Auch wenn das Verhalten der Mutter des Mannes "moralisch fragwürdig" sei, der Vorwurf der Beihilfe zum Erwerb und Besitz kinderpornografischer Schriften wurde nicht bestätigt. Die 76-Jährige wurde vom Amtsgericht freigesprochen. Foto: Deck

Vorwurf der Beihilfe nicht erhärtet. Tat steht in Zusammenhang mit Staufener Missbrauchsfall

Ettenheim - Eine Frau lässt ihren Sohn im Internet surfen, der dabei von ihr unbemerkt kinderpornografisches Material herunterlädt. Das sei zwar moralisch fragwürdig, aber nicht juristisch zu bewerten. Die Mutter wurde daher vom Vorwurf der Beihilfe freigesprochen.

Hat es eine 76 Jahre alte Frau ihrem erwachsenen Sohn bewusst ermöglicht, sich verbotenerweise kinderpornografische Bilder aus dem Internet herunterzuladen? Das war Gegenstand einer Verhandlung vor dem Ettenheimer Amtsgericht. Der Vorwurf lautete "Beihilfe zum Erwerb und Besitz kinderpornografischer Schriften". Die Angeklagte aus einer Umlandgemeinde hatte Einspruch gegen einen ergangenen Strafbefehl in dieser Sache eingelegt und wurde nun freigesprochen.

Die Vorgeschichte ist eindeutig. Vor neun Jahren war der heute 42-jährige Sohn der betagten Witwe verhaftet und wegen Vergewaltigung eines Kindes und Besitz kinderpornografischer Schriften später zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt worden. Nach deren Verbüßung war der Mann wieder in eine dort mittlerweile leerstehende Wohnung des Elternhauses gezogen. Dort wurde er voriges Jahr nach dem erneuten Versuch, Kontakte zu Knaben aufzunehmen, wieder verhaftet und die Wohnung durchsucht. Dabei wurden aus dem Netz heruntergeladene pornografische Kinderfotos sichergestellt.

Die hatte sich der mittlerweile verurteilte Mann (siehe Info) mit Hilfe eines von der Mutter zur Verfügung gestellten eigenen Computers samt Router besorgt. Gefunden wurden die Medien auf seinem Smartphone. Auch dieses hatte die Witwe ihrem Sohn besorgt und damit, so die Staatsanwältin, ihm Hilfe geleistet, damit er über das Internet an kinderpornografische Bilder herankomme. Die Frage, um die es vor Gericht ging, lautete dementsprechend: Hätte die Mutter es wissen oder ahnen können?

"Spezielle Neigungen" waren ihr bekannt

Vor Gericht gab sich die Witwe trotz Online-Shopping-Erfahrungen technisch völlig ahnungslos. Zwar habe sie durch die Medien mittlerweile von den speziellen Neigungen ihres homosexuellen Sohnes gewusst, sei jedoch davon ausgegangen, dass der künftig "so was nicht mehr tut, weil er nicht wieder ins Gefängnis will". Andererseits misstraute sie dem Sohn: "Der hat mich schon vielmals angelogen, dem glaube ich gar nichts!"

Während der Beweisaufnahme wurde deutlich, dass die Mutter die vorab nicht bemerkten sexuellen Neigungen ihres Sohnes samt Homosexualität später mit dem Ratschlag meinte heilen zu können, sich mal eine Frau zu suchen. Ob dieser Ignoranz staunte Richter Wolfram Wegmann: "Sie haben die Augen fest zugemacht: nichts hören, nachdenken oder wissen wollen!" Immerhin ginge es bei dem Sohn ja um erwiesenen sexuellen Missbrauch von Kindern.

Ihr Anwalt machte allerdings geltend, dass seine Mandantin schlicht nicht wahrhaben wollte, dass ihr Sohn trotz Führungsaufsicht und gescheitertem Kursprogramm häufig und gezielt Baggerseen besuchte. "Ich weiß nicht, ob er schwimmen kann. Er ist zum Liegen dahin gegangen", sagte sie dazu.

Entgegen dem Antrag der Staatsanwaltschaft auf eine Geldstrafe in Höhe von 1000 Euro in 50 Tagessätzen, sprach Richter Wegmann die Angeklagte vom Vorwurf der bewussten Beihilfe frei, samt vom Staat zu tragenden Gerichtskosten. In seiner mündlichen Urteilsbegründung verwies Wegmann allerdings auch auf die eingenommene "moralisch fragwürdige Position" der Angeklagten, die sie selbst zu verantworten habe. Das stünde jedoch juristisch nicht zur Debatte. Jedenfalls habe sie die Straftaten des Sohnes nicht feststellbar billigend in Kauf genommen, sei auch von der – zuvor mit zwei Zeugen vertretenen – Polizei nicht ausreichend über die Gefährlichkeit eines unkontrollierten Internetzuganges per Router für ihren Sohn aufgeklärt worden. Wegmann: "Sie haben sich sehr angestrengt, nichts zu bemerken!"

Info: Verbindung nach Staufen

Der Sohn, um dessen Mutter es im Ettenheimer Prozess ging, ist Beteiligter in dem aufsehenerregenden Verfahren rund um den Staufener Missbrauchsfall. Der 42-Jährige war vom Landgericht Freiburg im April zu einer Gesamtstrafe von zehn Jahren Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt worden. Er war laut Urteil einer der "Kunden", die sich an einem Jungen vergangenen hatte, der von seiner Mutter und deren Partner gegen Bezahlung im Darknet angeboten worden war.