So fröhlich ist Jörg Henninger 2017 als neuer Zunftmeister in die Stadthalle eingezogen. Archivfoto: Decoux-Kone Foto: Lahrer Zeitung

Tradition: Reb- und Ackerbauzunft in Ettenheim feiert ihren Tag / Auch die Beisitzer werden neu gewählt

Die Mitglieder der Reb- und Ackerbauzunft haben die Vorbereitungen für ihren Zunfttag am Montag, 20. Januar, so gut wie abgeschlossen. Dieser Tag, an dem auch der neue Zunftmeister gewählt wird, findet nur alle drei Jahre statt.

Ettenheim (red/cko). Von allen Ettenheimer Zünften ist nur diese erhalten geblieben. Sie feiert ihr 518-jähriges Bestehen. Wie die Zunft mitteilt, beginnt der die Veranstaltung um 8 Uhr mit dem Gottesdienst für die verstorbenen Mitglieder in der Stadtkirche. Anschließend wird im Gasthaus "Lamm" die Versammlung abgehalten. Die Zunftlade wird am Sonntag, 2. Februar, mit einem Pferdegespann nach Ettenheim überführt.

Der Zunftabend beginnt mit einem offiziellen Teil. Der neue Zunftmeister und seine Beisitzer Stefanie Kirn, Clemens Enderle, Michael Kirnberger und Peter Seiler werden einziehen. Der Nachfolger von Jörg Henninger kommt traditionsgemäß aus Ettenheim und muss als Voraussetzung für seine Wahl schon Beisitzer gewesen sein.

Stadtkapelle und Theaterstück unterhalten

Der Bericht des alten Zunftmeisters an die Mitglieder ist ein notwendiger Bestandteil an dem, wie man früher sagte, "Tag der Zunfterneuerung". Mit dem Zunftmahl, traditionell das Ettenheimer Nationalgericht Lummel und Nudeln, können sich die Gäste für den unterhaltsamen Teil des Programms stärken. Vor dessen Beginn gibt es die "Tellersammlung" zur Unterstützung der Zunftkasse; ein "Programmpunkt", der in seiner Art sonst bei keiner Veranstaltung mehr üblich ist. Große Mühe haben sich die Verantwortlichen mit dem Unterhaltungsprogramm gegeben. Neben den Beiträgen der Stadtkapelle wird einer der Höhepunkte ein Theaterstück sein. Der Einakter wird von der Theatergruppe des Sportvereins aus Ettenheimweiler in Szene gesetzt.

Vom hohen Mittelalter bis zur Einführung der Gewerbefreiheit im Jahr 1862 bestanden die Zünfte. In diesen "Berufsverbänden" schlossen sich freie Handwerker und Kaufleute zusammen, um ihre berufsspezifischen Angelegenheiten zu organisieren. Die Zünfte waren Gemeinschaften, denen die ausgebildeten Meister, die Gesellen und Lehrlinge, die Meisterfrauen und -witwen angehörten. Wichtigste Aufgabe war es, die wirtschaftliche Existenz der Zunftgenossen zu sichern.

Zünfte hatten früher auch soziale Aufgaben

Dazu gehörten die Regelung des Zugangs zum Gewerbe, die Auseinandersetzung mit der Konkurrenz, die Regelung der Arbeitsbedingungen, die Kontrolle der Preise, Löhne und Arbeitszeiten, die Ausbildung der Lehrlinge und Gesellen und die Überwachung der Qualität der Arbeit.

Daneben erledigten die Zünfte soziale Aufgaben für die Genossen, unterhielten Zunftherbergen für Gesellen, richteten Sterbe-‑ und Krankenkassen ein. Eine beschränkte Gerichtsbarkeit wirkte erzieherisch auf die Mitglieder und half Zunftregeln und -ehre zu bewahren. Die Zünfte hatten eigene Altäre für die Zunftheiligen. Ein Seitenaltar in der Ettenheimer Stadtkirche ist St. Sebastian geweiht, dem Schutzpatron der Reb- und Ackerbauzunft. Alle diese Aufgaben regelten Zunftordnungen, die von der Obrigkeit erlassen oder bestätigt wurden. Jährlich fand eine Zunfterneuerung statt, bei der die Zunftmeister, Beisitzer, Zunftschreiber oder Geschworenen gewählt wurden.

Die Zunft der "Baurlütt‑ und Reblütt" wird bereits 1503 erwähnt. Schon 1529 sollen die Rebleute eine Zunftstube besessen haben, die 1637 beim Brand der Stadt zerstört wurde. 1701 wurde das Haus in der Ettikostraße wieder aufgebaut, die Zunft richtete ihre Stube ein. Die Winzer feierten ihren Schutzpatron am Urbanstag, 25. Mai. Es war der Tag des großen Trunks auf der Zunftstube, bei dem die Kinder auch den "Urbanuswecken" erhielten. 1716 bestätigte der Landesherr, Kardinal Armand Gaston von Rohan-Soubise der Rebzunft eine neue Zunftordnung. Sie regelt in 20 Artikeln unter anderem die Gehorsamspflicht gegenüber dem Zunftmeister, dessen Verpflichtung, Strafbestimmungen für Händel oder unziemliches Betragen, die Nachfolge in der Zunft bei Todesfällen, den Eintritt in die Zunft und die Festlegung von Strafen.

Mitglieder der Zunft sind heute nicht mehr nur "Reb‑ und Ackersleute", sondern etwa 450 Bürger.

In der Geschichte der Zunft kam der Zunftmeister immer aus Ettenheim, war Landwirt oder Winzer. Ein "Personalmangel" führte in den vergangenen Jahren zu Änderungen der Traditionen: 1973 wurde mit Stabhalter Franz Römer erstmals ein Zunftmeister aus Ettenheimweiler gewählt. Seither stellen Ettenheim und Ettenheimweiler abwechselnd die Zunftmeister. Nach einer Satzungsänderung wurde 1985 mit Karl Dees erstmals ein Nebenerwerbslandwirt und Handwerker zum Zunftmeister gewählt. 1999 wurde die Amtszeit auf drei Jahre verlängert und seit 2002 können nach mehr als 500 Jahren auch Frauen in den Vorstand gewählt werden. Die Liste der Zunftmeister seit 1901 ist fast auch ein Lexikon der alten Ettenheimer Familiennamen.