Vollmacht: Patientenverfügung soll ausdrücken, was Betroffene selbst nicht mehr äußern können / Oft überbewertet

"Wenn ich einen Vortrag über die Patientenverfügung  halte und 60 Plätze habe, kann ich mit doppelt so vielen Anmeldungen rechnen", berichtet Klaus Allgaier vom Pflegestützpunkt Ortenaukreis. Doch die Patientenverfügung wird oft überbewertet.

Haslach. In der Außenstelle Haslach bietet er neben Info-Veranstaltungen auch persönliche und unabhängige Beratungen zur Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht an. Träger der Pflegestützpunkte ist der Ortenaukreis. .

Aus seinem Arbeitsalltag weiß er: "Das Interesse daran ist ungebrochen groß." Schließlich ist das Alter mit all seinen Begleiterscheinungen eine Herausforderung, die alle Menschen betrifft. Unsere Zeitung gibt die wichtigsten Tipps zum Thema Patientenverfügung:

 Weitblick wahren: Wie Allgaier erklärt, ist es mit einer Patientenverfügung alleine oftmals nicht getan. Sie sei zwar wichtig, aber auch die rechtliche Vorsorge sei ein wichtiger Punkt, wenn es um die Vorbereitung aufs Alter geht: Wer hat Zugriff aufs Konto, wenn man selbst nicht mehr entscheiden kann? Wer darf Häuser und Grundstücke verwalten? Wer vertritt einen Betroffenen vor Behörden oder vor dem Vermieter? Hat er einen Betreuer? Eine Patientenverfügung bezieht sich ausschließlich auf den Bereich Gesundheit und Pflege am Lebensende.

  In der Praxis: Falls ein Volljähriger (ab 18 Jahren) seine rechtlichen Angelegenheiten nicht mehr regeln kann und keine Vollmacht vorliegt, bestimmt das Gericht einen Betreuer. Dieser vertritt dann je nachdem den Menschen in allen Belangen (von Geldgeschäften bis hin zu gesundheitlichen Belangen). Aber: Selbst wenn das Gericht einen Angehörigen zum Betreuer bestimmt – was nicht unbedingt sein muss – steht dieser unter Aufsicht. Alle ein bis zwei Jahre muss er  beispielsweise anhand von Kontoauszügen nachweisen, dass man mit dem Geld des Betroffenen verantwortungsvoll haushaltet. Bei einem fremden Betreuer sind die Angehörigen außen vor.

  Richter entscheidet: Ein Gericht kommt auch dann ins Spiel, wenn keine Patientenverfügung und keine Vorsorgevollmacht vorhanden sind und Betroffene ihren Willen im Krankenhaus nicht mehr äußern können.  Dann entscheidet ein Richter am Amtsgericht, wie in dieser Situation weiter verfahren wird. Der Richter versucht gemeinsam mit dem Arzt den "mutmaßlichen Willen" des Betroffenen herauszufinden. Dazu  befragt er ggf. Angehörige von dem Betroffenen., doch letztlich entscheiden nicht sie, sondern der Richter. Deshalb rät Allgaier, nicht nur an die Patientenverfügung zu denken, sondern auch an die Vorsorgevollmacht- oder Betreuungsverfügung.

  Aktuell bleiben: "Eine Patientenverfügung von 1986 wäre heute wohl nicht mehr gültig", stellt Allgaier klar. Sie  soll den aktuellen Willen des Betroffenen widerspiegeln. Daher müsse das Schriftstück aufgesetzt werden, solange man geistig und körperlich dazu fähig ist. Die Patientenverfügung darf danach jedoch nicht in der Schublade verschwinden. Allgaier: Alle zwei bis drei Jahre die Verfügung nochmals lesen, gegebenenfalls ändern und auf jeden Fall mit Datum erneut unterschreiben. Eine mehrfach unterschriebene Patientenverfügung ist wasserdicht und kaum anfechtbar. In der Praxis hat das weitreichende Konsequenzen: Was Betroffene festgelegt haben, müssen Ärzte umsetzen, selbst wenn dies nicht dem Willen der Angehörigen entspricht.

 Konkret formulieren: Wie Allgaier erklärt, sollten Patientenverfügungen so konkret und detailliert wie möglich abgefasst werden. Einfach nur zu schreiben, man wolle "keine lebensverlängernden Maßnahmen" sei definitiv "zu schwammig ausgedrückt". Zuerst sollten detailliert Krankheitssituationen beschrieben werden, in denen die Patientenverfügung einmal gelten soll. Dann folgen die Festlegungen zu Einleitung, Umfang oder Beendigung bestimmter ärztlicher Maßnahmen. Darin sind wenn möglich klare Aussagen zu den folgenden Bereichen zu treffen: lebenserhaltende Maßnahmen, Schmerz- und Symptombehandlung, Künstliche Ernährung und Flüssigkeitszufuhr, Wiederbelebung, Künstliche Beatmung, Dialyse, Antibiotika, Ort der Behandlung und Beistand, Organspende, bevollmächtigte Person. Auch wenn es sich ungewöhnlich direkt anhört, erfüllen solche Formulierungen genau den Zweck, zu dem eine Patientenverfügung gedacht ist: Sie erklären detailliert den Willen eines Betroffenen, wenn er diesen selbst nicht mehr zu äußern in der Lage ist.   Weitere Infos: "Jeder kann eine Patientenverfügung schreiben. Man muss sich aber einarbeiten", weiß Allgaier. Vorformulierte Textbausteine gibt es etwa auf der Internetseite des Bundesministeriums der Justiz und Verbraucherschutz. Eine ergiebige Anlaufstelle ist auch das Staatsministerium der Bayerischen Justiz. Auf der Internetseite steht das Buch "Vorsorge für Unfall, Krankheit und Alter" kostenlos  zum Herunterladen. Darin geht es nicht nur um die Patientenverfügung, sondern zusätzlich um Betreuungsverfügungen und das Erteilen von Vollmachten für Vertrauenspersonen. Enthalten sind auch Musterformulare und Vordrucke.

  Beratungsangebote: Eine Beratung zur Patientenverfügung bietet etwa der Hausarzt an. Diese gibt es aber meistens nicht umsonst. Betroffene sollten sich deshalb vorher erkundigen, wie hoch die Gebühr ausfallen wird. Eine kostenfreie Beratung im Bereich der rechtlichen Vorsorge bieten etwa die Experten vom Pflegestützpunkt Ortenau an, so auch Klaus Allgaier. Eine Rechtsberatung wie beim Notar oder Anwalt wird dort nicht geboten, aber die Experten können mitgebrachte, bereits ausformulierte Formulare oder Patientenverfügungen etwa gegenlesen und gegebenenfalls Korrekturen vorschlagen.

 Kontakt: Mehr Informationen und Ansprechpartner zum Thema Patientenverfügung gibt es unter www.pflegestuetzpunkt-ortenaukreis.de. Kostenfreie und neutrale Beratung gibt es in jeder Außenstelle des Pflegestützpunkts nach telefonischer Anmeldung: Achern-Renchtal: 07841 / 6 42 12 67, Kehl: 07851 / 8 86 65 58, Kinzigtal: 07832 / 99 95 52 20, Lahr: 07821 / 9 10 50 17, Offenburg: 0781 / 82 25 93.