Mahlbergs Bürgermeister Dietmar Benz zeigt auf die vier Gleise, die zum Bahnhof Orschweier führen. Er fordert, diese beim Rheintalbahn-Ausbau nicht zu ertüchtigen, sondern stattdessen vier Gleise an die A 5 zu legen. Foto: Göpfert

Der Rheintalbahn-Ausbau ist für Bürgermeister Dietmar Benz "die Nagelprobe dafür, wie ernst es der Politik mit dem Klimaschutz ist". Seine Forderung: Vier Gleise an die A 5, damit auf der Bestandsstrecke keine Ertüchtigung nötig ist.

Mahlberg - Höhere Kapazitäten sowie eine kürzere Reisezeit dank Spitzengeschwindigkeiten von 250 Stundenkilometern und der Trennung von Personen- und Güterverkehr – das verspricht die Bahn ihren Kunden mit dem Neu- und Ausbau der Rheintalbahn zwischen Basel und Karlsruhe. Dafür wird die Strecke um zwei zusätzliche Gleise für den Güterverkehr erweitert, die parallel zur A5 verlegt werden sollen, wie der Bundestag 2016  beschlossen hat. Mahlbergs Bürgermeister Dietmar Benz fordert nun zusammen mit den Städten Herbolzheim und Kenzingen, zwei weitere ICE-Gleise dorthin zu verlegen. Im LZ-Gespräch erläutert der Rathauschef seine Gründe.

Wie ist die Ausgangslage am Bahnhof Orschweier?

Der Bahnhof Orschweier verfügt über vier Gleise, von denen die mittleren beiden im Nahverkehr in Betrieb sind. Nach den aktuellen Plänen sollen bis zum Jahr 2036 zwei weitere Gleise für den Güterverkehr an die Autobahn verlegt werden. Ist das abgeschlossen, sollen die beiden mittleren Gleise am Bahnhof Orschweier im Rahmen des Rheintalbahn-Ausbaus auf eine Geschwindigkeit von 250 Stundenkilometern ertüchtigt werden. Das bedeutet, dass diese komplett herausgerissen und neu verlegt werden sollen, wofür die Bahn fünf Jahre, von 2036 bis 2041, kalkuliert.

Was bedeutet das für den Bahnhof Orschweier?

Zum einen: fünf Jahre lang Schienenersatzverkehr, denn ein Zug kann während der Ertüchtigung dort nicht mehr fahren. "Und was das für die Pendler zwischen Offenburg und Freiburg bedeutet, fünf Jahre lang keinen leistungsfähigen Nahverkehr auf der Schiene zu  haben, das kann man sich ausrechnen, wenn man sieht, wie viele Personen in diesen Zügen stets drin sind", verdeutlicht Benz.

Nun kommt aber aus Benz’  Sicht noch ein zweiter Punkt hinzu: Das Thema Klima- und Mobilitätswende rücke in der Politik stärker in den Fokus. "Will man diese ernst nehmen, muss man auch den Ausbau der Rheintalbahn neu denken", erklärt Benz. Denn es würde bedeuten, mehr Verkehr, seien es Güter oder Reisende, auf die Schiene zu bringen.

Inwiefern verschärft die Mobilitätswende die Situation in Orschweier?

Die Strecke der Rheintalbahn hat ihre Kapazität bereits ausgereizt. Das heißt: Es ist nicht möglich, dort noch mehr Züge fahren zu lassen. Und: Für jeden zusätzlichen Halt an einem Bahnhof auf dieser Strecke, muss ein anderer gestrichen werden, um die Haltezeit wieder reinzuholen. Friesenheim erlebte dies etwa leidvoll mit der Streichung der 7.11-Uhr- und der 8.03-Uhr-Züge, die erst nach lautstarkem  Protest wieder rückgängig gemacht wurde. Auch Orschweier muss im neuen Fahrplan ab Dezember wieder Zugstreichungen hinnehmen. Das heißt: Für jeden Güterzug mehr oder für jeden zusätzlichen Halt im Personennahverkehr wird an einem kleinen Bahnhof wie Orschweier ein Halt gestrichen. Das Pendeln wird somit aber von den kleineren Bahnhöfen aus nicht attraktiver.

Was heißt das für den Umbau der Rheintalbahn?

Bis zum Ende des Rheintalbahnausbaus 2036  bis 2041 kann die Kapazität auf der Strecke ohnehin nicht erhöht werden. Verschärft wird die Situation noch durch die Elztalbahn und die Kaiserstuhlbahn, die von Freiburg aus auf die Strecke wollen: "Dadurch wird die Rheintalbahn-Strecke zum Flaschenhals für den Zugverkehr", erklärt Benz, "und das bleibt bis 2041 so".

Welche weiteren Befürchtungen gibt es?

Benz hat Sorge, dass trotz aktueller gegenteiliger Ankündigung der Bahn, auf der ertüchtigten Bestandsstrecke dann nicht nur der Personen-, sondern auch der Güterverkehr rollen wird. Denn der Druck auf die Strecke wird steigen. Ob das so kommt, wird am Ende nicht einmal die Bahn entscheiden, sondern die Bundesnetzagentur – ohne, dass die Gemeinde darauf Einfluss nehmen kann. Das Eisenbahnregulierungsgesetz lasse es zudem grundsätzlich zu, alle bestehenden Trassen zu nutzen.  "Und wenn es eine Strecke ist, mit der man Geld verdienen kann, dann werden die Belange der vom Lärm betroffenen Gemeinden wahrscheinlich nicht so hochwertig gesetzt wie das Interesse, Güterverkehr abzuwickeln", befürchtet Benz.

Was bedeutet das für den Schallschutz rund um Orschweier?

Bis Ende 2023 bekommen Mahlberg und Orschweier nach langem Kampf Schallschutzwände entlang der Strecke im Rahmen der Lärmsanierung (wir berichteten). Die Gemeinden entlang der Ausbaustrecke, für die neue Überholgleise gebaut werden, bekommen für diese einen Lärmschutz. Bei Orschweier sind diese Überholgleise aber schon vorhanden, sie würden also nicht neu verlegt, sondern nur ertüchtigt. Benz befürchtet somit, dass der Schallschutz ab 2023 kommen wird und 2041 wieder Geschichte ist. Denn aus Bahn-Sicht würde sich an der Strecke nichts ändern, es wären wie zuvor vier Gleise.

Was fordert Mahlberg in Sachen Rheintalbahn-Ausbau?

Mahlberg, aber auch Herbolzheim und Kenzingen, fordern, alle vier Gleise an die A5 zu verlegen – sprich dort soll es in Zukunft zwei Gleise für den Güterverkehr und zwei Gleise für den ICE geben. Die Gleise am Bahnhof Orschweier sollen hingegen unberührt gelassen werden. Über diese sollte dann wie bisher auch der Schienenpersonennahverkehr laufen und das ginge ab 2036 mit einer besseren Vertaktung.

Welche Vorteile hat das?

Die Kapazität der Strecke würde erheblich erhöht und das Ausbluten der kleineren Bahnhöfe verhindert werden. Aber es hätte noch einen anderen positiven Nebeneffekt: Die Ertüchtigung der Gleise am Bahnhof Orschweier – und der anderen Bahnhöfe auf der Strecke – wäre nicht mehr nötig, folglich könnte der Bahn-Nahverkehr ganz normal weiterlaufen – ohne fünf Jahre Schienenersatzverkehr. Der Ausbau der Rheintalbahn wäre somit fünf Jahre früher als geplant, nämlich 2036, beendet.

Wo liegt bei Mahlbergs Lösung das Problem?

Zum einen im Platz. Die aktuelle Führung der Autobahn mit ihrer geplanten fünften und sechsten Fahrspur lässt nicht viel Platz für ein drittes und viertes Gleis.

Dazu kommt noch ein weiteres Problem: Die Bahn darf bei ihrem Ausbau keine Bevorratungsplanung machen. Doch: "Wenn man ernst machen will mit dem Klimaschutz, darf man nicht warten, bis der Bedarf da ist, sondern muss jetzt die Kapazitäten schaffen, damit man den später generieren kann", so Benz Zudem würden den aktuellen Planungen Zahlen für 2030 zugrunde liegen. "Man rechnet also zum einen mit Zahlen, die vor dem Thema Klimakatastrophe entstanden sind zum anderen mit Zahlen, welche nicht einmal die Realität abbilden, bis man überhaupt 2036 oder 2041 mit der Sache starten kann."

Wie hoch sind die Chancen auf Erfolg?

Das hänge laut Benz von der Politik, sprich davon ab, wie ernst es der neuen Bundesregierung mit dem Thema Klimaschutz, Mobilitäts- und Verkehrswende sei. Der Rheintalbahn-Ausbau sei dafür die Nagelprobe. "Wenn wir im Nahverkehr keine Verbesserung mit einer guten, zuverlässigen Taktung hinbekommen, werden die Menschen weiterhin das Auto nutzen." Immerhin, so Benz: "In der neuen, geplanten Ampel-Koalition gibt es die Bestrebungen, die Infrastruktur vom Netz zu trennen. Und wenn das Netz in den Händen des Bundes wäre, sehe ich eine große Chance, dass es eine politische Entscheidung geben könnte."

Herbolzheim, Kenzingen und Mahlberg haben für den Rheintalbahnausbau gemeinsam die Anwaltskanzlei "W2K" aus Freiburg beauftragt, zunächst die Bedenken und Anregungen der Gemeinden beim Regierungspräsidium Freiburg zu vertreten. Dieses ist die offizielle Anhörungsbehörde, auch wenn letztendlich nicht diese, sondern das Eisenbahnbundesamt entscheidet.