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Deborah Reinbold von der Zeller Keramik Manufaktur ist Bundessiegerin.

Wolfach - Es ist eine langwierige Arbeit, doch sie macht ihr Spaß. Deborah Reinbold sitzt an ihrer Werkbank und schabt mit einem Messer den Gipshenkel ab. Er wird einmal den Griff einer Tasse bilden, aber erst muss die 22-Jährige den Rohstoff in die richtige Form bringen. Wenn sie sich bis zu den groben Bleistift-Linien vorgearbeitet hat, kann sie mit dem Schleifpapier den Feinschliff beginnen.

Reinbold, gebürtige Schwarzwälderin, ist in St. Georgen aufgewachsen und arbeitet nun im Kinzigtal bei der Zeller Keramik Manufaktur, einer Schwesterfirma der Wolfacher Dorotheenhütte. Die Manufaktur ist vor allem für ihren "Hahn und Henne"-Frühstücksdekor bekannt und exportiert weltweit.

Reinhold hat dort ihre Ausbildung zur Industriekeramikerin Modelltechnik absolviert. Und das mit Erfolg: Am 5. Dezember wurde die Kinzigtälerin als Bundesbeste 2016 im staatlich anerkannten Ausbildungsberuf vom Verein Deutscher Industrie- und Handelskammertag ausgezeichnet. Dessen Präsident Eric Schweitzer überreichte ihr in Berlin eine Urkunde und ihren Pokal. Im Rahmen dieser Festivität wurden insgesamt 212 Absolventen aus verschiedenen Disziplinen des Handwerks geehrt.

Schon zuvor hatte sich Reinbold mit ihrer Gesamtnote von 1,3 am 18. November als Kreisbeste und am 24. November als Landesbeste qualifiziert. Dabei wurden ihre theoretische und praktische Abschlussprüfung miteinander verrechnet und mit den Ergebnissen anderer Auszubildender verglichen.

Überrascht ist Reinbold schon, dass sie ausgezeichnet wurde: "Mit dem Bundessieg hatte ich nicht gerechnet", gibt die Kinzigtälerin zu, gefreut habe sie sich aber natürlich sehr. Auch ihre Eltern seien stolz. Reinbolds Vater ist Automechaniker und ihre Mutter Lehrerin. Beide hätten schon immer gewusst, so die 22-Jährige, dass die Berufswahl ihrer Tochter im handwerklichen Bereich erfolgen werde.

Nach dem Abitur war Reinbold aber alles andere als entschlossen. Sie entschied sich erst einmal für ein Freiwilliges Soziales Jahr in der Nähe von Karlsruhe.

Berufswunsch als Kind: Tierärztin werden

Die 22-Jährige mit dem langen braunen Haare und der eckigen Brille ist nicht die Person, die sich Hals über Kopf in ein Studium stürzt, über dessen Sinnhaftigkeit sie sich zuvor nicht im Klaren ist. Die Absolventin mit dem sympathischen Lächeln und der bescheidenen Art wollte erst einmal sehen, was ihr gefällt und Geld verdienen. In ihrer Kindheit hegte sie den Wunsch, Tierärztin zu werden, absolvierte ein Praktikum, merkte aber schnell, dass das nichts für sie ist. Auch beim Radio hatte sie als Schülerin reingeschnuppert und war hier ebenfalls noch nicht angekommen.

Also zuerst ein Freiwilliges Soziales Jahr im Schloss Unteröwisheim nahe Karlsruhe. In der dortigen Holzwerkstatt sägte Reinhold Holzfiguren aus und probierte sich erstmals praktisch im Handwerk. Danach stand ihr Entschluss fest: Sie bewarb sie sich 2014 bei der Zeller Keramik Manufaktur im Kinzigtal.

Ihr Chef Jürgen Roth, der dort seit 27 Jahren Produktionsleiter ist, unterzog Reinhold damals einer anstrengenden Testwoche. Er wollte wissen, ob sie für eine Ausbildung geeignet war. Reinhold musste unter anderem Gips mit einer Säge und einem Hobel bearbeiten und neben ihrem handwerklichen Geschick auch ihr räumliches Vorstellungsvermögen beim Zeichnen und Konstruieren beweisen – dem Kernstück ihrer heutigen Tätigkeit beweisen. Roth erinnert sich: "Ich wollte sehen, wie Deborah mit dem Werkzeug und den Rohstoffen umgeht, ob sie Angst vor Dreck hat und ob sie technisches Verständnis mitbringt." Die junge Frau überzeugte und wurde eingestellt.

Nun ist Roth nicht nur stolz, sondern auch unsicher, ob der Betrieb die übernommene 22-jährige Facharbeiterin langfristig halten kann, denn Bundessieger aus dem Handwerk sind gefragte Mangelware auf dem Arbeitsmarkt. Reinhold könnte zum Beispiel in die Automobilindustrie wechseln oder sich der Design-Branche zuwenden. "Es ist ein Beruf, bei dem man nie auslernt", sagt Roth, der wie Reinbold seine berufliche Laufbahn als Modelleur begonnen hat.

Reinhold musste bei der Zeller Keramik Manufaktur – einem 30-Mann-Betrieb, der handgemachte Ware im Schwarzwald produziert – alle Stationen durchlaufen. Die Kinzigtälerin ist ein Stück weit Generalist und kennt die Firma von A bis Z. Die 22-Jährige fungiert dabei als Kopf und "durchführende Hand" zugleich: Sie entwirft Modelle für Geschirr und hat die Prozesse bis zum fertigen Produkt erlebt.

Bei ihrer praktischen Abschlussprüfung musste die 22-Jährige eine raffinierte Zuckerdose mit einem komplizierten Dekor anfertigen.

Arbeit verlangt der 22-Jährigen Ausdauer ab

Gerade die Arbeit am Gipshenkel habe ihr enorme Ausdauer abverlangt. In der 200 Jahre alten Manufaktur wird, seitdem der Geschäftsführer Ralf Müller von der Dorotheenhütte Wolfach den Betrieb übernommen hat, das Keramikgeschirr nur noch mit historischen Maschinen angefertigt, was viel Handarbeit erfordert. Die Formen werden von Hand gegossen und die Skizzen nicht mit der Maus am Computer, sondern auf Millimeter-Papier mit Bleistift am Schreibtisch entworfen.

Von 7 bis 16 Uhr arbeitet Reinbold unter der Woche. Es sei auch schon vorgekommen, dass sie einen ganzen Tag damit verbracht hat, ein Gipsstück in die richtige Arbeitsform zu bringen, bevor der Ton in einem Negativmodell gegossen wurde und das Tongeschirr entstehen konnte, erzählt sie. Die fragilen Gipshenkel können rasch abbrechen oder zu stark eingeschnitten werden. Anfangs sei es öfters vorgekommen, dass sie frustriert gewesen sei, weil sie ständig von vorn anfangen musste. "Aber das passiert immer noch, selbst wenn man ausgelernt hat. Das gehört eben dazu", betont die 22-Jährige gelassen. Mit der Zeit habe sie gelernt, wie vorsichtig die Materialien angefasst werden müssten.

Neues Projekt: ein wärmender Suppenteller

Reinbold beherrscht als Modelleurin vielfältige Aufgaben. Sie hat schon von Teekannen, Eierbechern, Tassen bis hin zu Tellern alles mögliche von der Zeichnung bis zum fertigen Produkt begleitet. Gerade arbeitet die 22-Jährige an einem neuen Projekt: einem Suppenteller, der die Speise warm halten soll.

Das ist eine spannende Herausforderung für Reinbold, die mit sorgfältigen Bleistiftstrichen die Umrisse bereits zu Papier gebracht hat. 31 Zentimeter ist der maßstabsgetreue Entwurf lang und 5,2 Zentimeter hoch. Der Boden des Objekts besteht aus einem Hohlraum, in den 200 Milliliter Flüssigkeit passen. Dieser soll bei heißen Speisen die Wärme länger speichern. Das 3D-Bild, das sie vom Teller im Kopf hatte, ist auf Papier festgehalten, doch bis die Skizze umgesetzt wird, muss der Auftraggeber aus dem Gastronomie-Bereich noch sein Einverständnis geben.

Reinholds Skizzen liegen ihm schon vor, bei Bedarf kann das Probestück dann in Ton gegossen, auf dem Drehtisch geformt, im Ofen gebrannt und anschließend glasiert und bemalt werden. Die 22-Jährige ist schon gespannt, ob sei den Auftrag ausführen darf. Aber bis dahin muss sie sich wie immer, erst einmal in Geduld üben.      Melanie Steitz