Foto: Umweltministerium BaWü/FVA, Grafik: mapcreator.io; Bearbeitung: LZ (Geitlinger)

Tiere: Zwei Rüden haben sich im Schwarzwald angesiedelt / Land um Ausgleich bemüht

Mittleres Kinzigtal - Es ist längst erwiesen: Wölfe sind zurück im Kinzigtal. Zuletzt hat ein Tier in Nordrach zugeschlagen und zwei Ziegen getötet. Nicht nur die Landwirte sind verunsichert.

Was bedeutet die Rückkehr des Raubtiers in die Region für Mensch und Nutztier?

Während inzwischen mindestens drei verschiedene Wolfsrüden nachgewiesen wurden, ist mindestens einer von ihnen im Nordschwarzwald sesshaft und hat seinen Weg bereits bis ins Kinzigtal gefunden.

Wie viele und welche Wölfe wurden bereits in der Region nachgewiesen?

In Baden-Württemberg wurden seit 2015 bis dato 13 verschiedene Wölfe erfasst. Die tatsächliche Zahl der Wölfe, die im Südwesten aufgetaucht sind, ist sicher höher, da es nicht immer möglich ist, die Tiere individuell nachzuweisen. 2017/18 ließ sich erstmals ein Wolf wieder im Land nieder. Dieser Rüde mit der Bezeichnung "GW852m" lebt seitdem im Nordschwarzwald. Auch im Kinzigtal wurde er bereits nachgewiesen. Zwei weitere Tiere bewohnen Territorien im Südschwarzwald und im Odenwald. Alle diese Wolfsrüden leben bisher allein. Bisher konnte kein weiblicher Wolf nachgewiesen werden.

Wie viele Wölfe haben bereits Nutztiere gerissen und welche?

Zwei: Bisher konnten den Wölfen mit den Bezeichnungen "GW852m" (territorial, Nordschwarzwald, 2017 bis 2021) und "GW2120m" (Mittlerer Schwarzwald-Nordschwarzwald, 2021) Risse zugeordnet werden.

Wo kommen diese Tiere her?

"GW852m" stammt aus einem Rudel in Schneverdingen in Niedersachsen, "GW2120m" aus einer italienischen oder Alpenpopulation.

Warum wurden bisher nur männliche Wölfe nachgewiesen?

Nach Auskunft der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt in Freiburg (FVA) ist in Baden-Württemberg sowohl mit der Zuwanderung weiblicher als auch männlicher Wölfe zu rechnen. Es sei als Zufall anzusehen, dass bisher ausschließlich männliche Tiere erfasst wurden. Die Daten aus angrenzenden Bundesländern zeigen, dass auch weibliche Wölfe große Strecken zurücklegen.

Wie gefährlich sind Wölfe für Menschen?

Wölfe haben grundsätzlich kein Interesse am Menschen, konstatiert die FVA. Nichtsdestotrotz: Sie sind wehrhafte Wildtiere, die etwa wie Wildschweine, keinesfalls gefüttert oder bedrängt werden sollten.

Wie wahrscheinlich ist es, dass sich im Kinzigtal ein oder mehrere Wolfsrudel ansiedeln?

"Wie überall in Mitteleuropa kann auch hier mit weiterem Auftauchen von Wölfen gerechnet werden", sagt die FVA. Es sei daher zu erwarten, dass weitere Tiere den Weg in den Schwarzwald finden. Wichtig ist für Wölfe neben Rückzugsmöglichkeiten auch eine entsprechende Nahrungsgrundlage. Beide Faktoren sind im Schwarzwald überall gegeben.

Welche Schutzmaßnahmen werden gefördert?

Über die Förderung von Schutzmaßnahmen informiert die Wolfacher Grünen-Landtagsabgeordnete Sandra Boser. Innerhalb der Förderkulisse Schwarzwald können Tierhalter sich die Anschaffungskosten für Herdenschutzmaßnahmen zu 100 Prozent vom Land erstatten lassen. Anteilig werden auch Arbeitskosten finanziell gefördert. Werden Nutztiere bestätigt durch den Wolf gerissen, wird eine Entschädigung gezahlt. Und auch Unterhalt sowie Ausbildung von Herdenschutzhunden werden gefördert. Nicht aber deren Anschaffung. "Wir möchten dass Herdenschutzhunde nicht nur angeschafft, sondern in der Praxis eingesetzt werden, daher ist die dauerhafte Förderung näher an der Praxis", so Boser. Allerdings sind diese ohnehin eher keine Option für die Kinzigtäler Landwirte, befindet Ulrich Müller, Vorsitzender des BLHV-Kreisverbands Wolfach. Dafür wären die hier gehaltenen Herden schlicht zu klein.

Was sagen die Landwirte?

Müller spricht von einer "großen Unruhe", insbesondere unter Schaf- und Ziegenhaltern. Sollten die Vorfälle zunehmen, werde es sehr schwierig für Tierhalter. Zumal die Haltung auch von Nutztieren eine emotionale Sache sei. "Wenn ein Wolf ein Tier reißt, sind die Landwirte danach oft auch psychisch angeschlagen", macht BLHV-Chef Müller deutlich. In Sachen Unterhaltung der Wolfszäune sollte die Politik die Förderungen noch nachbessern, meint er. Generell seien diese aber kritisch zu sehen. Denn: Sie zerschneiden Wanderwege – eine Gefahr für den Tourismus, sagt Müller.

Wie sicher sind Wolfszäune überhaupt?

Das hängt laut FVA sehr vom Einzelfall und den entsprechenden Faktoren ab: etwa der Umgebung und davon, welches Individuum vor dem Zaun steht. Grundsätzlich sei vor allem der korrekte und sorgfältige Aufbau von Standard-Weidezäunen ein guter Grundschutz, so das Institut. Meist seien Unterbrechungen des Zauns, Einsprungmöglichkeiten oder nicht ausreichende Stromspannung Ursachen für das Eindringen von Wölfen.

Wie reagiert die Politik auf die Problematik?

"Das Land nimmt die Problematik sehr ernst", sagt Boser gerade in Hinblick auf die Landwirte. Bei allen Landnutzern und Weidetierhaltern herrsche Verunsicherung. Schon seit 2014 gebe es ein Wolfsmanagement, das Monitoring sowie Herdenschutz-Maßnahmen und Schadensausgleichzahlungen beinhalte. Seit 2018 gibt es zudem einen Runden Tisch, an dem sich die Landesregierung mit den Bauernverbänden, den Verbänden des ökologischen Landbaus sowie landwirtschaftlichen Fachverbänden zum Thema Wolf austauscht und Lösungen findet. Auf die Frage, ob sie die Rückkehr des Wolfs begrüßt, verweist Boser zunächst auf die komplexe Situation, die die Rückkehr von Wildtieren in besiedelte Gebiete mit sich bringt. "Sagen wir es so: Ich hätte den Wolf nicht unbedingt zu uns eingeladen." Da er nun aber da sei, sei es Aufgabe des Landes, die betroffenen Landwirte zu unterstützen.

Wolf und Jagdrecht: Wie sind die Positionen?

Müller spricht sich klar dafür aus, den Wolf ins Jagdrecht aufzunehmen. Zudem hält er eine Obergrenze für die Tiere für sinnvoll. "Es wird sonst immer mehr Probleme bei der Tierhaltung geben, und wir haben schon genug", macht er deutlich. Für Boser gibt es indes keinen Anlass, den Wolf ins Jagdrecht aufzunehmen. Der Umgang mit sogenannten "Problemwölfen" – bis hin zum Abschuss – sei über das Naturschutzgesetz geregelt. "Der Schutz von Mensch und Nutztieren hat für uns Priorität", sagt Boser.

Regeln bei einer Begegnung:

Begegnungen mit Wölfen auch nachts, stellen, grundsätzlich keine Gefahr für Menschen dar, so die FVA. Es gelten dieselben Verhaltensregeln wie bei Begegnungen mit anderen Wildtieren:

  • Abstand halten, nicht auf die Tiere zugehen und sie nicht bedrängen  
  • Durch lautes Reden, Rufen und Klatschen auf sich aufmerksam machen
  • Bleibt der Wolf stehen, langsam unter lautem Reden weg gehen 
  • Wölfe auf keinen Fall füttern – daran gewöhnte Wölfe können aufdringlich oder aggressiv werden. Auch eine indirekte Fütterung, zum Beispiel Liegenlassen von Speiseresten und Schlachtabfällen, ist zu vermeiden.
  • Ist ein Hund dabei, sollte dieser in der Nähe des Spaziergängers bleiben. »Hunde können von Wölfen innerhalb des Wolfsterritoriums als Konkurrenz, als Beute oder auch als sozialer Partner wahrgenommen werden. Werden Hunde nah beim Menschen geführt, wird ein Wolf die Nähe jedoch meiden«, so die FVA.