Mehrheit der Anwesenden wählte die Mittelposition für sich: diejenigen, die an das Projekt glaubten und sich einbringen wollen.   Wie es weitergeht: "Ideen sind immer faszinierend, aber sie umzusetzen, ist das andere", erklärte Wehrstein. Wer Zeit und den Willen habe, sich für den Dorftreff einzubringen und beim nächsten Treffen dabei sein wollte, der sollte sich auf eine der Listen eintragen. Das taten nicht wenige der Anwesenden. "Ich spüre bei euch die gleiche Aufbruchsstimmung wie bei uns damals", machte Wortmann den Bürgern Mut, ihre Ideen zu verwirklichen.

Die Zukunft der "ZG Raiffeisen" ist wichtig fürs gesamte Bleichtal, ist sich Wagenstadts Ortsvorsteher Thomas Hofstetter sicher. Angeboten werden dort Artikel für Garten und Landwirtschaft, regionale Lebensmittel, Bekleidung und Tierbedarf. Ein Weiterbetrieb lohnt sich nicht, denn das "EInkaufsverhalten und die Landwirtschaft" habe sich dafür zu sehr verändert, erklärte Gedemer. Ein Mitarbeiter wurde konkreter: "Mit dem Internet war unser Fachwissen nicht mehr gefragt, stattdessen gingen die Leute dorthin, wo es scheinbar am günstigsten war."