Benjamin Wendel brachte den Prinzengarten zum Lachen. Foto: Decoux-Kone

Theater: 60 Zuschauer lachen im Prinzengarten über "Der Boss" / Benjamin Wendel spielt alle Rollen selbst

Ettenheim - Die Kulturszene belebt sich allmählich wieder: Nach langer Zwangspause hat das Theater Eurodistrikt Baden Alsace wieder in Ettenheim gastiert. Im Prinzengarten trat Benjamin Wendel als "Der Boss" auf, 60 Zuschauer schauten zu – und lachten.

Zahlreiche Protagonisten in einer Person

Deutsch-türkische Hochzeitsvorbereitungen waren das Thema des höchst erheiternden Ein-Personen-Stücks. Wendel trat dabei in wechselnden Sprech-Rollen mit entsprechender Gestik auf und ließ so zahlreiche Protagonisten ereignisreich und schillernd lebendig werden.

Ausgangspunkt: Daniel, mit Alt-68er Eltern gesegnet, will seine Traumfrau Aylin ehelichen – und bekommt deren türkische Großfamilie gleich mit dazu. Bei deren Gruppenbesuch (ausgerechnet zu Weihnachten), bekommt Daniel es auch mit Onkel Abdullah zu tun, einen fundamentalistischen Moslem, vor dem sich Daniel als Islam-Konvertit ausgibt. Die künftige Tante Emine plant schon mal die Hochzeitsreise, natürlich in ihr Ferienhäuschen anstatt nach Bali, Österreich oder Sachsen-Anhalt. Aylin versichert dem Helden jedoch titelgebend und tiefgründig: "Heute bist du der Boss!"

Theaterversion eines 2012 erschienenen Buches 

Unzählige kulturelle Klippen wollen bis zur Hochzeit umschifft sein: Ob nun Daniels Eltern allzu freimütig über Sex plaudern oder sich herausstellt, dass die verzehrten Oliven ausgerechnet griechischer Herkunft sind. Der schwule Künstler Dimitri erregt ebenso irritierende Aufmerksamkeit wie Atheistin Ingeborg ("Weihnachtsscheiße ist Kapitalismus pur").

Was der Autor des Stücks, Moritz Netenjakob, erstmals 2012 in dem gleichnamigen Buch verewigt hatte, überzeugt auch in der Theaterversion. Das Stück des 1970 geborenen Comedy-Autors und Kabarettisten sorgte, wie schon sein Vorgänger "Macho-Man", in Ettenheim nahezu pausenlos für Lacher.

Autor ist selbst mit einer Türkin verheiratet

Typische Türken, skurrile Deutsche: Netenjakobs Witze kommen nie fremdenfeindlich rüber, stattdessen rührt er mit großem Wortwitz an vielen Vorurteilen und entlarvt die Spießigkeit auf allen Seiten. Das kommt nicht von ungefähr, denn der Autor ist schon lange und glücklich mit einer Türkin verheiratet, kennt viele liebenswerte Schwächen aller Seiten und vermag sie satirisch, aber auch brüllend komisch zu präsentieren. Natürlich wirken einzelne Charaktere leicht überzeichnet, denn so viel Ereignis- und Charakterchaos auf einmal dürfte es im realen Leben nicht geben.

Im Stück nimmt alles ein glückliches Ende: Der Herzinfarkt einer türkischen Tante führt zwar vorerst zu einer Verschiebung der Hochzeit, schließlich wird aber doch geheiratet. Der gefundene Kompromiss: Erst mal gibt es eine Hochzeit im kleinsten Kreise, dann später vor tausend Gästen in Tüll-Dekoration.

Die versteckte Botschaft lautet: In unterschiedlichen Kulturen gibt es haufenweise Vorurteile gegeneinander, doch sie können sich in Wohlgefallen auflösen. "Der Boss" sorgte jedenfalls für unzählige Lacher beim Publikum. Für die Bewirtung sorgte der Freundeskreis Prinzengarten.

Info: Weiter geht es mit Jörg Kräuter

Der Kulturkeller (KKW) nimmt seine Programmtätigkeit wieder auf: Am 19. September um 20 Uhr ist unter dem Motto »KKW geht fremd«  abermals Theater auf dem Prinzengarten-Rasengrün angesagt.     Jörg Kräuter als »König von Baden« wird dann seine  kabarettistische »Inventour durch die Region« präsentieren. Rund hundert Plätze stehen dafür bereit. Falls es regnen sollte, wird in die Stadthalle umgezogen. Die  Stadtverwaltung verlangt dafür keine Hallenmiete.