Sandra Boser beim Hofbesuch in Mühlenbach mit Bürgermeisterin Helga Wössner bei der Stallgemeinschaft im Büchern der Familien Uhl und HansmannArchivfoto: Beule Foto: Schwarzwälder Bote

Klimawandel im Kinzigtal: Grünen-Abgeordneter fehlt das Verständnis für Ablehnung von Windenergie

Mittleres Kinzigtal. Der Klimawandel hat der Natur im Kinzigtal zugesetzt. Auch in den Köpfen der Menschen hat ein Wandel stattgefunden, sie gehen mit dem Thema mittlerweile anders um. Das sieht auch die Landtagsabgeordnete der Grünen, Sandra Boser, so.

Frau Boser, Sie sind seit 2011 Grünen-Landtagsabgeordnete. Inwieweit hat das Thema Klimawandel in der Zeit an Bedeutung gewonnen?

Am Anfang war er in der Breite der Bevölkerung tatsächlich kaum ein Thema. Wir hatten damals zwar Fukushima, aber das hatte ja nicht etwas mit dem Klimawandel zu tun. Durch Fukushima ist aber die Energiewende in den Vordergrund getreten. Klimawandel an sich hatte zu der Zeit jedoch keine große Bedeutung. Man hatte mal einen heißen Sommer, ja, aber für viele war es nicht bewusst, dass das mit dem Klimawandel zu tun hat. Obwohl die Wissenschaftler schon seit langem auf die Folgen des Klimawandels hingewiesen haben.

Ab wann hatten Sie den Eindruck, dass der Klimawandel in den Fokus des Interesses rückt?

Ich denke, daran hat tatsächlich auch die Bewegung "Fridays for Future" ihren Anteil gehabt. Dadurch kam das Thema noch stärker an die Öffentlichkeit. Außerdem spüren auch immer mehr Menschen vor Ort die Auswirkungen des Klimawandels – in der Landwirtschaft, in der Forstwirtschaft, im Weinbau und so weiter.

Ist der Klimawandel er in der Wahrnehmung der Bevölkerung noch ein typisches "Grünen-Thema"? In einigen Gemeinderäten äußern sich auch Räte, die zu einer anderen Partei gehören, sehr "grün".

Insgesamt gesehen ist Klima- und Umweltschutz ein urgrünes Thema und die Bürger haben zu Recht die Erwartung, dass wir das vorantreiben. Als Grüner hat man den Anspruch, dass das Thema bei allen Aspekten mitdiskutiert wird. Das sehe ich bei anderen Parteien nicht immer so. Da wird doch noch stärker abgewogen zwischen Ökonomie und Ökologie – das seht bei uns schon lange nicht mehr im Widerspruch. Aber wie Sie sagen: Das Thema ist zum Glück in der Breite in den Parteien angekommen. Wenn das nicht so wäre, wäre es weitaus schwieriger, in der Hinsicht voranzukommen.

Als Landtagsabgeordnete sind Sie viel unterwegs, auch im Kinzigtal, wo Sie ja wohnen. Wer spricht Sie dort am häufigsten auf den Klimawandel an und warum?

Zunächst die, die schon direkt davon betroffen sind. Landwirte zum Beispiel, die das Problem haben, dass das Futter für die Tiere knapp wird. Man kann hier nicht mehr wie früher mit drei Grasschnitten rechnen, sondern oft nur noch mit zwei. Futter dazuzukaufen wird auch immer schwieriger, weil der Markt das nicht hergibt. Bisher konnte man im Kinzigtal nämlich immer davon ausgehen, dass das Futter für die Tiere selbst eingebracht werden kann. Auch die Holz- und Forstwirtschaft ist betroffen.

Der Wald leidet schon seit Jahren unter den Folgen des Klimawandels, vor allem in diesem Jahr. Aber auch bei Schülergesprächen sprechen mich die Jugendlichen seit Jahren auf den Klimawandel an. Es ist also nicht erst seit "Fridays for Future" ein Thema, das die jungen Menschen umtreibt. Die Bewegung gab ihnen aber die Möglichkeit, das noch einmal zu formulieren.

Das Thema Windkraft als regenerative Energiequelle spaltet die Bevölkerung im Kinzigtal. Gerade werden auf dem Hohenlochen neue Windräder gebaut. Inwiefern können Sie die Bedenken der Gegner verstehen?

Bedenken nehme ich immer auf und versuche einen Austausch herzustellen. Aber wofür ich wirklich kein Verständnis mehr habe, ist diese generelle Ablehnung von Windkraft. Wenn der Klimawandel alle interessiert, dann muss man auch akzeptieren, dass es eine Energiewende braucht, um ihm entgegenzuwirken. Natürlich bedeutet der Bau eines Windrads auch einen Eingriff in die Natur, aber diese sind nach wenigen Jahren nicht mehr zu sehen. Manche sagen, dass es ja reicht, wenn Windräder an der Ostsee stehen oder wir Fotovoltaik-Energie aus der Sahara bekommen. Aber dann sind wir auf diese Lieferung angewiesen. Windkraft macht uns autark.

Was ist mit anderen regenerativen Energiequellen? Gerade im Kinzigtal gibt es nach der Meinung vieler doch genug Wasser, um Wasserkraftwerke zu betreiben.

Da wurde in den vergangenen Jahren an vielen Stellen überprüft, was möglich ist. Es gab auch private Betreiber, die das gerne ausgebaut hätten. Zum Teil hat man alte Anlagen erneuert und damit Strom produziert. Aber unsere Kinzig – und das hat auch etwas damit zu tun, dass unsere Flüsse immer weniger Wasser führen – hat diese Kapazitäten nicht mehr. Die Untersuchungen des Regierungspräsidiums ergaben, dass der Flusslauf es momentan nicht verkraften würde, wenn dort vermehrt Wasserkraft eingesetzt werden würde. Bei den Windrädern wird immer gefordert, dass sie wirtschaftlich sind. Das muss auch bei der Wasserkraft garantiert sein. Außerdem bedeutet auch Wasserkraft einen Eingriff in die Natur.

Tun die Gemeinden Ihrer Meinung nach genug gegen den Klimawandel und dessen Folgen?

Ich glaube, da sind die Gemeinden so unterschiedlich wie die Bürger. Wir haben Gemeinden, die klimaschutzmäßig sehr weit sind. Was die Mobilität als Teil des Klimaschutzes betrifft, also Alternativen zum Auto anzubieten, haben wir in der Ortenau noch absolut Potenzial und wir sollten mehr ÖPNV anbieten. Es gibt auch Beschränkungen innerhalb einiger Gemeinden, die meiner Meinung nach nicht mehr zeitgemäß sind. Fotovoltaik ist für Privatbesitzer teilweise nicht erlaubt, was meistens mit städtebaulichen Verordnungen in Zusammenhang steht. Es existieren mittlerweile aber Anlagen, die so integriert werden können, dass sie keine großen Auswirkungen auf die Stadtgestaltung haben. Wenn man so etwas auf einem historischen Bauernhof installieren kann, kann man das auch innerhalb einer Stadt.

Ansonsten muss ich sagen, dass unsere Gemeinden an vielen Stellen Gutes tun und innovative Ideen voranbringen, aber es gibt natürlich Möglichkeiten, mehr zu machen. Beispielsweise im Bereich Wärmeplanung, nachhaltige Beschaffung, öffentlicher Nahverkehr oder Energiewende. Fragen: Charlotte Reinhard

Sandra Boser sitzt seit 2011 sitzt sie im Landtag von Baden-Württemberg. Sie ist dort stellvertretende Fraktionsvorsitzende und bildungspolitische Sprecherin der Grünen.