Rund 150 Demonstranten hatten sich vor dem Ordinariat eingefunden. Foto: Reinhard

Kirche: 150 Kinzigtäler Katholiken demonstrieren vor Freiburger Ordinariat für Pfarrer

Mittleres Kinzigtal/Freiburg - Bei einer Demonstration haben Kinzigtäler Katholiken 1800 Unterschriften an das Erzbistum übergeben. Sie alle wehren sich gegen die Abbeorderung von Christoph Nobs und das damit verbundene Verhalten der Erzdiözese.

Der Weg vom Karlsplatz bis zum Erzbischöflichen Ordinariat ist nicht weit. Nur 200, 300 Meter müssen die Demonstranten aus dem Kinzigtal vom Karlsplatz bis zur Ecke Schöferstraße/Herrenstraße laufen. Die Organisatoren der Protestaktion hatten diese kurze Strecke bewusst gewählt, schließlich war ihnen klar gewesen, dass viele Teilnehmer Senioren sein würden. Doch der Zug, der sich durch die Straße wälzt, ist bunt gemischt. Es sind tatsächlich einige Senioren dabei – doch viele Demonstranten sind Kinder, Jugendliche und Menschen mittleren Alters. Die Wut auf die Entscheidung des Ordinariats und die Art und Weise, wie sie getroffen wurde, geht über Generationen. "Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns den Pfarrer klaut", "Wer fragt uns?" und "Wir wollen unseren Christoph Nobs behalten" ist auf den Schildern und Transparenten zu lesen.

Anfang Juli war bekannt geworden, dass der in der Seelsorgeeinheit beliebte Geistliche das Kinzigtal verlassen muss – auf Anweisung des Erzbischöflichen Ordinariats. Es hatte Nobs Probezeit für beendet erklärt und den Pfarrer abbeordert. Die Begründung der Entscheidung bleibt bis heute schwammig. Es berief sich auf "Erfahrungen in den vergangenen drei Jahren" und einen "Gesamteindruck". Viele sind der Meinung, dass der Pfarrer der katholischen Kirche zu fortschrittlich, zu kritisch gewesen war, hatte Nobs doch nie einen Hehl aus seinen modernen Ansichten gemacht. Er kritisierte Machtmissbrauch und propagierte eine Kirche, die niemanden ausgrenzt – auch Homosexuelle nicht.

Er selbst erfuhr Mitte Juni von der Entscheidung des Ordinariats, genau wie der Pfarrgemeinderat. Auch sie wurden vor vollendete Tatsachen gestellt. Und deswegen geht es den Katholiken der Seelsorgeeinheit mittlerweile um mehr als "nur" ihren Pfarrer. Aus diesem Grund ist auch Gemeindereferentin Katharina Gerth unter den Demonstrierenden anzutreffen.

Begründung bleibt bis heute schwammig

"Ich protestiere nicht gegen meinen Arbeitgeber, sondern gegen den Umgang mit den Ehrenamtlichen", stellt sie klar. "Ich sehe es als meine Aufgabe an, bei meinen Leuten zu sein." "Ihre Leute" fühlten sich entmündigt, bevormundet und auch offene Zweifel an dem System Kirche an sich wurden laut. Mit Protest- und Unterschriftenaktionen fingen die Gläubigen an, sich zu wehren. "Das Betriebssystem Kirche braucht ein Update", "viele bauen auf, wenige schmeißen um", "Moderne Kirche?" haben die Demonstranten ebenfalls auf ihre Schilder geschrieben. Die Personalentscheidung hat ein Erdbeben ausgelöst, das in fast 60 Kirchenaustritten und schließlich in der Demonstration in Freiburg gipfelte. Der Protest wird nach außen getragen. So sind vom Epizentrum in Hausach die Auswirkungen mittlerweile auch überregional bekannt. Ein Fernsehsender hat berichtet und auch ein Boulevard-Blatt hat das Thema aufgegriffen. Dementsprechend viele Reporter und Kameras tummeln sich neben den rund 150 Demonstranten auf der Straße, die mit Liedern und Sprechchören ihrem Ärger Luft machen, bevor Pfarrgemeinderatsvorsitzende Monika Tschersich zum Mikrofon greift. Sie will die Liste der Unterschriften an Bernhard Eiermann vom Erzbistum übergeben. 1.800 sind als Protest gegen das Handeln der Kirchenleitung der Erzdiözese zusammengekommen, gibt Tschersich bekannt.

"Wie schön wäre es gewesen, wenn wir Christoph Nobs hätten behalten können. Er ist ein Pfarrer, wie es sie nur selten gibt", lobt Tschersich und "damit Sie wissen, was Sie verlieren", werde der Unterschriftenliste ein Steckbrief Nobs beigelegt, den die Pfarrgemeinderatsvorsitzende auch gleich vorliest. "Er ist einer, der Kinder, Jugendliche, Erwachsene, Senioren, Kirchennahe und Kirchenferne anspricht – und einige wenige eben nicht", meint sie. "Und so jemanden schicken Sie weg? Bedenken Sie diese Entscheidung!"

Vermittlungsversuch schlägt fehl

Eiermann wippt fast unmerklich nach vorn und hinten, die Daumen aneinander gepresst und gibt sich Mühe, interessiert zuzuhören. Man merkt, dass er sich unwohl fühlt. "Es ist ein starkes, überwältigendes Zeichen, dass Sie sich so für Ihren Pfarrer einsetzen, versucht er die Wogen ein wenig zu glätten. "Wir nehmen die Unterschriften gerne entgegen und sind auch bereit, in den Pfarrgemeinderat zu kommen, um die Personalentscheidung in einem offenen Rahmen zu besprechen." Doch der Vermittlungsversuch schlägt fehl. "Zu spät", "Vorher!", rufen die Demonstranten und auch Tschersich macht klar: "Die Zeit zum Verhandeln ist vorbei. Wir wollen, dass die Entscheidung zurückgenommen wird. Es geht uns nicht ums Aufmucken, sondern darum, den Schaden an der Kirche zu reparieren."

Ob dieser noch beheben ist, wird sich zeigen. Michael Hertl, Leiter der Stabsstelle Kommunikation und Medien der Erzdiözese, lobt im Anschluss zwar das Engagement der Gläubigen, lässt aber durchblicken, dass an der Personalentscheidung wohl nichts mehr zu ändern ist. Das ist auch den Protestierenden bewusst. Doch die Hoffnung wollen sie nicht aufgeben: "Der Glaube stirbt zuletzt", meint Siegfried Eckert, der in seiner Funktion als "privater Katholik und Gutachs Bürgermeister" unter den Demonstranten ist. Tschersich ist jedenfalls zufrieden mit der Demo. "Es waren viele unterschiedliche Menschen dabei, die alle das gleiche Ziel hatten", sagt sie. "Das ist Kirche."

Die Protestierenden sammeln Kontakte zu Interessierten. Sie wollen über verschiedene Plattformen viele Menschen vernetzen. Hiefür wurde eigens die E-Mail-Adresse kirche-sind-wir-alle@t-online.de eingerichtet. Über diese kann man sich für einen Verteiler anmelden.