Joachim Götz, der Leiter des Lahrer Kreisimpfzentrums, mit den Krankenschwestern Christiane Böcherer (links) und Ariane Flamm. Foto: Hamsch

Leiter des Lahrer Impfzentrums spricht über seine Arbeit und Beschimpfungen durch radikale Gegner.

Lahr - Den Piks zum Schutz vor Corona kann man sich montags bis sonntags von 14 bis 19 Uhr im Kreisimpfzentrum in der Lahrer Rheintalhalle holen – ohne vorherige Anmeldung. Für einen reibungslosen Ablauf sorgt ein engagiertes Team um Joachim Götz, der Leiter der Einrichtung. Unsere Redaktion hat mit dem Mediziner über seine Arbeit als Standortverantwortlicher sowie die Zukunft des Impfzentrums gesprochen – und welche Schattenseiten seine Arbeit als Impfarzt hat.

Herr Götz, wie viele Menschen haben sich zuletzt im Lahrer Impfzentrum immunisieren lassen?

In der letzten Woche haben sich knapp 500 Personen immunisieren lassen. Es ist tageweise völlig unterschiedlich. Wir stellen allerdings fest, dass es prinzipiell überall weniger werden. Dies sehen wir auch in den Impfzentren in Offenburg, Oberkirch und Haslach. Was allerdings zunimmt, sind die Kinderimpfungen. Ich hatte schon Tage, an denen waren alleine schon 30 Kinder da.

Sie könnten wesentlich mehr Menschen immunisieren, oder?

Ja, selbst mit dem reduzierten Personal, so wie es jetzt ist, könnten wir täglich locker die dreifache Anzahl an Personen impfen. Wir sind zwei Impfärzte und ein Schichtleiter in Lahr. Also insgesamt sind drei Ärzte vor Ort. In Offenburg sind sogar drei Impfärzte und ein Schichtleiter. In Oberkirch und Haslach ist jeweils ein Impfarzt und ein Schichtleiter.

Weshalb ist Ihnen dieses Engagement so wichtig?

Ich bin der Meinung, dass wir impfen müssen, um aus dieser Pandemie rauszukommen. Je geringer die Impfquote, desto höher ist die Gefahr vor neuen Mutationen, die uns Sorgen bereiten. Als sogenannter Ruheständler hat man Zeit, sich zu engagieren.

Wie sehen Ihre Aufgaben im Impfzentrum aus?

Als Leiter kümmere ich mich um den organisatorischen Ablauf. Zum Beispiel habe ich spezielle Fragestellungen zu klären: Welcher Impfstoff wird wann, zu welchem Zeitpunkt an wen verimpft? Seit der Vorwoche hat man beim Impfstoff die freie Auswahl. Wir verimpfen Biontech und Moderna. Auch die über 30-Jährigen können jetzt bei Wunsch Biontech bekommen. Als Schichtleiter führt man auch die Kinderimpfungen durch und macht dazu das entsprechende Aufklärungsgespräch. Unter jeden Schichtleitern gibt es einen Standortverantwortlichen und das bin momentan ich.

Sie haben angesprochen, dass Sie Kinder impfen. Wie läuft das?

Kinder zwischen fünf bis elf Jahren bekommen den Impfstoff von Biontech mit niedrigerer Dosis als bei Erwachsenen. Sie ist Ein Drittel weniger. Ab zwölf Jahren erhalten sie dann die Erwachsenen-Dosierung. Für die Kinder haben wir eine spezielle Impfkabine. Wir nehmen ihnen spielerisch die Angst. Die Kinder kommen rein in die Kabine und dürfen dann ihr Autogramm auf die Wand schreiben.

Ist es schwieriger, Kinder zu impfen?

In den allermeisten Fällen läuft es ohne Probleme ab. Es ist wirklich selten, dass ein Kind weinen muss. Wir lenken sie durch Gespräche ab. Den Schulanfängern stellen wir beispielsweise gerne eine Rechenaufgabe. Wenn ein Kind allerdings massive Angst hat, wird es nicht unter Zwang geimpft. Dann brechen wir ab.

Beim öffentlichen Bürgergespräch auf dem Lahrer Rathausplatz haben Sie Einblicke in die Schattenseiten Ihrer Tätigkeit als Impfarzt gegeben – nämlich wüste Beschimpfungen durch Impfgegner. Wo hört bei Ihnen erlaubte Kritik auf?

Alles, was mit Beleidigung zu tun hat, da hört es auf. Ich wurde von einem Impfgegner mit einem Kriegsverbrecher gleichgesetzt – und diese Anschuldigung trifft nicht nur mich, sondern auch meine Kollegen; es ist einfach unglaublich. Ich habe Anzeige gegen diese Person erhoben. Wobei man sagen muss, hier im Impfzentrum ist es sehr selten zu Beleidigungen von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen gekommen.

Was erwidern Sie einem Impfgegner, der argumentiert, dass der Impfstoff nicht ausgereift sei?

Es gibt keinen besser dokumentierten Impfstoff, als den mRNA-Impfstoff. Die Diskussion, die man hört, dass Frauen unfruchtbar werden, ist völlig an den Haaren herbeigezogen. Genauso die Aussage, dass man in wenigen Monaten nach der Impfung sterben wird. Das sind Behauptungen aus der Impfgegner-szene. Man muss alles in Relation sehen. Der Schaden durch die Erkrankung ist sicherlich höher als durch die Impfung.

Was denken Sie über die mögliche Einführung einer allgemeinen Impfpflicht?

Je länger die Diskussion jetzt geht, desto geringer wird die Bereitschaft der Bevölkerung sein, die Impfpflicht zu akzeptieren. Wenn man sich einen Zeitplan vorstellt, wie es der Gesundheitsminister vorgestellt hat, dann wird es bis zur Impfpflicht noch vier bis fünf Monate dauern. Man würde dann nicht mehr wegen der Omikron-Welle impfen, sondern um den Druck von einer neuen Mutation zu nehmen. Ich glaube, dass irgendeine Impfpflicht kommt. Aber ich glaube auch, dass ein großer Teil der Impfverweigerer, sich dann auch einer Impfpflicht widersetzen wird. Es bleibt abzuwarten, ob der ab März kommende Impfstoff Novavax die Impfquote etwas anhebt. Aber die mRNAs sind genauso Totimpfstoffe wie Novavax. Nur eben unter andern biochemischen Bedingungen.

Wie lange wollen Sie noch Leiter als des Lahrer Kreisimpfzentrums weitermachen?

Das Kreisimpfzentrum ist gesichert bis Ende März. Die Entscheidung des Landes, wie die Impfzentren weitergeführt werden, wird wohl erst Mitte März entschieden. Ich persönlich würde es begrüßen, dass man die Impfzentren nicht so abrupt schließt wie im letzten Jahr. Dass man zum Beispiel die beiden größeren Impfzentren an wenigen Tagen der Woche mit reduzierten Stunden öffnet. Die Einrichtung sollte immer noch existent sein, damit sie dann, wenn man sie benötigt, schnell wieder hochfahren kann. Wenn die Impfpflicht kommt, wäre es sinnvoll, dass mindestens zwei Impfzentren erhalten werden, um die Kapazitäten angleichen zu können.

Heißt das, dass Sie mit der Schließung des Lahrer Impfzentrums im Herbst nicht einverstanden waren?

In den ersten beiden Augustwochen waren viele Menschen mit Migrationshintergrund da. Diese hatten gewartet, bis man ohne Termin kommen kann. Dann hatte man am 15. August das Impfzentrum in Lahr geschlossen. Diese Entscheidung vom Land stehe ich kritisch. Ich glaube, wir haben viele Impfwillige dadurch verloren. Vielen war auch nicht klar, wohin sie zur Erst- oder Zweitimpfung gehen sollen. Viele haben auch keinen Hausarzt und keine Transportmöglichkeit. Ich hoffe, dass es sich nicht wiederholt und dass zumindest bis Herbst eine gewisse Struktur erhalten bleibt.  

Impfung ohne Anmeldung

Der Ortenaukreis betreibt seit dem 17. Dezember 2021 vier Kreisimpfzentren (KIZ). An den Standorten Offenburg, Lahr, Oberkirch und Haslach kann man sich täglich von 14 bis 19 Uhr ohne vorherige Terminvereinbarung impfen lassen. Die Kreisimpfzentren sollen bis Ende März gesichert sein. Der ehemalige HNO-Arzt Joachim Götz spricht sich als Leiter des Lahrer Impfzentrums für eine Verlängerung der Impfzentren aus.