Feiert morgen einen seltenen Geburtstag: Anton Hessemann. Foto: privat

Ettenheimer Anton Hessemann wird an Karfreitag 100. Als Stuckateur einen Namen gemacht.

Ettenheim - Er wollte bis zuletzt nicht so recht daran glauben. Nun aber steht unmittelbar bevor, was er zuletzt immer wieder als "Wunder" bezeichnete: Morgen, Karfreitag, wird Anton Hessemann aus Ettenheim 100 Jahre alt.

Hessemanns eigene Einschätzung, sich in "bester körperlicher und geistiger Verfassung" zu befinden, dürften all jene bestätigen, die ihn regelmäßig beim Bäcker oder Metzger treffen.

Am 19. April 1919 kam der Jubilar in Mahlberg zur Welt. Dort ging er bis zum 14. Lebensjahr in die Volksschule. Weil in der Armut der Nachkriegszeit Lehrstellen Mangelware waren, waren für den jungen Anton zunächst einmal "Landjahre" in Schuttern angesagt. Seinem Berufswunsch Gipser kam der Sohn eines Maurers in dem Augenblick näher, als er beim Maurer- und Gipsergeschäft Stier in Lahr eine Anstellung bekam. "Das war genau das Richtige für mich", sagt Hessemann noch heute. Vor allem die Kunst der Stuck-Verzierung faszinierte ihn und sollte für ihn später große Bedeutung gewinnen.

Doch zunächst kam der Zweite Weltkrieg. 1938 wurde er zum Reichsarbeitsdienst nach Deggendorf bei Passau einberufen. Es folgte der aktive Militärdienst. Schon vor Kriegsausbruch kam Hessemann in die Kaserne nach Bad Cannstatt, später ging’s nach Oberlahnstein. "Die Anzeichen für einen Krieg waren eindeutig", erinnert er sich.

Tür an Tür mit zwei Bürgermeistern

Im Mai 1940 ging’s mit einer Panzereinheit nach Frankreich. Dünkirchen, Calais, Le Havre, später Verdun, Reims, schließlich zurück zur Maginot-Linie. Als sein Glück sieht Hessemann noch heute seine schon damals geschätzten handwerklichen Fähigkeiten an. Sie bewahrten ihn vor dem Einzug in die 6. Armee, vor dem Russland-Feldzug. Er wurde bei La Rochelle am U-Boot-Hafen gebraucht, konnte den Führerschein machen. Später wurde er zur Partisanenbekämpfung nach Italien beordert, kam schließlich in Livorno in amerikanische Gefangenschaft.

Natürlich ist der Rückblick auf 100 Jahre stark geprägt von den Kriegsereignissen des jungen Anton, der nach der Heimkehr aus dem Krieg beim Ettenheimer Maurerbetrieb Angster seinen Berufsweg weitergehen konnte und nebenher in der Abendschule den Meisterbrief als Gipser und Stuckateur erwarb. Noch heute zeigt er ihn mit Stolz vor. "Von sechs Teilnehmern war ich der einzige, der die Prüfung geschafft hat."

Konsequent baute er an seiner Vision vom eigenen Gipser- und Stuckateurgeschäft. Seinen ersten Betrieb gründete er am 1. März 1951 in Ettenheimweiler, dem Heimatort seiner Frau Lina, geborene Weber. Im Mai 1946 hatten sie geheiratet, kurz nach der Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft. 1955 folgte der Bau des Doppelhauses samt Werkshallen in der Ettenheimer Bienlestraße, wo Hessemann heute noch wohnt. Lange Jahre war die eine Doppelhaushälfte Domizil der Ettenheimer Bürgermeister: erst Coenen, später König. 1956 verlagerte Hessemann seinen weithin bekannten Betrieb ebenfalls in die Bienlestraße.

"Ich habe vor keiner Arbeit zurückgeschreckt", ist Hessemann stolz auf viele herausfordernde Projekte, die er bearbeitete. Er nennt die katholische Kirche von Seelbach (1960) und weitere große Projekte in Staufen, Bad Krozingen oder Lahr, die er mit seinen Mitarbeitern (im Schnitt 15 Mann) bewerkstelligte. Bis 1982, als er seinen Betrieb seinem Schwiegersohn übergab.

Anton Hessemann, der sich auch nach dem bereits lange zurückliegenden Tod seiner Frau Lina noch weitestgehend selbst versorgt und noch bis ins vergangene Jahr seinen Garten selbst bestellt hat, wird im Kreis seiner Familie, drei Töchtern und einem Sohn, seinen Geburtstag feiern. Er ist dankbar für all das, versichert er. Deshalb habe er auch regelmäßig Lourdes besucht.

Formel 1 - auch in der Nacht

Anton Hessemann ist sportbegeistert: Fußball und vor allem die Formel 1 hatten und haben es ihm bis heute besonders angetan. "Es gibt keine Formel-1-Rennstrecke in ganz Europa, auf der ich nicht schon Rennen live gesehen habe." Und seine Töchter verraten, dass sich der nunmehr 100-Jährige auch heute noch kein einziges Rennen im Fernsehen entgehen lässt – auch dann nicht, wenn es mitten in der Nacht übertragen wird.