Ekkehard Klem (rechts) erläutert Dagmar und Roland Herzog den mehr als 40 Jahre alten Grenzstein. Foto: Bohnert-Seidel

Unikat zeigt Gemarkungslinien von Friesenheim an. Fundstück bei Bauarbeiten in 60 Zentimeter Tiefe entdeckt

Friesenheim - Ein Relikt aus vergangenen Jahrhunderten zeigt Friesenheim in seinen Grenzen des 16. Jahrhunderts. Für Heimatforscher Ekkehard Klem ist der Grenzstein von 1531 ein außergewöhnliches Fundstück.

"Hoppla, dieser Stein ist etwas Außergewöhnliches!" Das stellte Ekkehard Klem fest, als er die Friedenstraße 2 entlang gelaufen ist. Nicht nur das ins Original zurückversetzte alte Fachwerkhaus – um 1900 errichtet – schenkt ein Stück alte Ortsgeschichte. Vielmehr lenkt ein Grenzstein den Blick des Betrachters auf altes Ornament und Zahlen. Ganz besonders ist die Darstellung von Pflugschar und Rebmesser.

Klem, Friesenheims Heimatforscher, streicht die Linien mit den Fingern nach. Die Jahreszahl von 1531 über dem Pflugschar mit Rebmesser ist deutlich erkennbar und zeigt die Gemarkungsgrenze von Friesenheim im Gewann im See. Unterhalb steht das Wort "ban" für Grenze. Klem nimmt einen historischen Lageplan zur Hand und zeigt, auf welcher Höhe der mit der Zahl 142 gekennzeichnete Stein gestanden haben muss. Heute befindet sich dort das Kieswerk in nördlicher Richtung zum Industriegebiet II von Friesenheim.

Abtsstab ein Hinweis ans Kloster Schuttern

Deutlich erkennbar auf der Rückseite ist ein Abtsstab mit der Buchstabenkombination G und S. Unter alten Gemarkungswappen kommen diese Initialen nur zwei Mal vor. Naheliegend sei in diesem Fall das Kloster Schuttern. Außer diesem verfügt nur noch das Kloster Schwarzach bei Grenzsteinen über diese Initialen. Im Grunde habe der frühere Heimatforscher Oskar Kohler bereits in seinem Büchlein "Aus vergangenen Tagen" eine Grenzbegehung zwischen Friesenheim und Schuttern im Jahr 1531 beschrieben. Der Grenzstein zeigte somit eine Gemarkungsgrenze über die Bahnlinie an. Wobei im Jahr 1531 noch niemand an eine Bahnlinie gedacht habe. Weideland war kostbar und je nach Regenverhältnissen standen viele Bereiche, wie der Gewannname "Im See" verdeutlicht, unter Wasser.

Die Grenzen zwischen dem Boden des Klosters Schuttern und der Gemeinde Friesenheim mit seinen Landwirten waren exakt durch sehr viele Grenzsteine gekennzeichnet. Dass sich die Äbte des Klosters Schuttern und der Gemeinde Friesenheim nicht immer ganz grün waren, bestätigen sogenannte Weidekriege. Weidezäune wurden entfernt, und Friesenheimer hätten das Vieh zum Weiden über die Grenze getrieben, so Klem.

Der Grenzstein sei einzigartig und der einzige bisher gefundene Stein aus dieser Zeit. "Ein tolles Exemplar, ein Solitär, wie wir ihn in Friesenheim bisher nicht gesehen haben", so Klem.

Im Grunde war der Zufall im Spiel: Bei Ausgrabungsarbeiten zur Sanierung des Hofes in der Friedenstraße 2 wurden Bauarbeiter in 60 Zentimetern Tiefe fündig. Altes Gestein wurde in der Friedenstraße – im Volksmund auch Lottergasse – genannt, zur Bodenfixierung verwendet. Neben allerlei losen Pflastersteinen entdeckten die Bauarbeiter das Unikat aus dem frühen 16. Jahrhundert.

Eigentlich ist solch ein Stein öffentliches Eigentum, erläutert Klem. Mit der Positionierung direkt an der Straße erfahre der Solitär einen öffentlich musealen Charakter und füge sich ideal in das Bild des historischen Ortskerns ein. "Das ist einer der ältesten Funde überhaupt", sagt der Heimatforscher. Als Grenzstein zur Friedenstraße erfahre er wieder einen Teil seines historischen Wertes und werde von vielen Menschen gesehen.

Info: Bauernkrieg

1531 war Conradus Frick Abt des Benediktinerklosters von Schuttern. In seine Amtszeit (1518 bis 1535) fiel der Bauernkrieg vom Mai 1525 als das Kloster geplündert und verwüstet wurde. Die Friedenstraße wird auch "Lottergasse" genannt: nicht, weil die Menschen dort besonders verwahrlost oder heruntergekommen waren. Lottergasse resultiert aus einem Erdreich, das infolge hohen Wasserstands ständig in Bewegung war.