Gemeinschaftskunde-Lehrerin Sabine Kühn (von links), Muhterem Aras und die zwei Schülermoderatorinnen Fotos: Reinhard Foto: Schwarzwälder Bote

Bildung: Landtagspräsidentin besucht RGG / Fragen zu Arbeit sowie politisches Engagement Jugendlicher

Junge Menschen interessieren sich nicht für Politik? Dass dem nicht so ist, bewiesen die Schüler des RGG beim Besuch der Landtagspräsidentin Muhterem Aras. Diese löcherten sie mit Fragen zu ihrer Arbeit, zur Bildungspolitik und Rassismus.

Hausach. Aras ist seit 2016 Präsidentin des Baden-Württembergischen Landtags und sowohl die erste Frau als auch die erste Muslimin in diesem Amt. Bei ihrem Besuch am Robert-Gerwig-Gymnasium (RGG) kam dann auch immer wieder ihre Herkunft zur Sprache. Dass sie erst 1978 im Alter von zwölf Jahren nach Deutschland kam, berichtete Aras, als sie gebeten wurde, ihren Werdegang kurz zusammenzufassen. Der Vater war ein kurdischer Gastarbeiter. Aras machte erst den Hauptschulabschluss, dann Abitur und schließlich Wirtschaftswissenschaften, um anschließend ein Steuerberatungsbüro zu eröffnen. Schließlich stellten die Schüler ihre Fragen. Diese nahmen zuerst Bezug auf ihren Werdegang.

Warum haben Sie sich für Politik entschieden?  

Die Politik gebe Raum zum Gestalten, erklärte Aras. Bis zu den fremdenfeindlichen Übergriffen in den 90er-Jahren habe sie nicht an eine politische Karriere gedacht. Aus Angst vor Übergriffen habe sie in der Zeit ihr Verhalten geändert und sei abends kaum noch ausgegangen. "Nach zehn Tagen sagte ich mir, dass das nicht sein kann. Schließlich ist das auch meine Heimat. Aber für seine Heimat muss man auch Verantwortung übernehmen", erklärte Aras.

Können Sie angesichts Ihrer Herkunft in Ihrem Amt immer neutral bleiben?

Das stelle für sie kein Problem dar, meinte die Landtagspräsidentin. Vielmehr sei es bei einzelnen Abgeordneten eher umgekehrt: Diese würden ihre Herkunft als Grund sehen, sich nicht an die parlamentarischen Gepflogenheiten zu halten.

Was für Konsequenzen hatte der Rauswurf des AfD-Abgeordneten Stefan Räpple für ihn?

Für so einen Fall (siehe Infokasten) gebe es zum Glück Regelungen. "Ich habe den Abgeordneten nach massiver Störung gebeten, den Saal zu verlassen. Das hat er nicht. Wenn gutes Zureden nicht hilft, muss ich mich auf die Hausgewalt berufen und die Polizei holen. Das bedauere ich, aber wenn er freiwillig nicht geht, gibt es keine andere Möglichkeit. Ich habe nach der Geschäftsordnung des Landtags entschieden", erklärte Aras. Als Volksvertreter hätten die Abgeordneten Vorbildfunktion, "da ist es das Mindeste, dass wir uns an die Regeln halten, die wir uns selbst auferlegt haben", betonte die Landtagspräsidentin.

Was halten Sie von G 8 und G 9?

Die Umstellung von G 9 auf G 8 sei vielleicht etwas abrupt gewesen, aber es gebe Schulen, in denen es hervorragend funktioniere. "Ich bin der Meinung, wir sollten aufhören, in jeder Legislaturperiode das Rad neu erfinden zu wollen", meinte Aras. "Wir müssen vielmehr schauen, wie wir die Lehrer entlasten können."

Wie sollen wir zu kritischen Geistern erzogen werden, wenn man sich gegen Artikel 13 und Uploadfilter einsetzt, das dann aber doch beschlossen wird?

"Es wäre der falschen Schluss, wenn Sie sich jetzt zurückziehen. Im Gegenteil: Sie müssen sich jetzt noch mehr einsetzen", forderte Aras die Jugendlichen auf. "Sie haben keine Garantie dafür, dass die Entscheidungsträger Sie anhören. Aber es lohnt sich auf jeden Fall. Allein schon, dass darüber diskutiert wird, zeigt aber doch, dass etwas ankommt." In der Politik und in der Demokratie sei ein langer Atem nötig, um etwas zu erreichen.

Sind die von Ihnen erwähnten Abgeordneten, die ihre Anweisungen wegen Ihrer Herkunft nicht befolgen, alle Angehörige der AfD? Und haben Sie auch positive Erfahrungen mit AfD-Politikern gemacht?

Aras bestätigte, dass tatsächlich AfD-Abgeordnete ein Problem mit ihrer Herkunft hätten. Sie berichtete, dass ihre Wahl zur Landtagspräsidentin eine Abgeordnete mit "damit beginnt die Islamisierung Deutschlands" kommentiert habe. Es gebe zwar auch AfD-Politiker, die sich so wie alle anderen Abgeordneten verhielten, "aber die können sich nicht durchsetzen".

Wie stehen Sie zu der Aussage, dass die Demokratie auch mit so etwas umgehen muss?

Die AfD-Abgeordneten seien demokratisch gewählt und hätten das Recht, ihre Meinung zu äußern. "Es ist aber ein Problem, wenn einzelne Abgeordnete die demokratischen Institutionen nicht ernst nehmen", sagte die Landtagspräsidentin.

Sie sind in den sozialen Medien sehr aktiv. Sehen Sie die Gefahr dass populistische Politiker sie nutzen, um ungefilterte alternative Fakten zu verbreiten?

Jeder müsse lernen, Falschmeldungen von seriöser Berichterstattung zu unterscheiden, befand Aras. Sie bezeichnete Presse- und Meinungsfreiheit als Grundpfeiler der Demokratie. "Und wenn wir seriösen Journalismus wollen, müssen wir auch bereit sein, dafür etwas zu bezahlen", sagte sie.

Was halten Sie vom Wahlrecht ab 16 Jahren?

"Das finde ich gut", erklärte Aras. Studien belegten, dass, wer früh wählen dürfe, das dann auch sein Leben lang weiter regelmäßig tue. Außerdem: "Der Anteil älterer Wähler ist hoch. Sie bestimmen über Ihr Leben. Da ist es gut, wenn es da ein Gegengewicht gibt."

Bei einer von der AfD angestoßene Debatte über Abtreibungen und "linksideologische Einflüsse" in Kindergärten hatte Stefan Räpple "So sind sie, die roten Terroristen!" gerufen und damit die SPD gemeint. FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke sagte daraufhin, die "geistigen Vorläufer von Leuten wie Herrn Räpple" seien "im Stechschritt durch das Brandenburger Tor marschiert". Räpple bestand auf einen Ordnungsruf von Landtagspräsidentin gegen Rülke. Sie folgte dem nicht und forderte ihn zur Ruhe auf. Räpple rief weiter dazwischen und wurde des Saals verwiesen. Er weigerte sich jedoch zu gehen. Die Sitzung wurde unterbrochen. Erst nachdem drei Polizeibeamte auf Räpple einredeten, verließ der Abgeordnete den Saal.