Todesbenachrichtigung aus Grafeneck Repro: Stadtarchiv Foto: Schwarzwälder Bote

Historie: Befreiung des Konzentrationslagers jährt sich zum 75. Mal / Täter und Opfer auch aus dem Kinzigtal

Zum 75. Mal hat sich kürzlich die Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz gejährt. Viele Gedenkveranstaltungen fanden statt, der baden-württembergische Landtag gedachte in der Gedenkstätte Grafeneck der Opfer des Nationalsozialismus.

Hausach. Was hat das mit Hausach zu tun? Auf den ersten Blick wenig, hatte doch in Hausach die (katholische) Zentrumspartei bei den nicht mehr freien Reichstagwahlen vom 5. März 1933 noch deutlich vor der Nazi-Partei NSDAP gelegen. Und doch gibt es Spuren, die nach Auschwitz weisen.

Der Hausacher M. A. war 1933 in die NSDAP eingetreten. 1940 erfolgte die Einberufung zur SS-Totenkopf-Standarte nach Ostpreußen, wo er nach der Ausbildung im KZ Auschwitz eingesetzt wurde. Der Einsatz bestand in der "Gefangeneneigentumsverwaltung", was nichts anderes bedeutete, als den Deportierten ihre letzte Habe abzunehmen. Das heißt auch, er stand bei Transportankünften in Auschwitz immer auf der Rampe. Im Juli 1945 wurde M. A. durch die französische Besatzungsmacht festgenommen und dem Tribunal général in Rastatt überstellt. Das Urteil 1948 lautete auf zwölf Jahre Gefängnis. 1951 wurde ihm die Reststrafe von fünf Jahren "gnadenweise" erlassen.

Ortsbürgermeister verhindert Transporte

Eine weitere Spur aus Hausach weist ebenfalls nach Auschwitz, allerdings nur indirekt. Es handelt sich um den gebürtigen Hausacher E. D. Dieser kam 1937 in die Kreispflegeanstalt Fußbach. Im August 1940 erfolgte eine Todesnachricht aus Grafeneck. Was war geschehen? Grafeneck, ehemaliges Samariterstift im württembergischen Gomadingen, war 1939/40 in eine Tötungsanstalt (siehe Infokasten) umgebaut worden.

Außer dem Hausacher E. D. fielen auch mindestens fünf Patienten aus Schiltach und Lehengericht sowie einer aus Schenkenzell der Mordaktion zum Opfer. Diese hatten die "Euthanasie"-Transportkommandos in Fußbach abgeholt. Von den Abgeholten hörte man nichts mehr, jedoch kamen alsbald Todesbenachrichtigungen, deren medizinische Befunde misstrauisch machten. Angesichts dieser ging man dazu über, Patienten als geheilt zu entlassen und Angehörigen von der weiteren Unterbringung abzuraten. Zugleich gab es den Versuch, erneute Transporte zu verhindern. Einen dieser Versuche unternahm der Ortsbürgermeister und ehemalige Leiter der Kreispflegeanstalt Fußbach, der, wie bezeugt wurde, "beim Erscheinen des zweiten Transports mit fünf Wagen seine Kreisbauernführer-SS-Uniform anlegte und in einer lagen und stürmischen Auseinandersetzung mit dem Transportleiter so wenig nachgab, dass dieser schließlich nur 30 statt 90 Pfleglinge erhielt".

Die Tötungen in den "Euthanasie"-Anstalten ließen sich letztlich nicht verheimlichen und nach öffentlichen Protesten wurde die Aktion im Sommer 1941 nach außen hin eingestellt.

Das in den Tötungsanstalten freigewordene Personal fand eine andere Verwendung im Osten. Einer der Wege nach Auschwitz führte auch über die Tötungsanstalt Grafeneck.

Es kann keinen Schlussstrich geben

Eine weitere indirekte Spur nach Auschwitz führt über das KZ Dachau. Dort war von 1942 bis 1945 der spätere Pfarrer und Dekan in Hausach Franz Weinmann inhaftiert. Laut seinen Lebenserinnerungen "Seelsorgebriefe aus der Verbannung" auch, weil er sich gegen die Euthanasie gewandt hatte. Das KZ Dachau war das erste ununterbrochen betriebene KZ und zugleich "Modell-KZ". Ohne Dachau hätte es Auschwitz nicht gegeben, nicht als Ort der Opfer und Täter.

Aus Hausach kamen sowohl Täter als auch Opfer: Vergangenheit, die nie vergeht. Unter die es keinen Schlussstrich geben kann, die nicht bewältigt werden kann. Aus einem einzigen Grund: "Nie wieder!"

Unter dem beschönigenden Begriff "Euthanasie" wurde die "Ausmerzung lebensunwerten Lebens" betrieben, was die systematische Ermordung von mehr als 70 000 körperlich oder geistig behinderten Menschen reichsweit bedeutete. Allein in Grafeneck wurden zwischen Januar und Dezember 1940 mehr als 10 500 Menschen umgebracht. Die Opfer stammen vor allem aus Pflegeheimen und Krankenanstalten im süddeutschen Raum, so auch aus der Kreispflegeanstalt Fußbach.