Jochen Gnegel (von links) Bürgermeister Erik Weide, Jochen Bresch, Christel Strauß-Röderer, Joseph Hugelmann und Ute Beiser haben sich die Allmendwiesen aus der Nähe angeschaut. Die Stellfalle wird demnächst ersetzt – das Bauwerk ist mehr als 100 Jahre alt. Foto: Bohnert-Seidel

Bedrohte Tierart profitiert von Wässerung der Allmendwiese. Grabensystem aus 19. Jahrhundert

Friesenheim - "Die Wiesenwässerung von Friesenheim ist ein ökologisches Vorbild", erklärt Jochen Bresch. Der Landschaftsarchitekt hat mit Jochen Gnegel, der die Allmendwiese in Oberschopfheim betreut, bei einer Exkursion darüber informiert.

Die Wässerung sei deshalb ein Vorbild, weil sie die Interessen der Landwirte, des Naturschutzes und der Gemeinde vereine. Seit Mitte März wird die Allmendwiese gewässert. 14 Tage wird die Wiesenwässerung dauern, bis die Stellfalle zur Schutter wieder geschlossen wird. Mit Bresch hat die kleine Exkursionsgruppe nicht nur einen profunden Kenner der Wiesenwässerung und Berater an ihrer Seite. Vorsichtig hebt er den Finger. "Das war gerade eine Goldammer", erklärte Bresch das muntere Pfeifen. Von Weitem macht er den Ruf des Brachvogels aus.

Die Wiese ist intakt und liefert idealen Lebens- und Schutzraum für diese nur noch sehr seltene Vogelart. In ganz Baden-Württemberg werden nur noch 30 Brutpaare gezählt, die alle in Mittelbaden angesiedelt seien. Zwei davon dürften auf der Allmendwiese leben. Der radikale Umbruch von natürlichen Lebensräumen von Wiesen in Ackerland und die Pflege reiner Wiesenwirtschaft nannte Bresch als Ursache für das Aussterben des einem Fasanenweibchen ähnelnden Vogels mit langem gebogenen Schnabel.

Aufgrund seines gebogenen Schnabels ist dieser Vogel auf weiche Bodenverhältnisse, wie sie die Wiesenwässerung langfristig garantiere, angewiesen. Außerdem liebe der Vogel die Weite der Wiesen, die ihm stets die Möglichkeit zur Flucht erlaubten. "Der Brachvogel will gern weit schauen", so Bresch.

Historische Stellfalle wird dieses Jahr ersetzt

Größte Gefahr der Vogelwelt in geschützten Gebieten seien mittlerweile frei laufende Hunde, die die Tiere zur Flucht treiben. Leider habe sich das Land noch nicht auf eine einheitliche Beschilderung geeinigt, die Flächen wie die Allmendwiese in Oberschopfheim als Vogelschutzgebiet ausweisen. "Schild hin oder her, es sollte jedem Hundebesitzer klar sein, dass die Tiere nicht frei herumrennen sollten", so Bresch.

Noch in diesem Jahr soll eine Stellfalle neu ersetzt werden. Gnegel wartet auf Angebote. Mit dem Rückgang der landwirtschaftlichen Betriebe sowie zunehmender Motorisierung wurden die Allmendwiesen stillgelegt oder in Maisflächen umgewandelt. Die Wiesenwässerung von heute ist eine Folge des Verzichts. Bereits in den 80er-Jahren verzichteten Landwirte auf die Bewirtschaftung der Wiesen. Die Wiesenwässerung mit ihrem großen Stellwerk zur Schutter sowie kleineren weiteren Stellwerken entlang der Wiesenflächen wurde 2014 für 81 000 Euro instand gesetzt. Hintergrund der knapp 20 Hektar Wiesenwässerung ist die Ökokontoverordnung des Landes Baden-Württemberg. Aber in Friesenheim ist die Wiesenwässerung die Einlösung gegebenen Versprechens gegenüber Fauna und Flora. Einmal jährlich, vor der Brutzeit, werden die Wiesen gewässert. Dann darf sich das Wasser verteilen.

Info: Geschichte

Das Grabensystem der Allmendwiese geht bis in das 19. Jahrhundert zurück. Landwirte haben in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg Feld und Wiesen gewässert, um den nährstoffhaltigen Schlamm der Schutter als natürliche Düngung auf die Wiesen zu bringen. Nach gut 120 Jahren wurde die Wiesenwässerung 2014 wieder neu eingerichtet, diesmal als Lebensgrundlage für bedrohte Tiere wie den Großen Brachvogel.