Wer vollständig geimpft wurde oder eine Erkrankung hinter sich gebracht hat, ist für lange Zeit immun gegen das Coronavirus, sagt der Ettenheimer Biologe und Informatiker Joachim Strub. Foto: Reichel

Corona: Ettenheimer Experte spricht über die aktuelle Entwicklung – und macht Mut für die Zukunft

Deutschland hat den Impf-Turbo gezündet, täglich werden Hunderttausende gegen das Coronavirus immunisiert. Es könnte noch schneller gehen, sagt Joachim Strub. Laut dem Ettenheimer Experten müssen Genesene nicht mehr immunisiert werden.

Ettenheim. Keine Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen, keine Testpflicht und keine Quarantäne mehr: Ab Sonntag bekommen Millionen Deutsche einen Großteil ihrer Freiheiten wieder. Das sei kein Geschenk von Privilegien, sondern lediglich die Rückkehr zu den in der Verfassung verankerten Grundrechten, sagt die Politik.

Genau so argumentierte Joachim Strub bereits im Februar im LZ-Interview. Der Biologe und Informatiker ist Inhaber der Ettenheimer Medizin- und Softwarefirma JSI Medical Systems. Mit seinem Unternehmen hat er einen wichtigen Beitrag zum Kampf gegen die Pandemie geleistet – ein Computer-Programm, das Mutationen des Coronavirus erkennen und nachweisen kann. Auch in anderen Bereichen sind Strubs Prognosen von vor drei Monaten entweder bereits eingetreten oder könnten es bald – und das sind echte Mutmacher.

Die Lockerungen, die der Gesetzgeber am Freitag beschlossen hat (siehe Info), gelten für vollständig Geimpfte und für Menschen, die Corona bereits überwunden haben. Während es für Erstere vorerst keine zeitliche Befristung gibt, gilt für Letztere: Die Erkrankung darf maximal sechs Monate zurückliegen. Gebildete Antikörper verschwänden im Laufe der Zeit wieder, sodass ein Schutz vor einer Neuinfektion nicht mehr gewährleistet sei, so die Begründung des Gesetzgebers.

"Das ist falsch", sagt Strub. "Genesene bleiben auf Jahre immun." Zwar gehe die Zahl der Antikörper tatsächlich zurück. Doch speichere das Immunsystem deren Bauplan ab, sodass sie jederzeit wieder produziert werden könnten. "Das ist absolutes Basiswissen und von Studien der medizinischen Hochschule in Hannover längst belegt", erklärt der Experte. Bei einer Corona-Erstinfektion dauere es rund acht Tage, bis Antikörper gebildet seien. In dieser Zeit hätten sich die Viren so stark vermehrt, dass sie Symptome auslösten. Bei jeder weiteren Ansteckung würden indes die sogenannten Gedächtniszellen innerhalb von Stunden neue Antikörper bilden, die den Erreger sofort unschädlich machten. "Die Virenlast bleibt sehr gering. Damit ist auch eine Weitergabe des Virus praktisch ausgeschlossen."

Politik und ihre Berater sind "übervorsichtig"

Beleg für diese These? Strub: "Aktuell gehen wir in Deutschland von rund drei Millionen Genesenen aus. Bei sehr vielen liegt die Erkrankung schon sechs Monate oder länger zurück. Dennoch hören wir nichts von Reinfektionen." Der Ettenheimer verweist auf eine weltweite Statistik, in der alle Mehrfacherkrankten erfasst seien: "Es sind weniger als 100." Eine absolute Sicherheit gebe es nie, sagt Strub. Vor allem Menschen mit Immunschwäche könnten sich nach überstandener Infektion erneut anstecken, das gelte aber auch nach einer Impfung.

Die Politik und ihre Berater sind aus Sicht des 60-Jährigen "übervorsichtig". Er fordert, auf die sogenannte Schutzimpfung, zu der die Ständige Impfkommission für Genesene rät, zu verzichten: "Sie ist völlig überflüssig – man würde bis Ende des Jahres Millionen Impfdosen einsparen, die man anders einsetzen könnte und das Immunisieren deutlich beschleunigen würden."

Auch Strubs Blick in die Zukunft stimmt optimistisch, die Pandemie dauerhaft hinter uns zu lassen: »Wir brauchen so schnell keine weiteren Impfungen oder gar neuen Impfstoff. Im Gegensatz zur Grippe muss bei Corona nicht jährlich nachjustiert werden.« Der Influenza-Erreger bestehe je nach Gattung aus sieben oder acht verschiedenen Segmenten, die untereinander getauscht werden könnten. Dadurch würde er sich ständig wandeln, sodass er vom Immunsystem nicht mehr erkannt werde. »Beim Coronavirus besteht diese Möglichkeit durch Mutationen zwar auch«, sagt Strub. »Aber das würde deutlich länger dauern.« Die bislang bekannten Mutanten belegten diese Annahme.

Info

Wer die neuen Lockerungen genießt und was für diese Menschen ab sofort wieder erlaubt ist:

Wer? Menschen, die seit mindestens zwei Wochen vollständig geimpft sind oder seit mindestens 28 Tagen und maximal einem halben Jahr als genesen gelten. Der Nachweis erfolgt über den Impfpass beziehungsweise einen PCR-Test. 

Was? Geimpfte und Genesene dürfen sich mit beliebig vielen anderen Geimpften und Genesenen treffen. Bei Treffen mit Ungeimpften zählen sie nicht mit, wenn es um Kontaktbeschränkungen geht. Für sie besteht keine nächtliche Ausgangssperre mehr und sie werden mit Negativ-Getesteten gleichgestellt, etwa beim Friseurbesuch oder beim Termin-Einkauf. Masken- und Abstandspflicht gelten aber weiterhin.