Die Visualisierung zeigt, wie sich die Planer den neuen Gesundheitsstandort vorstellen. Er soll an der Ecke Turmstraße/Zollamtsstraße gebaut werden, direkt an der Rückseite des Polizeireviers. Foto: Visualisierung: Link3D & Echomar/Müller & Huber

Medizin : In der Turmstraße ist ein Gesundheitszentrum geplant / Entwurf umstritten

Lahr - In einer denkwürdigen Sitzung hat der Gemeinderat dem geplanten Ärztehaus in der Turmstraße die grundsätzliche Zustimmung vorerst verweigert. Architekt Matthias Stippich teilt mit, dass sich die noch offenen Fragen gemeinsam lösen ließen.

Fünf bis neun Arztpraxen – je nach Größe – sollen in dem Facharztzentrum entstehen, für das die Verwaltung ein unbebautes Grundstück hinter dem Polizeirevier ausgesucht hat. Es gehört der Stadt, außerdem wäre dort kein neuer Bebauungsplan nötig. So ließe sich das Ärztehaus vergleichsweise zügig bauen – doch der Gemeinderat trat auf die Bremse.

Das sagt der Gemeinderat: Die Beschlussvorlage hatte vorgesehen, dass der Rat das Konzept für das Ärztehaus billigt und die Verwaltung damit beauftragt, die nächsten Schritte zu seiner Umsetzung und zur Gründung einer Projektgesellschaft voranzubringen. Sprich, das Gremium sollte das Projekt aufs Gleis stellen, damit es Fahrt aufnehmen kann. Doch es kam dann anders, laut 16:10-Beschluss wurde das Konzept lediglich "zur Kenntnis genommen" und den Planern aufgetragen, den Entwurf nachzubessern oder zu konkretisieren. Dabei geht es, wie berichtet, um Fragen zur Zahl der vorgesehenen Parkplätze, um die Zufahrt, die (Um-)Planung der recht großen Eingangstreppe und Ausgleichsmaßnahmen für die Bäume, die dem Neubau weichen müssten.

Das sagt der Investor: Projektentwickler ist das Gießener Unternehmen Ideenwelt Gesundheitsmarkt GmbH (IWG), das noch am Montagabend eine Stellungnahme verschickte. Eine Analyse habe ergeben, dass in Lahr eine "moderne Gesundheitsimmobilie" gebraucht werde. Die Studie zeige, dass die Versorgung mit Hausärzten und Fachärzten in der Stadt allein schon wegen der bevorstehenden Ruhestandswelle bei Ärzten in Gefahr geraten werde. Erschwerend komme hinzu, dass die meisten Praxen in Räumen untergebracht seien, "die kaum Chancen auf eine erfolgreiche Praxisnachbesetzung bieten".

Das sagt der Architekt: Die in Detailfragen bei Teilen des Gemeinderats umstrittene Grobplanung stammt von Matthias Stippich vom Architekturbüro Müller & Huber/Echomar aus Oberkirch. Der Entwurf sei zum jetzigen Zeitpunkt ein Diskussionsbeitrag, so Stippich. Er lasse viele Fragen noch offen – etwa nach der Zufahrt, den Stellplätzen, den Grünräumen und dem Praxismix. "Es ist aber enorm wichtig, ein Projekt dieser Komplexität gemeinsam zu entwickeln. Nur im Dialog können die vielen unterschiedlichen Anforderungen zusammengebracht werden", erklärt der Architekt laut einer Mitteilung. Er plane ein Gebäude, "das sich in Länge und Höhe an den existierenden Baukörpern orientiert". Es bilde eine schmale Stirnseite aus, die es elegant und leicht wirken lasse, "das Volumen befindet sich in der Mitte und bleibt den Fußgängerperspektiven verborgen". Im Untergeschoss und eventuell in Teilen des Erdgeschosses sollen 20 bis 40 Stellplätze für das Personal und die Patienten untergebracht werden. Vorgesehen seien bis zu neun Praxen (oder sonstige Flächen zur ärztlichen Versorgung) auf einer Mietfläche von bis 2100 Quadratmetern. "Das Gebäude wird ein einladendes und offenes Haus, ein Vorplatz mit Sitzstufen zur Zollamtsstraße lädt zum Aufenthalt ein und unterstreicht den urbanen Innenstadtcharakter der Bebauung", verspricht der Architekt.

Das sagt der Bürgermeister: Auch Markus Ibert stimmte am Montagabend im Gemeinderat für die bloße Kenntnisnahme des Konzepts – statt es grundsätzlich zu billigen, wie es die Vorlage vorgesehen hatte. Dieses überraschende Abstimmungsverhalten erklärte der Rathauschef tags darauf: Er habe eine "Kampfabstimmung", die nur knapp für das Ärztehaus ausgeht, verhindern wollen. Denn es sei wichtig, dass das Projekt im Gemeinderat auf eine breite Basis gestellt werde. Nun könnten noch offene Fragen geklärt und die Planungen nachgebessert werden. Anschließend werde das Thema bald wieder im Gemeinderat behandelt – damit dann ein Grundsatzbeschluss gefasst werden kann, den möglichst alle Mitglieder mittragen. Er selbst sei ein großer Befürworter des Projekts. "Auch solche Einrichtungen tragen zur Attraktivität einer Innenstadt bei", verdeutlichte der OB, der das geplante Ärztehaus als "Frequenzbringer" bezeichnete. Die Stadt sei bereit, der IWG das Grundstück zu überlassen, sei es per Verkauf oder Erbpacht.

Das sagen die Ärzte: Unsere Redaktion konnte nicht mit den Medizinern sprechen, die in das geplante Ärztehaus einziehen wollen, ihre Namen werden vom Projektentwickler IWG natürlich nicht weitergegeben. Der Investor teilt allerdings mit, dass bereits viele niedergelassene Mediziner ihr Interesse an einem Facharztzentrum in Lahr geäußert hätten. Sie würden sich moderne und auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Räume wünschen.

Kommentar von Herbert Schabel: 

Wenn Praxen zu klein sind

Eine wichtige Frage wird wohl bis vor der Eröffnung des Ärztehauses unbeantwortet bleiben: Wer zieht dort ein? Werden es Mediziner sein, die eine ganz neue Praxis eröffnen oder solche, die sich lediglich örtlich verändern, also eine bestehende Praxis verlegen? Der zweite Fall ist realistischer. Denn eine Arztpraxis neu zu gründen ist nur noch eingeschränkt möglich und meist nur in Gebieten, in denen nach Ansicht der gesetzlichen Krankenkassen eine Unterversorgung besteht. Was bedeutet das für das in Lahr geplante Gesundheitszentrum? Aus einzelnen Wortmeldungen im Gemeinderat klang heraus, dass das Ärztehaus doch weniger wichtig sei, wenn nur bestehende Praxen dorthin verlegt würden. Schließlich würde das medizinische Angebot in der Stadt ja dann insgesamt gleich bleiben. Doch selbst unter diesen Voraussetzungen wäre der neue Gesundheitsstandort ein Segen für die Stadt. Denn die meisten Arztpraxen in Lahr sind in früheren Wohnungen untergebracht, entsprechend beengt geht es in ihnen zu. Bei einzelnen Fachärzten müssen die Patienten sogar auf dem Gang vor der Praxis Schlange stehen, weil drinnen der Platz nicht reicht. Eine Situation, die sich durch die Abstandsgebote in der Pandemie noch verschärft hat. Patientenfreundlichkeit sieht anders aus. Deshalb sollte man über jeden Mediziner froh sein, der sich durch einen Umzug ins geplante Ärztehaus räumlich verbessern will.