In Dörlinbach überflutete das Hochwasser am 9. Juni die Durchgangsstraße. Foto: Kamera24 Foto: Lahrer Zeitung

Politik: Schuttertäler Bürgermeister Matthias Litterst: "Alle packen an, jeder hilft mit"

Schuttertal - Den Posten des Bürgermeisters hat Matthias Litterst mit einem großen Vertrauensvorschuss angetreten, die Wahl hatte er mit fast 100 Prozent der Stimmen gewonnen. Genau ein Jahr ist er nun am heutigen Dienstag im Amt. Wir haben ihn zu den Herausforderungen seiner ersten zwölf Monate als Schuttertäler Rathauschef befragt – und welche Aufgaben noch auf ihn zukommen.

Herr Litterst, die Bilder der Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz haben bestimmt ungute Erinnerungen bei Ihnen ausgelöst, denn vorher hat es auch in Schuttertal Überschwemmungen gegeben. Was haben Sie von den betroffenen Bürgern noch gehört?

Glücklicherweise sind die Schäden hier nicht mit denen in NRW und RPL vergleichbar, wenn es auch hier einige Einwohner hart getroffen hat. Ich hatte in den letzten Wochen Kontakt zu einigen, sicherlich nicht allen Betroffenen. Bei den meisten dürfte das Gröbste behoben sein. Allerdings gibt es auch ein paar Anwesen, die sehr stark durch alle drei Hochwasserereignisse betroffen waren. Hier kämpfen einige Hausbesitzer noch mit ihren Versicherungen.

Wird man es künftig verhindern können, dass die Schutter im Schuttertal über die Ufer tritt?

Gänzlich verhindern wird man das sicherlich nicht können. Unsere Feuerwehr hat sich vergangene Woche zu einem entsprechenden Rückblick auf die Hochwasser der letzten Wochen getroffen. Außerdem haben wir ein externes Fachbüro beauftragt, die Hochwassersituation in der Gesamtgemeinde zu erörtern. Als nächsten Schritt werden wir, also Verwaltung, Bauhof, Feuerwehr, Gemeinderat und das Fachbüro, die Ergebnisse auswerten und schauen, wo wir präventiv ansetzen können.

Ein großes Thema war natürlich Corona. Glauben Sie, dass hier das Gröbste überstanden ist?

Ja, ich glaube, dass wir die schwierigste Phase tatsächlich überstanden haben. Sicherlich wird noch einmal spannend, was im Herbst und Winter passiert. Ich bin vorsichtig optimistisch, dass es nicht noch einmal zu größeren Einschränkungen wie einem kompletten Lockdown kommen wird. Ausschlaggebend wird meines Erachtens hierbei die Impfbereitschaft der Bevölkerung sein.

Wie fällt Ihre bisherige Bilanz der Pandemie aus?

In Schuttertal haben sich größtenteils die selben Herausforderungen gestellt wie im Rest des Landes auch, mit dem Unterschied, dass hier bei den allermeisten die Wohnverhältnisse so sind, dass immer die Möglichkeit bestand, sich auch während des Lockdowns in der Natur aufzuhalten. Dies ist sicher anders, als wenn man in einer kleinen Hochhauswohnung in der Stuttgarter Innenstadt wohnt. Erfreulicherweise sind viele unserer Betriebe gut durch die Pandemie gekommen. Aber es gibt auch bei uns Firmen sowie Gastronomie- und Beherbergungsbetriebe, die sehr unter den Einschränkungen zu leiden hatten. Außergewöhnlich ist in Schuttertal sicher der gesellschaftliche Zusammenhalt. Man hilft und unterstützt sich gegenseitig, gerade in schwierigen Situationen.

Schwierig war die Situation für unsere Vereine. Aus den Generalversammlungen, die ich in den letzten Wochen besucht habe, konnte ich mitnehmen, dass unsere Vereine wahnsinnig kreativ waren und viele es auch geschafft haben, ihre Mitglieder bei Laune zu halten. Ein großes Kompliment an die Vorstandschaften unserer Vereine.

Besonders schwierig war die Situation für unsere Schul- und Kindergartenkinder sowie deren Eltern, die viele Wochen zuhause waren. Ich hoffe sehr, bin aber auch optimistisch, dass unsere Kinder im kommenden Schul- und Kindergartenjahr wieder zu einem entspannteren Betrieb zurückkehren werden.

Und welche Herausforderungen im Zusammenhang mit Corona kommen noch auf die Bürger zu?

Wie gesagt, noch nicht ganz klar ist, wie sich die Lage im Herbst und Winter gestaltet. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir die größten Anstrengungen hinter uns haben.

Haben sich Ihre ganz persönlichen Hoffnungen als Bürgermeister erfüllt?

Mein Amt hier in unserer Gemeinde habe ich angetreten, mit dem Ziel und der Hoffnung, die Gemeinde weiter voranbringen zu können. Mir war es wichtig, dass wir mit den viele Akteuren in der Gemeinde, dem Gemeinderat, der Verwaltung, den Bürgerinnen und Bürgern, den Vereinen, der Kirche, den Schulen und Kindergärten einen guten Start und einen gemeinsamen Weg der Zusammenarbeit zu finden. Und ich glaube, das ist uns geglückt. Ich habe im Rathaus ein hoch kompetentes, motiviertes und engagiertes Team um mich.

Die Zusammenarbeit im Gemeinderat ist jederzeit konstruktiv und offen. Mit vielen Vereinen stehe ich in gutem Kontakt, auch wenn deren Aktivitäten und somit die Gelegenheit, gemeinsam etwas zu gestalten, momentan noch eingeschränkt ist. Hier hoffe ich, dass wir schon bald viel mehr Berührungspunkte miteinander haben werden und gemeinsam etwas bewegen können. Genauso verhält es sich mit der Kirchengemeinde. Mit der Schule und den Kindergärten konnten wir gut gemeinsam starten, auch wenn die Pandemie im letzten Jahr vieles überlagert hat.

Was mir wahnsinnig fehlt, ist der enge Kontakt zur Bevölkerung. Es gibt ja kaum Veranstaltungen beziehungsweise keine Feste, bei denen man einmal ungezwungen ins Gespräch kommen kann. Außerdem fanden seit meinem Amtsantritt keine Jubilarbesuche bei Geburtstagen oder Ehejubiläen statt; ich hoffe jedoch, dass es die Pandemielage nach den Sommerferien zulässt, dass ich damit endlich beginnen kann.

Mal abgesehen von der Pandemie – was hat Sie am meisten gefordert?

Neben dem Hochwasser ist es sicher die breite Vielfalt der Themen die einen Bürgermeister, insbesondere in einer kleinen Gemeinde, fordert. Zwar komme ich ja aus der Verwaltung und war bei der Stadt Offenburg und der Stadt Hornberg in Bereichen tätig, die thematisch sehr breit gefächert waren. Doch muss man sich als Bürgermeister in wirklich sämtliche Themen einer Gemeinde zumindest eindenken und in viele auch einarbeiten, um einen Überblick zu haben. Das ist nicht immer ganz einfach, aber gerade das macht den Beruf total spannend. Meine Amtsleiter Frau Kopf und Herr Wölfle sowie das gesamte Rathaus- und Bauhof-Team unterstützen mich hier wirklich toll.

Über welche Erfolge im ersten Amtsjahr als Bürgermeister freuen Sie sich am meisten?

Ich glaube, wir konnten Vieles auf den Weg bringen und realisieren im letzten Jahr. Exemplarisch möchte ich die Digitalisierung der Schule nennen. Ich bin sehr froh, dass wir diese so wichtige Maßnahme beschlossen haben und nun auch in deren Umsetzung gehen können. Weiter freut es mich sehr, dass wir die Alte Schule nun endlich in Angriff nehmen können und hier – genauso wie für die Beschaffung unseres neuen Feuerwehrfahrzeugs – tolle finanzielle Unterstützungen durch das Land erhalten haben. Das alles ist jedoch nicht alleine mein Erfolg, sondern wurde nur möglich, weil Gemeinderat, Verwaltung und ich hier an einem Strang gezogen haben.

Was haben Sie über die Schuttertäler gelernt, was Sie noch nicht wussten?

Mir war bewusst, dass die Schuttertäler wirklich zusammenhalten. Doch die Hilfsbereitschaft, die ich bei den Hochwassern beobachten konnte, hat mich tief beeindruckt. Alle packen an, man hilft seinem Nachbarn ganz selbstverständlich. Das zu sehen hat mich –trotz aller Widrigkeiten – sehr froh gemacht.

Und welche Aufgaben warten noch auf den Rathauschef Matthias Litterst?

Auf mich und unsere Gemeinde warten noch sehr viele Aufgaben. Mein Vorgänger Carsten Gabbert hat einmal in einem Gespräch einen Satz gesagt, der es auf den Punkt bringt: Die größte Herausforderung ist die Summe der vielen Herausforderungen. Wir wollen neue Baumöglichkeiten entwickeln, stehen vor großen Herausforderungen im Schul- und Kitabereich, Stichwort Kapazitäten in den Kigas und Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in den Grundschulen. Wir haben eine enorme Infrastruktur mit vielen Gebäuden, Kanälen, Straßen und Leitungen zu unterhalten. Das Thema Klimawandel und die damit verbundenen Problematiken Trockenheit und Hochwasser stellen uns vor Herausforderungen. Das Thema Breitbandausbau liegt mir am Herzen, hier suchen wir derzeit nach Lösungen. Ich könnte jetzt noch viele Dinge aufzählen. Sie sehen, es wird uns nicht langweilig, die Arbeit geht uns nicht aus.n Fragen: Herbert Schabel

Matthias Litterst war Sachgebietsleiter und stellvertretender Hauptamtsleiter bei der Stadt Hornberg und dort unter anderem für die Bereiche Standesamt, Schule, Kindergärten, Soziales, Wahlen sowie die Bürgerstiftung zuständig, ehe er für das Bürgermeisteramt in Schuttertal kandidierte. Der 38-Jährige ist verheiratet und hat drei Töchter. Mit dem Bürgermeisterberuf ist Litterst praktisch groß geworden: Sein Vater war 39 Jahre Rathauschef in Ortenberg.