Vor allem ältere Menschen werden auch in der Ortenau immer wieder Opfer perfider Telefonbetrüger. Die Täter setzen sie so lange unter Druck, bis sie Geld und Wertgegenstände übergeben. Foto: Polizei

Enkeltrick und Schockanrufe – mit hinterhältigen Methoden versuchen Betrüger auch in der Ortenau verstärkt an das Geld ihrer Opfer zu kommen. 1000 Fälle hat die Polizei seit Jahresbeginn registriert – bei nur zwei gab es Verhaftungen.

Ortenau - Eine alleinlebende 86-Jährige erhält auf ihrem Telefon einen Anruf: Am anderen Ende der Leitung ist eine weinende Männerstimme zu hören: "Hallo Oma, ich bin’s! Ich hatte einen Unfall und brauch’ deine Hilfe!" Ein weiterer Mann übernimmt, er stellt sich als Polizist vor. Ihr Enkel habe eine 19-jährige Radfahrerin bei einem Autounfall getötet, sei nun festgenommen und könne gegen eine Kaution die U-Haft verlassen – diese werde aber sofort fällig, setzt er die Frau unter Druck. In Panik folgt die 86-Jährige den Anweisungen des vermeintlichen Beamten, hebt 84 000 Euro ab und übergibt sie an einen Kurier. Erst später wird ihr im Gespräch mit ihrer Schwiegertochter klar, dass sie einer Betrügerbande aufgesessen ist.

"Auf die Art und Weise spielen die Fälle sich alle ab", kommentierte Ermittlerin Nadine Bandleon beim Pressegespräch zum Thema "Schockanrufe" den von ihr vorgetragenen Fall. Das Polizeipräsidium Offenburg hatte eingeladen, um am Donnerstag über die gängigsten Maschen zu informieren. Denn in den vergangenen Monaten kam es in der Region immer wieder zu regelrechten Tatserien.

Täter manipulieren Opfer sehr geschickt

Ob Enkeltrick, Schockanrufe oder der falsche Polizeibeamte – den Angerufenen wird vorgeschwindelt ein naher Verwandter sei in Not und brauche dringend Geld oder es gebe Hinweise darauf, dass es Einbrecher auf ihre Wohnung abgesehen haben. Stets manipulieren die Täter ihre Opfer so lange, bis diese Geld oder Wertgegenstände herausrücken. Sie gingen dabei psychologisch äußerst geschickt vor, betont Raoul Hackenjos, Leiter der Kriminalpolizei Offenburg. "Es ist perfide, weil hier mit den Ur-Ängsten der Opfer gespielt wird."

Das Phänomen nimmt seit 2017 zu: "Wir haben dieses Jahr 830 Anrufe im Bereich Enkeltrick/Falscher Polizeibeamter erfasst", berichtete Jürgen Kern, Leiter der zuständigen Kriminalinspektion. In 13 Fällen seien die Täter erfolgreich gewesen. Die Erfolgsquote liegt also bei weniger als zwei Prozent. "Die Masse macht’s", ergänzte Bandleon. In der Regel erbeuten sie so zwischen 20 000 bis 50 000 Euro pro geglücktem Betrug.

Call-Center sitzen im Ausland

An die Täter ist nur schwer ranzukommen: "Die Straftaten werden von professionell organisierten Banden begangen. Sie sitzen meist im Ausland", so Kern. Aus Call-Centern – häufig in Polen oder der Türkei – rufen Menschen an, die sehr gut Deutsch sprechen und perfekt geschult sind. Dabei werden deutsche Nummern vorgetäuscht. Bei Erfolg werde ein sogenannter Logistiker beauftragt, die Abholung des Geldes oder der Wertsachen zu veranlassen, das übernehme dann ein sogenannter Abholer, erläuterte Kern. Die Banden agierten hoch professionell und arbeitsteilig, betonte Hackenjos. Das Risiko für die Hintermänner ist dabei gering.

Seit Jahresbeginn ist zunehmend eine neue Masche angesagt. Über den Nachrichtendienst Whatsapp werden die Opfer von unbekannten Nummern angeschrieben. Die Betrüger geben sich als nahe Verwandte aus, die ein neues Handy haben – und bitten um eine dringende Überweisung, die sie gerade nicht selber ausführen könnten. 270 Versuche dieser Art registrierte das Polizeipräsidium bisher, 50 von ihnen waren von Erfolg gekrönt – im Schnitt entstand ein Schaden in Höhe von 2000 Euro.

Bei mehr als 1000 Fällen gab es zwei Verhaftungen

Insgesamt gab es im laufenden Jahr mehr als 1000 Meldungen in dem Deliktbereich. "Die Dunkelziffer ist mit Sicherheit deutlich höher", erläuterte Bandleon. Würden Täter erkannt, drohten diese den Opfern häufig, um sie mundtot zu machen, weiß Kripo-Leiter Hackenjos. Die meist älteren Betroffenen seien oft nicht nur geschockt, sondern psychisch auch schwer mitgenommen. "Viele Opfer denken: Das kann jedem passieren aber nicht mir. Hinterher stellt sich dann eine große Scham ein", erläuterte Hackenjos.

Die Chancen einen Täter zu erwischen sind gering. Den insgesamt mehr als 1000 Fällen seit Jahresbeginn steht im Präsidiumsbereich keine einzige Verhaftung gegenüber. In zwei Fällen war es jedoch gelungen, nachträglich "Abholer" zu identifizieren, die woanders festgenommen wurden. Das Polizeipräsidium gibt den Kampf jedoch nicht verloren. Seit Februar 2020 kümmert sich die Ermittlungsgruppe "Telefon" um die Fälle, zudem setzt das Präsidium auf Prävention und Aufklärung. "Unser Ziel ist immer vor die Lage zu kommen", betont Kripo-Leiter Hackenjos.