Im "Café Löffel" gibt es Essens-Angebote für den kleinen Geldbeutel, allerdings nur zum Mitnehmen. (Archivfoto) Foto: Schubert

Zahl der Betroffenen steigt. Caritas und Co. fordern mehr Präsenzangebote für Menschen in Not.

Lahr - Menschen in prekären Lebenslagen leiden ganz besonders unter der Pandemie. Darauf machen Annedore Braun vom Diakonischen Werk, Katharina Beck vom Caritasverband und Hermann Gilsbach vom Paritätischen Verband in einem Pressegespräch aufmerksam. Gerade sozial schwache Menschen hätten keine oder nur eine kleine Lobby, die für sie in den Corona-Öffnungsverhandlungen eintritt.

Je länger die Corona-Krise dauere, desto schwieriger werde es, die individuellen Notlagen dieser Menschen zu beheben. Mentale und materielle Ressourcen seien aufgebraucht, Notlagen würden stets existenzieller und komplexer. Die Zahl der Ratsuchenden nehme zu. Besonders betroffen seien Alleinerziehende, Familien in beengten Wohnverhältnissen, Menschen mit Migrationshintergrund, psychisch Erkrankte und Risikopersonen.

Notlagen der Betroffenen eskalieren

Das Wegfallen leicht zugänglicher Präsenzangebote führe dazu, dass die Notlagen der Betroffenen über längere Zeiträume eskalieren. Bis Wohlfahrtsverbände oder Institutionen davon mitbekämen, hätten sich viele der Krisen bereits verfestigt. "Dadurch, dass Kontakte vermieden werden, fallen die Anlässe weg, diese Menschen proaktiv auf ihre schlechte Lage anzusprechen", sagt Beck.

Dazu komme, dass Behörden und Institutionen durch die coronabedingte Homeoffice-Situation oft nur eingeschränkt erreichbar seien. Einen Telefonanruf zu tätigen, Formulare aus dem Internet herunterzuladen oder eine E-Mail zu verfassen, sei für manche Menschen in prekären Lebenslagen bereits eine zu große Hürde. Viele dieser Anfragen landeten dann statt bei den Behörden oder Institutionen bei den Beratungsstellen der Wohlfahrtsverbände. "Es gibt einfach Menschen, die brauchen eine Person, der sie sich anvertrauen können", so Braun. Schriftverkehr per E-Mail zu führen, Anträge für Sozialleistungen auszufüllen oder sich am Telefon verständlich zu machen, sei nicht nur für Nichtmuttersprachler sehr schwierig, sondern auch für psychisch Erkrankte.

Um für die spezifischen Anliegen eine Klärung herbeizuführen, dauere es aktuell meist sehr viel länger als vor der Pandemie. Während sich auf der Seite der Hilfesuchenden die Notlagen verstärkten, zögen sich die Abläufe auf institutioneller Seite hin, seien aufwendiger und ihre Effizienz dadurch eingeschränkt.

Gefahr einer Ansteckung für ärmere Menschen größer

"Die Herausforderung ist derzeit, eine langfristige Perspektive für diese sich in persönlichen Krisen befindenden Menschen zu entwickeln. Aktuell geht es meist erstmal um die akute Existenzsicherung", erklärt Beck.

Die Wohlfahrtsverbände wünschen sich von Behörden, wie etwa dem Bürgerbüro oder auch dem Jobcenter, dass auch während der Pandemie einfache Zugänge für Bürger geschaffen werden. "Wenn man ins Bürgerbüro nur noch durch vorherige Anmeldung reinkommt, ist das schon eine fast unüberwindbare Hürde für die Menschen, die sich an uns wenden", sagt Beck. "Ich würde mir wünschen, dass auch andere wichtige Stellen kreativ werden, um Präsenzangebote zu ermöglichen. Wir haben zum Beispiel draußen auf der Terrasse mit FFP2-Maske beraten", gibt Beck zu verstehen.

Darüber hinaus sei für ärmere Menschen die Gefahr, sich mit dem Virus anzustecken, größer, da etwa FFP2-Masken teuer seien, so Gilsbach. Ein finanzieller Zuschlag sei daher für diese Personengruppen angemessen.