Mit dem Schiff von Le Havre nach New York verließen im 19. Jahrhundert viele Auswanderer ihre Heimat. Repro: Hensle Foto: Schwarzwälder Bote

Geschichte: Viele Hausacher und Einbacher suchen im 18. und 19. Jahrhundert ihr Glück in der neuen Welt

Migration ist immer noch ein strittig debattiertes Thema im Land. Dabei wird oft vergessen, dass es noch nicht so lange her ist, als Deutschland selber ein Auswanderungsland war. Ziel waren vor allem die USA. Auch aus Hausach und Einbach gingen Viele nach Nordamerika.

Hausach. Bei der Volkszählung von 2010 gaben 50 Millionen US-Amerikaner an, einen deutschen Migrationshintergrund zu haben. Die Gründe der Auswanderung sind vielfach: wirtschaftliche Not und Hungerkatastrophen, politische Verfolgung und religiöse Unduldsamkeit. Die wirtschaftlichen und politischen Krisenzeiten der 1840er- und 1850er-Jahre führten nachfolgend zu einer großen Auswanderungswelle, die fast ausnahmslos nach Nordamerika führte.

Mittlerweile war das Auswanderungswesen geregelter geworden, es gab gut organisierte Auswanderungsagenten, auch waren die Schiffspassagen billiger geworden. Allerdings kostete die Auswanderung: Beispielsweise war im Jahr 1855 die Voraussetzung für den Grenzübertritt nach Frankreich, um sich in Le Havre nach New York einzuschiffen, der Nachweis von mindestens 200 Francs Überfahrtsgeld plus 80 Francs Reisegeld, eine Summe von mehr als 130 Gulden. Migration war schon damals nichts für ganz Arme.

Verschwanden frühere Auswanderer oft unabgemeldet, so wurde nun die Auswanderung zunehmend formalrechtlich abgewickelt. Die Auswanderungserlaubnis ging einher mit dem Verzicht auf das badische Staatsbürgerrecht und das örtliche Gemeindebürgerrecht. In der Regel wurden Auswanderungsvorhaben vor dem Gemeinderat oder dem Bürgerausschuss verhandelt.

Ein Beispiel dafür ist der Auswanderungsfall der ledigen Kordula Stölker aus Einbach. Diese trug im Oktober 1864 vor, sie habe von ihrer Mutter, "welche sich in New York befindet", ein Schreiben erhalten, "worin diese wünschte", sie solle ihr nach Amerika nachfolgen. Hierzu wurde vom Einbacher Bürgermeister Xaver Armbruster angemerkt: "Die Bittstellerin ist eine hiesige Ortsarme, hat weder anerfallenes noch zu hoffendes Vermögen, und da dieselbe wegen Mangel an Reisegeld ihrem Vorhaben nicht nachkommen kann, so bittet dieselbe um den noch fehlenden Betrag von der hiesigen Gemeinde zu erlangen." Zu Unterstützung der Bittstellerin wurde abschließend bemerkt: "Dieselbe war letztere Jahre in auswärtigen Gemeinden im Dienst, u. hat einen guten Leumund."

Bürgermeister Armbruster konnte jedoch die Unterstützung nicht alleine bewilligen, sondern musste das Einverständnis des Gemeindeausschusses einholen. Dessen Abstimmung ergab, dass sich "von den erschienenen 20 Bürgern alle 20 für die Bezahlung einer Unterstützung aus der Gemeindekasse und zwar von 25 Gulden" ausgesprochen hatten. Diese Summe entsprach damals etwa einem Zweimonatseinkommen eines Taglöhners. Als Dienstmagd mit Kost und Logis hätte die auswanderungswillige Stölker wohl mehr als ein halbes Jahr dafür arbeiten müssen.

Solche Zahlungen von Gemeinden und Staat waren in jener Zeit nicht ungewöhnlich. 1854 hatte die Gemeinde Einbach 100 Gulden für die Auswandererfamilie Becherer zwecks Überfahrt von Le Havre nach New York bewilligt. 1864 gewährte die Stadt Hausach der achtköpfigen Familie Seeholzer neben einem Staatsbeitrag von 300 Gulden weitere 100 Gulden zur Auswanderung nach Amerika.

Im Jahr 1866 bewilligte der Hausacher Bürgerausschuss 100 Gulden Auswanderungsgeld für Helene Scherzinger, die "der hiesigen Gemeinde lt. einer Rechnung vom Krankenspital in Konstanz schon bedeutende Kosten verursacht" habe. Und es sei zu erwarten, "dass von dieser unverbesserlichen Person der Gemeinde Hausach viele Kosten für die Zukunft erwachsen" würden. Daher "wäre es weit besser, die Helene Scherzinger nach Amerika zu befördern".

Die Absicht hinter der Zahlungsbereitschaft wird am letzten Fall deutlich. Man wollte eine sogenannte "Überbevölkerung" loswerden, die früher oder später als Ortsarme der Gemeinde- oder Staatskasse zur Last fallen würde. Parallel hierzu wurden im 18. und 19. Jahrhundert Verordnungen gegen den "Haus- und Straßenbettel" erlassen. Die damaligen Gemeinderechnungen sind voll von Zahlungen für sogenannte "Bettelfuhren", bei denen auswärtige Bettler nach "Eintürmung" wieder in die Nachbargemeinden zurück geführt oder Einheimische zurück geholt wurden. Da die Auswanderung mit dem Verlust des Bürgerrechts einherging, war diese letztlich eine Reise ohne Wiederkehr.

Nach und nach rissen die Kontakte zur alten Heimat ab. Zwei Weltkriege taten ihr übriges. Erst im 20. Jahrhundert kam es wieder zu Begegnungen. "Amerika-Hausacher feiern Wiedersehen", lautete eine Zeitungsmeldung vom August 1969 über eine Feier im Hause der Auswandererfamilie Schmider.