Historie: Entnazifizierung in Hausach läuft an / Vertreter der Kirchen wenden sich gegen die Maßnahmen

Der am 21. April 1945 erfolgte Einmarsch der französischen Streitkräfte führte auch das Ende der Partei-Diktatur der Nationalsozialistischen Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) in Hausach herbei. Stadtarchivar Michael Hensle hat recherchiert.

Hausach. Um selbst den letzten organisatorischen Zusammenhalt oder etwaige Widerstandsbestrebungen zu brechen, sollten alle Mitglieder der NSDAP oder deren Formationen erfasst werden. Ergebnis: 196 Personen wurden im Mai 1945 als NSDAP-Mitglieder gezählt. Eine Nacherfassung vom Juli 1946 ergab sogar eine Zahl von mehr als 300 Parteimitglieder, wobei darunter auch etliche waren, die ab 1944 als 17- oder 18-Jährige in die NSDAP aufgenommen worden waren. Das heißt, fast ein Fünftel aller Erwachsenen in Hausach war Parteimitglied gewesen.

Was tun, angesichts so vieler Menschen, insbesondere wenn die Zielsetzung darin bestand, sämtliche Einflüsse des Nationalsozialismus zu beseitigen? Das Stichwort hieß "Entnazifizierung". Nachdem bereits im Oktober 1945 eine "Reinigungskommission" – einschließlich örtlicher Untersuchungsausschüsse – sich mit der Säuberung der öffentlichen Verwaltung befasst hatte, sollte die Entnazifizierung auch auf Gesellschaft und Wirtschaft ausgedehnt werden. Hierzu wurde für Industrie, Gewerbe und Handel ein Negativ-Katalog mit bis zu 400 Punkten entwickelt (siehe Info).

Bevor die "Reinigungskommission" im Einzelnen zu ihren Entscheidungen gelangte, sollte das Gemeinderatskomitee Hausach im Auftrag des Kreisausschusses zur Entnazifizierung in Wolfach zunächst eine Kurzbeurteilung der 37 Hausacher Funktionsträger der Nazi-Partei und deren Formationen vornehmen. Die Beurteilungen und Charakterbewertungen reichten von "überzeugter Naz.Soz.", "radikale Einstellung", "normales Verhalten" bis zu "verträglich. Charakter".

Ein Fünftel der Hausacher war Parteimitglied

Solche Kurzbeurteilungen dürften wohl in die Empfehlungen des Wolfacher Entnazifizierungsausschusses für Sühnemaßnahmen eingeflossen sein, über deren Verhängung letztlich die "Reinigungskommission" im "Verfahren über die politische Reinigung" entschied. Solche Sühnemaßnahmen konnten sein: Vermögenssperrung und -einzug, Gehaltskürzung, Entlassung bis hin zum Berufsverbot.

Exemplarisch dafür ist der Fall des Hausacher Architekten S., der wie viele andere erst 1937 der NSDAP beigetreten war. Er hatte keine weitere Parteifunktion inne, sondern war lediglich Führer des örtlichen Nationalsozialistischen Kraftfahrkorps.

Das Gemeinderatskomitee Hausach bescheinigte dem Architekten, "polit. nicht stark hervorgetreten" zu sein und "normales Verhalten". Dennoch fiel der Beschluss der "Reinigungskommission" vom April 1947 hart aus: "Einzug von 50 Prozent des gesamten Vermögens. Zehn Jahre Verbot der Ausübung einer leitenden oder selbstständigen Tätigkeit. Zehn Jahre Verbot des Haltens von Kraftfahrzeugen. Entzug des Führerscheins, falls vorhanden. Steht für zehn Jahre dem Sondereinsatz zur Verfügung." Dieser Beschluss wurde, wie in anderen Fällen auch, nach Auflösung der "Reinigungskommission" und Ersetzung durch die sogenannte Spruchkammer zur Entnazifizierung rund ein Jahr später aufgehoben. Der Architekt S. wurde als "Minderbelasteter" eingestuft auf zwei Jahre Bewährung.

Die Verfahren stießen auf zunehmende Ablehnung, und insbesondere Vertreter beider christlichen Kirchen wandten sich gegen sie. Mit der sogenannten Regelung der Rechtsverhältnisse nach Artikel 131 des Grundgesetzes von 1951 kam die Entnazifizierung zum erliegen.