Lahr/Ettenheim - Körperliche Auseinandersetzung im Lahrer Amtsgericht: Vor rund zwei Wochen ist es offenbar zu einer Attacke auf einen Ettenheimer Anwalt gekommen. Anzeige wegen Körperverletzung hat jedoch der mutmaßliche Angreifer erstattet.

Es war ein Termin in einem seit Jahren laufenden Scheidungsverfahren, sagt Familienrechtler Martin Schaub. Der Ettenheimer Anwalt vertritt die Frau. Immer wieder sei es in der Vergangenheit zu "ordentlichen Wortgefechten" gekommen, zwischen ihm und der Anwältin des Mannes und auch mit dem Mann direkt. "Das ist nicht unnormal, jeder versucht, das Beste für seinen Mandanten herauszuholen, da ist man nicht zimperlich", sagt Schaub.

Tatsächlich zählen Familienrechtsstreitigkeiten mit zu den emotionalsten. Es geht um viel: Geld, Kinder und vor allem Gefühle zwischen zwei Menschen, die sich einmal sehr nahe standen. Nicht selten werden dabei alte Wunden wieder aufgerissen oder gar neue geschlagen. Allerdings meist auf emotionaler Ebene.

Polizei musste nicht einschreiten

Anders Anfang November im Lahrer Amtsgericht. Auch dieses Mal sei es verbal hoch her gegangen, als der Mann plötzlich aufgestanden sei, ihn angebrüllt habe und auf ihn zugegangen sei, schildert Schaub den Vorfall im Gespräch mit der LZ. "Ich bin auch aufgestanden und habe instinktiv die Hände hochgerissen, um mich zu schützen." Ein Entkommen habe es nicht gegeben, sagt Schaub: Links von ihm sei die Anwältin des Mannes gesessen, rechts seine Mandantin, dahinter stand ein Tisch. "Der Mann holte zu einem Schwinger aus, machte noch einen Schritt nach vorne und lief dabei wohl mit dem Gesicht in meine linke Hand", berichtet Schaub.

So unvermittelt der Angriff gekommen sei, so schnell sei er wieder beendet gewesen. Der Mann habe noch eine Beleidigung ausgerufen, sei dann aber stehengeblieben. "Es schien mir, als sei er plötzlich wieder klar gewesen und dass ihm bewusst wurde, was er da gerade getan hatte", sagt Schaub, der nach dem Vorfall den Saal verließ.

Welches Gefahrenpotenzial die Situation barg, zeigt die Reaktion des Richters. Er unterbrach sofort die Verhandlung und rief die Polizei. "Sechs Beamte kamen", berichtet Schaub, "dazu noch zwei Wachtmeister."

Die Polizei bestätigte auf LZ-Nachfrage am Donnerstag "ein Handgemenge zwischen zwei Personen am 6. November im Lahrer Amtsgericht". Sprecher Ansgar Gernsbeck: "Die Kollegen mussten jedoch nicht einschreiten, weil sich die Lage bei ihrem Eintreffen bereits wieder beruhigt hatte."

Sachbeschädigungen gibt es immer wieder

Rechtsanwalt Schaub, der seit mehr als 20 Jahren mit seiner Kanzlei in Ettenheim sitzt, hat nach eigener Aussage schon viel Negatives erlebt, meistens Sachbeschädigungen: "Mir wurden schon die Autoreifen zerstochen, die Kanzleiwände beschmiert und Essensreste auf meinen Wagen geworfen." Doch Gewalt im Gerichtssaal sei sehr selten, sagt Schaub.

Besonders geschockt habe ihn, dass der gegnerische Mandant "niemand ist, von dem man so etwas erwartet hätte; ein Anzugträger mit einem guten Job in einem großen Unternehmen". Schaub stellt fest: "Die Verrohung unserer Kultur findet offensichtlich auf allen gesellschaftlichen Ebenen statt."

Der Anwalt verzichtete auf rechtliche Schritte ("Für mich war die Sache erledigt"), sein Gegenüber indes nicht. Am Donnerstag habe er Post von der Staatsanwaltschaft bekommen, sagt Schaub. "Anzeige wegen Körperverletzung." Der Mann soll Schmerzen an der Nase haben. Wie die Sache ausgeht, darüber will Schaub nicht spekulieren, auch wenn er sich im Recht sieht: "Eine Anzeige ist eine Anzeige."

Der Richter, der den Termin am 6. November leitete, hat nach LZ-Informationen gegen den mutmaßlichen Angreifer ein Ordnungsgeld in Höhe von 500 Euro verhängt.

Solche Vorfälle passieren nicht häufig

Im Kammerbezirk der Rechtsanwaltskammer Freiburg kommen körperliche Auseinandersetzungen, bei denen Anwälte involviert sind, "zum Glück selten vor", wie Geschäftsführer Tilman Winkler am Donnerstag gegenüber der LZ erklärte. "Vor allem bei zivilrechtlichen Fällen ist so etwas die Ausnahme." Das liege auch daran, dass die Gerichte im Vorfeld entsprechende Vorkehrungen träfen, "wenn mit Problemen durch eine oder mehrere Parteien zu rechnen ist". Häufiger kommt es laut Winkler zu Bedrohungsszenarien im Strafrecht. "Vor Jahren hatten wir mal einen Fall, da wurde einem Verteidiger mit einem Messer über den kompletten Rücken die Kleidung aufgeschlitzt. Glücklicherweise wurde er nicht verletzt." Indes, stellt der Kammer-Chef fest: "Der Ton ist in den vergangenen Jahren auch im Gerichtssaal rauer geworden."