Stuttgart - Seit die Menschen Ackerbau und Viehzucht betreiben, gehört Erntedank zu einem der wichtigsten Feste im Jahr. Fast in allen Völkern, Kulturen und Religionen hat der Brauch eine uralte Tradition. Schließlich war sich der Mensch schon immer seiner Abhängigkeit von der Natur – und/oder von Gott – bewusst. So brachten Griechen, Römer und Ägypter in der Antike ihren Fruchtbarkeitsgöttern Opfer dar.

Die Kelten feierten im August das Kornfest und zur Tagundnachtgleiche im September das Weinfest. Die alten Germanen baten im August den Gott Thor um gutes Wetter, damit die Ernte nicht vernichtet wird. Ende September dankten sie den Göttern drei Tage lang für die Ernte. Unter anderem wurden Tiere geopfert, Bier gebraut – und die letzten Früchte am Baum als Opfergabe hängen gelassen.

Noch heute danken die Menschen weltweit für die Ernte. In Deutschland meist am ersten Oktober-Sonntag. Gefeiert wird unter anderem bei Umzügen. Viele Kirchen sind mit Erntekränzen und Feldfrüchten geschmückt. Auch in anderen Ländern sind Erntedank-Traditionen lebendig. Wie, erfahren Sie auf den folgenden Seiten.

USA

In fast aller Welt bekannt ist eine US-amerikanische Institution: Thanksgiving (auf Deutsch: Danksagung). Das Fest wird immer am vierten Donnerstag im November gefeiert. Familien kommen dabei zum traditionellen Truthahn-Essen zusammen. Der Tag erinnert an die Ernte der ersten Einwanderer in Neuengland im Jahr 1621. So wie die Siedler damals ihre Ernte mit indianischen Ureinwohnern geteilt haben sollen, wird heute Essen an Hilfsbedürftige verteilt.

Österreich und Schottland

In Österreich veranstalten einige Gemeinden Erntedank-Wallfahrten. Eine der bekanntesten führt stets am Samstag vor Erntedank vom bayerischen Reit im Winkl zur Wallfahrtskirche Maria Kirchental in St. Martin bei Lofer . In Schottland serviert man im Herbst die Erntesuppe Hotchpotch. Der Mischung aus Karotten, Blumenkohl, Wirsing und Bohnen sowie Lammfleisch wird eine heilende Wirkung nachgesagt.

China, Taiwan und Vietnam

In Asien wird Erntedank meist zusammen mit einem Mondfest zelebriert. So ehrt man in China, Taiwan und Vietnam am „15. Tag nach dem 8. Monat“ des Mondkalenders die Ahnen und bedankt sich für die Ernte. Zu diesen Festen kommen alle Familienmitglieder zusammen, betrachten den Mond und essen kleine Mondkuchen, die es in salzigen und süßen Varianten gibt. In Taiwan wird im Familienkreis und mit Nachbarn gegrillt. Zudem werden Pomelos verschenkt, denn die großen Zitrusfrüchte erinnern mit ihrer runden, prallen Form an den Vollmond.

Japan

In Japan gab es ein altes kaiserliches Erntedankfest – „niinamesai“ genannt, was in etwa „Kosten des neuen Reises“ bedeutet. Bei dem shintoistischen Ritual opferte der Kaiser den Göttern frisch geernteten Reis. Aus diesem Fest hat sich ein gesetzlicher Feiertag entwickelt, der am 23. November begangen wird und heute „Tag des Dankes für die Arbeit“ heißt. Landesweit wird an Shinto-Schreinen innegehalten und bei fröhlichen Nachbarschaftsfesten gefeiert.

Ghana und Nigeria, Mexiko und Barbados

In Ghana und Nigeria feiert man das Yams-Fest – nach dem Ende der Regenzeit im August bittet man dabei um den Erfolg der bevorstehenden Ernte des afrikanischen Grundnahrungsmittels Yams, einer Wurzel, deren Geschmack Esskastanien oder Kartoffeln ähnelt. In Oaxaca im Süden von Mexiko wird im Juli das Erntedank-Festival Guelaguetza gefeiert. Mit Musik und Tanz in traditionellen bunten Trachten wird dabei die Maisgöttin Centeotl geehrt. Und auf der Karibik-Insel Barbados feiern die Menschen ebenfalls im Juli das Ende der Zuckerrohr-Ernte mit Kostüm-Umzügen und viel Musik.

Judentum

Die jüdische Erntedankfeier ist das Laubhüttenfest Sukkot, das in den September oder Oktober fällt. Das Fest soll für die Ernte danken und an den Auszug aus Ägypten erinnern. Damals mussten die Israeliten während der Wüstenwanderung in Hütten aus Zweigen übernachten. Das symbolisieren heute die Laubhütten.

Islam

Der Islam kennt kein klassisches Erntedank. Doch der Fastenmonat Ramadan und das anschließende Ramadanfest sind mit der Grundidee vergleichbar: Durch Fasten, Beten und Lesen im Koran setzen sich Muslime in dieser Zeit mit der Schöpfung und der Gnade Gottes auseinander.

Hinduismus

Im Hinduismus feiern die Gläubigen Mitte Januar mit dem Fest Makar Sankranti die Wintersonnenwende und den Beginn der Erntezeit. Man lässt aus diesem Anlass etwa Drachen in den Himmel steigen.