Verkehrsminister Winfried Hermann in Ettenheim: Nicht auf jede Frage hatt er eine zufriedenstellende Antwort parat. Foto: Decoux-Kone

Minister Hermann verweist bei ÖPNV und Radwegen auf Verantwortung von Kreis und Kommunen

Rusts Bürgermeister Kai-Achim Klare dürfte vielen Vortragsbesuchern aus der Seele gesprochen haben: "Ihre theoretische Analyse war überzeugend", beschied er Winfried Hermann am Mittwoch im Winefeldsaal. Nur damit ist es eben nicht getan.

Ettenheim. Auf Einladung seiner Grünen-Fraktionskollegin Sandra Boser referierte der Verkehrsminister über das Thema "Auf dem richtigen Weg für die Mobilität von morgen" (siehe Info).

Wie zuvor schon sein Ettenheimer Kollege Bruno Metz, der in seinem Grußwort das eine oder andere "Sorgenthema" ansprach (Benachteiligung der Raumschaft ab dem Fahrplanjahr 2020, Nicht-Einhaltung von zugesagten Lärmschutzmaßnahmen beim Bahn- und Autobahn-Ausbau) und den Minister dabei um Hilfe bat, beklagte Klare eine vielfache Benachteiligung des ländlichen Raumes in puncto ÖPNV. "Wir brauchen die Unterstützung des Landes", so Klare. Es sei beispielsweise ein Unding, dass es im Übergang von der Ortenau in den Breisgau keine Busverbindungen gebe.

Schon in seiner Replik auf Klares Kritik machte Hermann seine Marschroute für diese Fragestunde deutlich. Kreisen und Gemeinden sei es ja unbenommen, Abhilfe zu schaffen, wo Defizite festzustellen seien. Eine Zuhörerin beklagte, dass sie von Hermanns Verbesserung der Zugverbindungen, mit denen die Straßen entlastet werden sollen, wenig spüre, dass sie vielmehr auf ihrem beruflichen Weg nach Stuttgart eher Verschlechterungen wahrnehme. Hermanns Erwiderung: Jeder müsse sich Gedanken machen, ob es nicht sinnvoller sei, der Arbeit hinterher zu ziehen.

Ein Zuhörer brachte kein Verständnis dafür auf, dass man das Ortenau-Klinikum zentrieren, die ortsnahen Häuser schließen wolle. Das bringe weiteren Straßenverkehr. Hermanns Versuch, das als alleinige Sache des Kreises abzutun, mit dem das Land nichts zu tun habe, rief den Widerspruch von Metz hervor. Das Sozialministerium des Landes fördere schließlich derlei Konzeptionen.

Auch in weiteren angesprochenen Punkten war nicht wirklich Verständnis und Entgegenkommen des Ministers zu registrieren. Vielmehr appellierte er wiederholt an jeden Einzelnen – an Kommunen, Kreise und Verkehrsverbünde – sich etwas einfallen zu lassen, um Abhilfe zu schaffen. Ob bei der Anzahl der Zughalte (Hermann: "Raumschaften haben die Möglichkeiten, mit finanzieller Beteiligung den Status quo zu halten"), bei den Busverbindungen ("Wenn Kommunen mehr ÖPNV wollen, sollen sie sich finanziell daran beteiligen") oder bei den mehrfach angesprochenen Defiziten des Radwegenetzes.

Man habe bei all den angesprochenen Punkten die Anstrengungen in den vergangenen Jahren deutlich forciert, so der Minister. "Proteste zeichnen oft ein ganz falsches Bild von den tatsächlichen Bemühungen."

INFO

Viel aufzuholen

Von einer "gewaltigen Dynamik im Bereich Verkehr" sprach Winfried Hermann in seinem einstündigen Referat. "Die Politik verharrt oft noch im 20. Jahrhundert, statt das 21. Jahrhundert innovativ zu gestalten", so seine selbstkritische Einschätzung. Deutschland laufe Gefahr, sich von anderen Ländern in puncto Nachhaltigkeit überholen zu lassen. Mit 34 Prozent verkehrsbedingter Emissionen nehme Baden-Württemberg eine traurige Spitzenposition im Bund ein. Da müsse dringend Abhilfe geschaffen werden. Ziel sei, bis Mitte des Jahrhunderts auch den Verkehr weitestgehend auf erneuerbare Energie umzustellen. Hermann umriss ein "5-V-Programm": Verbessern, Verlagern, Vermeiden, Vernetzung, Vorbildfunktion. Als ausdrückliche Schwerpunkte nannte er "eine neue Radkultur" und die Stärkung des Fußverkehrs.