Dass in Friesenheim nach Nachfolgern für die Allgemeinmedizin gesucht wird, ist laut der Kassenärztlichen Vereinigung in Baden-Württemberg keine Seltenheit mehr. Patienten müssen sich auf neue Strukturen – und längere Wege – einstellen. Junge Mediziner würden einer Gemeinschaftspraxis einer Einzelpraxis vorziehen. Foto: Symbolfoto: Weissbrod

Hausarzt Werner Dinkelbach geht in Ruhestand.

Friesenheim - Mit der Schließung der Hausarztpraxis Werner Dinkelbach in Friesenheim seit dem 30. Juni spitzt sich die Situation der medizinischen Versorgung weiter zu. Die Kassenärztlichen Vereinigung versichert: Friesenheim ist kein Einzelfall.

Die Hausarztpraxis Werner Dinkelbach ist seit dem 30. Juni geschlossen. Viele Patienten sind ratlos. "Sie können Ihre Unterlagen abholen, hieß es", erzählt Norbert Ross, einer von vielen Patienten, die jetzt auf der Suche nach einer neuen Hausarztpraxis sind. "Ganz gleich, wo wir in Friesenheim anklopfen, heißt es: wir können niemanden mehr nehmen", erklärt der 79-Jährige verzweifelt. Abwarten sei die Devise: vielleicht öffne sich die ein oder andere Tür dennoch. Bei den Hausärzten liefen die Telefone heiß, weil Patienten unterkommen wollen. Die Praxis Dinkelbach ist keine Ausnahme in Friesenheim. In Oberschopfheim wird bei Praxis Adam nach einem Nachfolger gesucht.

Viele Hausärzte scheuen wirtschaftliches Risiko einer eigenen Praxis

Friesenheim dürfte auf lange Sicht kein Einzelfall darstellen, weiß die Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg. Die Ursache lasse sich einfach erklären: "Es gibt nicht ausreichend Nachfolger für offene Hausarzt-Sitze." Will ein Hausarzt in den Ruhestand gehen, suche er sich in der Regel einen Nachfolger. Es sei aber kein Muss. Im schlechtesten Fall schließe die Praxis, der Praxisinhaber gibt seine Zulassung zurück und es gibt keinen Nachfolger – so geschehen mit Praxis Werner Salge.

Viele Faktoren gebe es für den Hausärztemangel: "Zahlenmäßig gibt es einfach zu wenig niederlassungswillige junge Mediziner, vor allem in der Allgemeinmedizin. Das fängt ganz vorne an, dass wir zu wenige Medizinstudierende haben", so die Pressereferentin Swantje Middeldorff.

Die Allgemeinmedizin sei noch immer nicht so attraktiv wie andere Fächer. Aber auch die fertig ausgebildeten Allgemeinmediziner ließen sich inzwischen unter anderen Bedingungen nieder als noch die Generation davor. "Sie wollen meist lieber im Team arbeiten, keine Einzelpraxis übernehmen. Sie wollen eine bessere ›Work-Life-Balance‹. Viele scheuen das wirtschaftliche Risiko einer eigenen Praxis", so Middeldorff.

"Auch wenn wir in vielen Landesteilen ein Problem mit fehlenden Hausärzten haben, ist es bisher immer noch gelungen, alle Patienten zu versorgen. Oft genug auch durch das Engagement der verbleibenden Ärzte", heißt es weiter. Aber Patienten müssten sich auf neue Strukturen einstellen, eventuell auch weitere Wege in Kauf nehmen. Es könnte so kommen, dass es nicht mehr in jeder Gemeinde eine Einzelpraxis gibt, sondern nur noch eine große zentrale Gemeinschaftspraxis. Diese hätte durchaus ihre Vorteile: Längere Öffnungszeiten, jederzeit einen Ansprechpartner und keine Urlaubsausfälle.

Friesenheim trotzdem noch recht gut versorgt

Obwohl im Juli 2020 bereits die Hausarztpraxis Werner Salge geschlossen worden ist, sei Friesenheim mit der Anzahl von Hausarztpraxen noch recht gut versorgt. Friesenheim gehört zum "Mittelbereich Lahr" mit insgesamt 116 000 Menschen. Pro 1650 Menschen gibt es einen Arztsitz. Das wären bei 100 Prozent Versorgungsgrad 70,5 Arztsitze. Der Gesetzgeber lasse bis zu 110 Prozent zu, danach gilt der Bereich als ausreichend versorgt und wird geschlossen. Das heißt, dass sich keine weiteren Ärzte in diesem Bereich mehr niederlassen können.

Der Mittelbereich Lahr liege aktuell bei einem Versorgungsgrad von 107,9 Prozent mit 75,6 besetzten Arztsitzen. Es könnten maximal noch weitere 1,5 Stellen besetzt werden. Das sei im Vergleich zu manch anderem Mittelbereich sehr gut. Inzwischen gebe es einige Gegenden in Baden-Württemberg, wo der Versorgungsgrad im Bereich von 80 Prozent liege. Arztsitze werden keiner Kommune zugesprochen. Wenn sich jemand innerhalb des Mittelbereichs niederlassen will, stehe die Entscheidung frei, in welchem Ort dies sei. "Eines ist klar zu sagen, das Modell ›ein Dorf, ein Arzt‹ wird nicht mehr funktionieren", so die Pressesprecherin gegenüber der LZ.

In Friesenheim gibt es fünf Hausarztpraxen mit neun praktizierenden Allgemeinmedizinern. Drei Praxen werden bereits in einer Gemeinschaft mit zwei Ärzten geführt. Neu ist seit Juli die Zweigstellenversorgung von Praxis Dinkelbach in den bisherigen Praxisräumen in der Friedrichstraße über Werner Dinkelbach selbst.