"Das Schöne an einem Kammerchor ist, dass er individueller reagieren kann und beweglicher ist als ein großer Chor", meint Leiter Reinhardt Bäder. Foto: Kammerchor Foto: Schwarzwälder Bote

Musik: Kammerchor Offenburg führt "Requiem" auf / Werk hat eine spannende Geschichte

Hausach. Der Kammerchor Offenburg unter der Leitung von Reinhardt Bäder führt morgen, Samstag, 23. November, um 20 Uhr in der Stadtkirche Hausach Mozarts "Requiem" auf. Mit dem Schwarzwälder Boten sprach Bäder darüber, warum es im doppelten Sinne ein Requiem ist.

Warum haben Sie sich entschieden, gerade Mozarts "Requiem" aufzuführen?

Der Offenburger Chor ist ein Kammerchor. Das heißt, dass wir keine riesengroßen Werke aufführen können. Mozarts "Requiem" hat auch eine Orchesterbesetzung, die reich an Klangfarben ist, aber es ist trotzdem mit einem Kammerchor aufführbar.

Es hat also einen organisatorischen Hintergrund.

Eher einen Klang-Balance-Hintergrund. Wir haben viele ausgebildete Sänger im Chor, die auch Gesangsunterricht gehabt haben. Trotzdem ist es so, dass 40 Sänger nur ein gewisses Klangvolumen aufbringen können. Für diese Besetzung reicht das, aber nicht für andere Werke, die größer instrumentiert sind. Wir sind und bleiben ein Kammerchor. Aber das Schöne an einem solchen ist, dass er individueller reagieren kann und beweglicher ist als ein großer Chor. Und Mozart hat das "Reqiuem" kurz vor seinem Tod geschrieben, beziehungsweise gar nicht fertig gestellt. Es ist der "ausgewachsene" Mozart, der auf dem Höhepunkt seiner Schaffenskraft war.

Und das war es, was Sie an dem Werk gereizt hat?

Ja, das ist einfach eine Herausforderung. Und es ist auch ein wichtiger Punkt, dass viele Teile mit einem Chor besetzt sind. Die Solisten sind hauptsächlich als Quartett tätig. Der Chor selbst ist die Hauptperson. Das ist wichtig für den Kammerchor, dass er gefordert ist und nicht nur ein paar Choräle singen darf, während den Rest die Solisten übernehmen.

Mozart starb, als er etwa zwei Drittel der Komposition fertig gestellt hatte. Joseph Ebler und Franz Xaver Süßmayr beendeten sie.

Das war eine spannende Geschichte. Ein Graf hatte für seine verstorbene Frau ein Requiem bestellt, das dann unter seinem Namen als Komponist aufgeführt werden sollte. Das Komponieren hatte Mozart übernommen und eine großzügige Anzahlung erhalten. Die andere Hälfte hätte er bei der Fertigstellung bekommen. Aber Mozart ist vorher gestorben und seine Frau Constanze musste nun schauen, wie sie an den Rest des Geldes kommt. Deswegen hatte sie erst versucht, Joseph Eybler für die Vollendung zu gewinnen, der aber nach kurzer Tätigkeit aufgegeben hatte. Mehrere andere wurden gefragt und schließlich war es Franz Xaver Süßmayr, der sich bereit erklärte, das Werk zu vollenden.

Aber Süßmayr ist kein Mozart. Merkt man das denn?

Da haben Sie Recht, Süßmayr ist kein Mozart, das sieht man auch bei seinen anderen Kompositionen. Die Vermutung ist da, dass er Notizzettel von Mozart verwendet hat. Mozart hatte viel Notenpapier herumliegen, auf das er seine Ideen aufschrieb. Es ist anzunehmen, dass die eine oder andere Notiz für das "Requiem" noch da war.

Kommen Experten auf diese Idee, weil Süßmayr einfach zu gut war für Süßmayr?

Ja. Entweder er hat diese Mozartsche Anleitung gehabt oder er hat bewusst etwas sehr Kluges gemacht, nämlich die Mozartschen Melodien in anderem Gewand wiederverwendet. Der Melodieverlauf des "Recordare" entspricht zum Beispiel der "Osanna"-Fuge und der Fuge am Ende des Offertoriums. Alle drei haben die gleiche Intervallfolge, aber das erkennt man nicht beim ersten Hören, da die Rhythmen und der Charakter sich stark unterscheiden. Vielleicht hatte Süßmayr keine Muße, sich etwas Neues auszudenken und hat einfach verwendet, was da war. Aber damit hat er etwas Großartiges gemacht, wenn es denn so war. Er hat Mozarts Melodie genommen und sie in ein anderes Gewand gepackt.

Um die Entstehung des "Requiem" ranken sich einige Legenden und Geschichten, die vor allem mit dem Bild zu tun haben, dass Mozart das Werk im Angesicht und im Wissen seines baldigen Todes verfasste. Ist das plausibel?

Es gibt einen Bericht darüber, wie er mit sich mit seinen Freunden getroffen hatte, um die ersten acht fertiggestellten Takte des Lacrimosa durchzusingen. Es selber hatte dabei den Alt übernommen. Danach legte er "heftig weinend" die Partitur zur Seite. Deswegen ist diese Stelle im Requiem eine besondere. Nach diesen acht Takten hört die Mozartsche Komposition auf.

Sie halten es also für plausibel, dass Mozart wusste, dass er bald sterben wird und dass das sein letztes Werk wird?

Er war geschwächt, ja. Ob er das gewusst hat? Vielleicht geahnt.

Warum ist das Requiem ein hörenswertes Werk?

Es ist zum einen wunderbare Musik, die der gereifteste Mozart geschaffen hat. Es ist sehr interessant instrumentiert. Mit zwei Fagotten und zwei Bassetthörnern entsteht ein weicher und dunkler Klang. Auf die hohen Holzbläser, die Flöten und Oboen, verzichtet Mozart. Außerdem sind drei Posaunen dabei, die den Chor begleiten. Das Requiem hat schon vom Klang her eine tolle Wirkung. Zweitens wird ja nicht nur das Requiem, sondern auch die Bachkantate 140 "Wachet auf, ruft uns die Stimmen" aufgeführt. Theologisch ist das wunderbar für dieses Wochenende geeignet. Die Kantate thematisiert das Gleichnis der zwölf Jungfrauen und weist auf das Paradies hin. Das ist ein Ausblick auf das Kommen des Heilands, also die Christgeburt. Das Requiem thematisiert den Totensonntag. Dieser Sonntag hat ja drei verschiedene Namen: Ewigkeitssonntag, Totensonntag und Christkönigssonntag. Um diese theologischen Aspekte dieses letzten Sonntags des Kirchenjahres kreisen die Werke. Die Bachkantate ist ein so freudiges und beschwingtes Werk. Und dann die Hinwendung auf das Sterbliche durch das Requiem. Das ist eine tolle Ergänzung.

 Die Fragen stellte Charlotte Reinhard.

Karten gibt im Hausacher Kultur- und Touristbüro. Sie kosten 20 Euro, ermäßigt 15 Euro. Schüler und Studenten zahlen fünf Euro.