José F. A. Oliver fragt Tim Trzaskalik, wie lange er für die Übersetzung der umfangreichen Korrespondenz von Arthur Rimbaud gebraucht hat und hält dabei das mehr als tausend Seiten starke Werk in den Händen. Foto: Jehle Foto: Schwarzwälder Bote

Kultur: José F. A. Oliver und Tim Trzaskalik tauschen sich vor Publikum über ihre Werke aus

Poeten schaffen sich eigene Inseln von Zeit und Raum. Das ist aber nicht gleichbedeutend mit einem Leben im Elfenbeinturm, wie beim "Gespräch unter Dichtern" deutlich wurde.

Hausach. José F. A. Oliver und Tim Trzaskalik legten am vergangenen Donnerstag in der Buchhandlung Streit große Offenheit und Zugänglichkeit an den Tag. Die rezitierten Verse aus dem neuen Gedichtband "wundgewähr" von Oliver und dem Erstlingswerk "Versurren" von Trzaskalik setzen sich mit sehr menschlichen Themen wie Verlusterfahrungen und Weltzweifel auseinander.

"Was erwartet uns bei einem Gespräch unter Dichtern? Wir wissen es selber nicht, was auf uns zukommt", stimmte Oliver das Publikum auf einen Austausch aus dem Augenblick heraus ein.

Er habe zum Berliner Verlag Matthes und Seitz gewechselt, der bereits seine "Gedichte aus Istanbul" publizierte. Für ihn sei ein guter Lektor, der sich mit dem Werk auseinandersetze, ganz wesentlich.

Den Hausacher interessierte aus diesem Grund, wie Trzaskalik vom Dichter und Übersetzer zur Tätigkeit des Lektors kam und das alles in einem Verlag. "Das hat einen ganz prosaischen Grund – ich brauchte Geld und es gab nicht so viele Möglichkeiten in meinem Fall", lautete die freimütige Antwort. Der Verleger habe gesagt, statt kostspieligen Übersetzungen wie Arthur Rimbauds vollständige Korrespondenz solle er Sachen machen, die Geld bringen.

Das eigene Geschmacksurteil stehe beim Lektorat hinten an, doch bei Lyrik erlaubt sich Trzaskalik einen kritischeren Blick: "Ein Manuskript von José macht sehr viel Freude und ist eine intellektuelle Herausforderung".

Der vom Verlag als poetisches Tagebuch bezeichnete Gedichtband "Versurren" ist das erste veröffentlichte Werk Trzaskaliks. Wie es zu diesem späten Debüt gekommen sei, wollte Oliver wissen. "Zum einen bin ich einfach langsam und dann ist mir alles nicht klar genug gewesen", erklärte der Dichter. Sein Buch ist in vier Kapitel unterteilt, aus denen er einige Abschnitte vortrug.

Eindrücklicher "Versuch der Auseinandersetzung mit einem Film"

Zu den eindrücklichsten Passagen gehörte der, laut dem Autor, "Versuch einer Auseinandersetzung mit dem Film Sátántangó des ungarischen Regisseurs Béla Tarr". Die spröden Verse Trzaskaliks spiegeln die ungewöhnliche Filmsprache des rund siebenstündigen Meisterwerks, das verstörende menschliche Verhaltensweisen in Einsamkeit und Armut nach dem Machtverlust der Kommunisten offenlegt.

Ein Buch, das mehr Fragen stellt, als Antworten gibt, apostrophiert Oliver seinen Gedichtband "wundgewähr". "Die Gewähr der Wunde ist das, was im Leben sicher ist", stellte der Dichter seiner Rezitation voran. Das zyklisch komponierte Buch enthält Gedichte der vergangenen zehn Jahre mit einer Auswahl unveröffentlichter Werke.

Lyrik ist ein sprachliches Abenteuer, das sich oft dem schnellen Verstehen verweigert. Das weiß auch Oliver und trug fast alle seine Verse zwei Mal vor. Unter die Haut ging seine Hommage an die verstorbene Gisela Scherer, Lebensgefährtin Olivers und Leselenz-Mitbegründerin. Über den Lauf der Jahreszeiten hindurch richtete sich der Dichter in der Erinnerung an sie ein. Gemäß Rimbauds "Ich ist ein anderer" schloss die Lesung damit, dass die Poeten ein Gedicht des jeweils anderen vortrugen – zwei Mal.

José F. A. Oliver ist gebürtiger Hausacher. Sein Schaffen umfasst Gedichte, Kurzprosa und Essays zu kulturpolitischen Themen. Oliver wurde vielfach ausgezeichnet, wie unter anderem mit dem Thaddäus-Troll-Preis. Das Buch "wundgewähr" fasst die Werke der vergangenen zehn Jahre zusammen. Tim Trzaskalik lebt im Finistère in Frankreich und in Hessen. Seine Arbeit umfasst die Übersetzung französischer Literatur und Verlagslektorat. "Versurren" ist sein erster publizierter Gedichtband. Die Werke beider Dichter sind im Verlag Matthes & Seitz Berlin erschienen.