Richteten den interreligiösen Dialog aus (von links): Pfarrer Hans-Michael Uhl, Pfarrer Christian Maier, Pfarrerin Ursula August, Gemeinde-Vorstand Nurullah Durmus, Imam Orhan Yilmaz und Pfarrer Helmut Steidel. Foto: Dorn

Ursula August berichtet über ihre Erfahrungen als Pfarrerin in Istanbul

Haslach. Ursula August hat am Volkstrauertag über ihre sieben Amtsjahre als Pfarrerin der "evangelischen Kirche deutscher Sprache" in Istanbul berichtet. Die Veranstaltung fand im Rahmen der interreligiösen Dialogreihe statt. Eingeladen hatten die Pfarrer Helmut Steidel und Christian Meyer für die beiden christlichen Kirchen und Nurullah Durmus als Vorsitzender der türkischen Moschee in Haslach. Durmus wurde begleitet von Orhan Yilmaz, dem neuen Imam der Moschee.

Hans-Michael Uhl hatte den Kontakt zu Pfarrerin August hergestellt und den Gesprächsabend basierend auf seinen eigenen Erfahrungen in Istanbul (als Tourist) und Rom (als Stadtpfarrer) vorbereitet. Bilder aus der Hagia Sophia stimmten auf den Abend ein.

"Hoş geldiniz!": Mit einem mehrsprachigen Willkommen begrüßte Pfarrerin August die Anwesenden und schilderte mit Beispielen aus dem Istanbuler Alltag, wie gut die "evangelische Kirche deutscher Sprache" und ihre Pfarrerin in dem Stadtviertel Beyoglu vernetzt und von den muslimischen Nachbarn respektiert wird.

Vom Umfeld im Viertel wertgeschätzt

Diesen Respekt bekam auch ein deutscher Journalist zu spüren, als er 2011 wenige Wochen nach der Amtseinsetzung der Pfarrerin in der Nachbarschaft nach vermeintlichen Berührungsängsten mit der deutschen Frau als Kirchenoberhaupt fragte. Ob er denn ein Problem mit einer Frau als Pfarrerin habe, bekam er postwendend als Antwort. Ursula August und ihr Mann waren schon nach wenigen Wochen gut im Viertel bekannt, ihre Bemühungen um den Erwerb der türkischen Sprache wurden vom Umfeld wertgeschätzt.

Für den alltäglichen interreligiösen Dialog unterschied August mehrere Ebenen des christlich-muslimischen Dialogs. Am wichtigsten war ihr der Umgang mit muslimisch-christlichen Ehen, immerhin ein Fünftel der Gemeindemitglieder ist mit einem gläubigen Moslem oder einer Muslima verheiratet. Die persönlichen Verhältnisse unterschieden sich kaum von den Konflikten, die in Deutschland in "ökumenischen" Ehen diskutiert und ausgestanden werden müssen. Die Konversion zum christlichen Glauben sei in der Türkei straffrei möglich, da der türkische Staat die europäische Religionscharta ratifiziert habe.

Kritisch bewertete August den Umstand, dass die evangelischen Christen mit nur gut 200 000 Menschen in der ganzen Türkei nach wie vor lediglich über den Status einer nicht anerkannten nicht-muslimischen Minderheit verfügten. Das bringe dem Kirchenbetrieb im Alltag zahlreiche Nachteile, etwa ungeklärte Eigentumsverhältnisse oder Ungleichbehandlung bei der Finanzierung des Unterhalts der Gebäude analog zu den sunnitischen Gemeinden, bis hin zum Minderheitenschutz gegen Terroranschläge, die sich gezielt gegen das Christentum als Religion richteten. Zumindest in die Eigentumsfrage ist seit 2011 mit der Rückübertragung 1923 beschlagnahmter Kirchengebäude Bewegung gekommen. Auch bei der Finanzierung des Kirchenbetriebs zeigen sich Parallelen zu den türkischen Gemeinden in Deutschland.

In der anschließenden Fragerunde wurden einige Aspekte des gemischt-religiösen Zusammenlebens in der Familie vertieft. Unabhängig von der staatlichen Wertung müssten die Eheleute auch die Religion ihres Partners als Bereicherung begreifen. August berichtete aus Istanbul von Männern, die ihre Frau zum Gottesdienst chauffierten, aber keinen Fuß über die Schwelle setzten und von Frauen, die kurz vor ihrem Tod noch zum Islam konvertierten, um mit ihren Mann auf dem muslimischen Monopolfriedhof begraben werden zu können.

Ein junger Türke aus dem Zuhörerraum sprach mit den Einschätzungen seiner Jugendjahre in Istanbul dann das eigentliche Schlusswort: In seinem Beruf habe er die Christen immer zuerst als Mitmenschen erlebt, erst danach kam unter Arbeitskollegen oder im Freundeskreis die Religion zur Sprache. In dieser Hinsicht wünsche er sich noch viele Gelegenheiten für den Dialog mit den Christen in seiner neuen Heimat im Schwarzwald.