Thomas Gebauer (links) ist Geschäftsführer von "medico international", Stephan Hebel als Redakteur der "Frankfurter Rundschau" moderierte die Lesung. Foto: Haberer Foto: Schwarzwälder Bote

Literatur: Neues Festivalformat: "PoLIT-Buch" / Thomas Gebauer liest aus "Wege aus der globalen Krise"

Bürgermeister Wolfgang Hermanns Bekenntnis zum Sachbuch hat den Leselenz zu dem im vergangenen Jahr initiierte Format "Im Fokus: PoLIT-Buch" inspiriert. Dabei werden aktuelle Bücher zu politischen Themen aufgegriffen.

Hausach. Thomas Gebauer, der Geschäftsführer von "medico international" gastierte am Sonntagnachmittag im Hausacher Rathaussaal.

Nothilfe und Solidarität mit den Ärmsten der Welt drücken nicht nur Empathie aus. Sie sichern nur allzu oft das nackte Überleben. Sind sie aber auch dazu geeignet, Profitgier und Ungerechtigkeit zu bekämpfen, die erbarmungslose Ausbeutung der dritten Welt? Gebauer zählt als Geschäftsführer von "medico international" zu den absoluten Kennern der Materie. Der Mitinitiator der internationalen Kampagne für das Verbot von Landminen bringt aber ganz nebenbei auch noch den Glanz des Friedensnobelpreises nach Hausach.

Gebauer und seine Organisation helfen, wo immer sie können: Sie gehen auch in Krisenregionen, schrecken nicht vor der persönlichen Gefahr zurück. Gemeinsam mit Ilija Trojanow, hat er nun aber auch das Buch "Hilfe? Hilfe! – Wege aus der globalen Krise" vorgelegt.

Die im Gespräch mit Moderator Stephan Hebel von der Frankfurter Rundschau skizzierte Erkenntnis ist dabei keineswegs neu: Wir spenden und leisten Nothilfe, wo immer Hunger und Elend grassieren. Unsere Hilfsbereitschaft ändert aber nichts an der strukturellen Ungerechtigkeit in der Welt.

Gebauer und Trojanow haben sich bei der Recherche für ihr Buch umgesehen und viele Beispiele dafür zusammengetragen, dass die Ungerechtigkeit auf der Welt eher zu- als abnimmt.

Alles dreht sich um Profit und den Hunger der Industrienationen nach billigen Rohstoffen und Wohlstand. Die ärmsten Länder der Welt werden nach wie vor gnadenlos ausgebeutet, der Mensch steht dabei oft nur im Wege. Gebauer zeigt auf, dass Hilfe oft nur die Zustände zementieren, so dass unter dem Strich oft mehr Geld zurückfließt, als für die Nothilfe und die Unterstützung der notleidenden Bevölkerung aufgebracht werden kann. Die Nothilfe ist längst auch ein Geschäftsmodell für profitgierige Akteure, für eine ganze Branche geworden.

Der Ausweg aus der Krise einer kannibalistischen Weltordnung beginnt nicht in der dritten Welt. Er muss in den Industrienationen und dem Köpfen der Menschen anfangen. "Wir müssen unser Verhalten und das System ändern", wie Gebauer und Trojanow am Ende des Buches aufzeigen. "Es gibt Hoffnung", wie sie betonen, aber nur wenn wir auf Hilfe zur Selbsthilfe setzen und eine grundsätzliche Veränderung der globalen Systeme.

Stephan Hebel ist deutscher Journalist, Redakteur, Leitartikler und Kommentator der Frankfurter Rundschau und seit 2011 Publizist zu sozialpolitischen Themen tätig. In diesem Jahr veröffentlichte er sein drittes Buch über Angela Merkels Kanzlerschaft. Hebel ist oft Gast in Presseclubs und ständiges Mitglied in der Jury für das Unwort des Jahres.