Fridolin Koch vom Verein Spes stellte Berechnungen zur wirtschaftlichen Rentabilität eines Dorfzentrums an. Foto: Lahrer Zeitung

Bürgerversammlung: 110 Bürger diskutieren in Wagenstadt über die Zukunft des ZG-Raiffeisen-Gebäudes

In Wagenstadt will man die Chance nutzen, aus dem ehemaligen Gebäude der ZG Raiffeisen einen Dorftreff zu machen. Wie weit die Planungen vorangeschritten sind und was noch alles unternommen werden muss, war Thema einer Bürgerversammlung.

Wagenstadt. Auch nach mehr als einem Jahr ist das Interesse am ZG-Gebäude groß: 110 Teilnehmer waren zur Bürgerversammlung in Wagenstadt gekommen, wie Herbolzheims Bürgermeister Thomas Gedemer und Wagenstadts Ortsvorsteher Thomas Hofstetter erfreut feststellten. Gedemer lobte die Anwesenden für ihr Engagement. Es sei ihm wichtig, möglichst viele Bürger ins Boot zu holen, damit etwas Passgenaues, Bedarfsgerechtes für Wagenstadt und das Bleichtal entstehe, so dass aus dem "ZG" ein "GZ", ein gemeinschaftliches Zentrum würde. Das wurde bisher erreicht: Die Stadt hat mit Zustimmung des Gemeinderats 2019 das ehemalige ZG-Gebäude samt Gelände erworben. Zudem konnten rund 15 000 Euro Fördergelder für den Dorftreff generiert werden. Friedhelm Marx, Leiter der Projektgruppe "Dorv", berichtete, dass das achtköpfige Leitungsteam sich im vergangenen Jahr zahlreiche Dorftreffs und -läden angesehen hätte, um Ideen zu sammeln und aus den Fehlern anderer zu lernen. Insgesamt habe die Leitungsgruppe mehr als 20 Besprechungen gehabt und auch noch Veranstaltungen im Gebäude ausgerichtet, wie etwa den ersten Wagenstadter Flohmarkt oder das Traktorenrennen der Kindergartenkinder. Zudem habe man Beratungstermine mit den Förderverein "Spes" und der "Allianz für Beteiligungen" sowie anderen Einrichtungen gehabt. Letztendlich gebe es nun zwei Konzeptvorschläge, die auch schon im Ortschaftsrat präsentiert worden seien. Diese seien entweder einen Dorftreff mit Laden zu gründen oder das Gesamtgelände zu nutzen, etwa indem man noch zusätzlich Wohnraum etwa für Senioren ("Wohnen Plus") schaffe. So könnte das Dorfzentrum funktionieren: Heinz Frey vom Verein "Dorv" (Dienstleistung, ortsnah, Rundum-Versorgung) aus Jülich zeigte Beispiele von anderen Gemeinden, die erfolgreich einen Dorftreff etabliert hatten. Freys Vision ist dabei "wohnen, leben und arbeiten" zusammenzubringen. Dabei spiele eine multifunktionale Nahversorgung eine zentrale Rolle. Es gehe dabei nicht nur darum "drei Scheiben Wurst" zu verkaufen, sondern um eine passgenaue Bündelung von Angeboten in den fünf Bereichen Lebensmittel, Dienstleistungen, sozial-medizinische Versorgung, Kommunikation und Kulturangebote aufzubauen. Der Schwerpunkt solle dabei auf regionalen Produkten liegen, für die man auch auf die Integration und Kooperation der Betriebe aus dem Ort setzen müsste. Gemeinsam agieren: Generell müssten private Wirtschaft, öffentliche Hand und Bürger zusammenarbeiten, um erfolgreich ein Dorfzentrum zu etablieren, erklärte Frey: Die Bürger, weil ihr Engagement notwendig sei, die Verwaltung zur Unterstützung und die Privatwirtschaft, weil auf Dauer nur ein Dorfzentrum überleben könne, das sich auch rechne. Auch die Themen online und Digitalisierung spielen für den Erhalt eines Zentrums eine große Rolle. Über das Portal "onleine" könnten etwa Artikel in den Dorfladen zur Abholung bestellt werden.   Aktuell keine wirtschaftliche Rentabilität: "Dorv" arbeitet eng mit dem Förderverein "Spes" zusammen, dessen Vertreter Fridolin Koch die Rentabilität eines Dorftreffs durchgerechnet hatte – mit ernüchternder Bilanz: Bei 65 Kunden, die pro Tag fünf Euro umsetzten, würde der Dorfladen – ohne ehrenamtliche Unterstützung – ein Minus von fast 13 000 Euro pro Jahr bringen. Ein zusätzliches Café als Begegnungsort würde eine schwarze Null bringen, allerdings nur wenn dort noch zusätzlich etwa 60 Kunden pro Tag mindestens sieben Euro umsetzen würden. Eine Wirtschaftlichkeit sei infolgedessen nicht zu erwarten. Anders könnte es jedoch aussehen, würde man zusätzlich noch ein Konzept für "Wohnen Plus" nutzen, indem man etwa noch Wohnungen für Ältere oder Pflegebedürftige schaffe.   Das wollen die Bürger: Wie sich die Bürger ihr Dorfzentrum vorstellen, das konnten sie anschließend diskutieren. Das Ergebnis: Noch Plätze für altersgerechtes Wohnen zu schaffen, konnten sich viele tatsächlich vorstellen. Was Kulturangebote angehe, wünsche man sich auch Angebote für Jugendliche. Zudem soll es im Dorfzentrum viele Kulturveranstaltungen wie Flohmärkte oder Thementage aber auch regelmäßige Veranstaltungen wie Singen, Tanzen oder Spielen geben. Ein Café soll dabei als Treff und als generationenübergreifendes Angebot entstehen. Was die Dienstleistungen angeht, standen vor allem Angebote von und für Senioren wie etwa ärztliche Sprechstunden oben auf der Liste. Aber auch eine organisierte Nachbarschaftshilfe, Post, Bringdienste für Essen und die Möglichkeit an Bargeld zu kommen, wurden gefordert. Angebote, die man im Bereich Bildung gerne hätte, waren ein Generationencafé, Räume für das Bildungswerk und die VHS, ein schwarzes Brett sowie die Möglichkeit für Theater, Film und Laienkunst.

Für die nächsten Schritte würden nun viele Helfer gebraucht, erklärte Herbolzheims Bürgermeister Thomas Gedemer. Zunächst müsse man aus der Fülle an Ideen und Themen die wichtigsten aussieben. Diese Schwerpunkte sollen bis zum Sommer festgelegt werden, damit dann bis Ende des Jahres konkrete Pläne entstehen und Partner gewonnen werden können. 2021 soll es dann mit der Verwirklichung des Dorftreffs losgehen,