Die Schüler der neunten Klassen der Heimschule zeigten sich gut vorbereitet auf den Besuch der Landtagspräsidentin. Fotos: Decoux-Kone Foto: Decoux-Kone

Besuch: Muhterem Aras diskutiert mit Heimschülern über Kopftuch, Einwanderung und Klima-Demos

Ettenheim - Landtagspräsidentin Muhterem Aras war am Montag zu Gast in Ettenheim. Im Gepäck hatte sie klare Ansichten, wie beim Dialog mit Neuntklässlern der Heimschule St. Landolin deutlich wurde.

In ihrer eigenen Lebensgeschichte fand Aras mehrere Ansatzpunkte, um ihre jugendlichen Gesprächspartner zum Engagement in sozialen und politischen Feldern zu ermutigen. Die 53-Jährige ist die erste Frau an der Spitze des Landtags. Realschulrektorin Nicola Heckner, die als Moderatorin fungierte: "Nach 100 Jahren Frauenwahlrecht war das auch mal an der Zeit." Zudem ist Aras die erste Grüne-Politikerin, die dem Landtag vorsteht. Sie sieht sich als Muslima als Musterbeispiel für erfolgreiche Integration.

Die von den Schülern vorgetragenen Fragen zeugten von intensiver Vorbereitung auf den Besuch. Im Frageblock "Zur Person" hakten die Schüler nach Aras’ religiöser Herkunft als Alevitin (einer in der Türkei unterdrückten religiösen Minderheit) nach, wollten wissen, wie sie zum Kopftuch steht. Aras: "Kinder bis 14 und Grundschullehrerinnen sollten es nach meiner Meinung nicht tragen."

"Warum dürfen Asylbewerber nicht arbeiten?", eröffneten die Schüler den zweiten Fragenblock zum Thema Einwanderung. Für Aras vielfach auch nicht nachvollziehbar: "Wir sind da bisweilen schon merkwürdig: Wir suchen einerseits händeringend nach Arbeitskräften, verwehren dann aber arbeitswilligen Einwanderern die Arbeit." Wo die Bundespolitik den Ländern Spielraum lasse, unterstütze das Land indes die Kommunen als die unmittelbar von der Flüchtlingswelle Betroffenen. Kritik übte Aras an der Ära Kohl, Respekt sprach sie diesbezüglich Angela Merkel aus. Wenn die Flüchtlinge ein Dach über dem Kopf haben, gelte es als Nächstes, sie auch in der Arbeitswelt zu integrieren.

Zudem zollte Aras der Initiatorin von "Friday for Future", Greta Thunberg, großen Respekt und gestand den jugendlichen Demonstranten auch die Nutzung der Schulzeit dafür zu. "Eltern und Kinder sollten das miteinander ausmachen können", so ihre Sichtweise, die damit Sanktionen von Schulen offensichtlich nicht für den richtigen Weg hält.

Sich einmischen – dazu ermutigte die Landtagspräsidentin ihre jugendlichen Gesprächspartner auch im Blick auf die "Generationengerechtigkeit". Natürlich werde die Digitalisierung auch die Schule beschäftigen und verändern. Aber: "Kein Tablet kann den Lehrer ersetzen." Und schließlich ihr klares Votum für Europa: "Brexit, Trump, Putin, Erdogan – jeder für sich schon schlimm genug." Umso mehr müsse für Europa gelten: Nur Gemeinsam sind wir stark. Dies sei auch als ein Appell für die Europawahlen im Mai zu verstehen.

Info: Zur Person

Muhterem Aras wurde in der Türkei geboren und kam im Alter von zwölf Jahren mit ihrer Familie nach Deutschland. Berufliches Kurzporträt: Schullaufbahn bis zum Abi, Wirtschaftsstudium, Steuerberaterin mit eigenem Büro. Als in den 1990er-Jahren landesweit Stimmungen gegen die Aufnahme von Flüchtlingen aufkamen, fand sie ihre politische Heimat bei den Grünen. Seit Mai 2016 ist Aras Landtagspräsidentin – ein Amt, das jeweils der stärksten Fraktion zusteht.