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Sommerserie, 19 Uhr: Yoga im Vitalcenter in Wolfach

Ist das der schlafende Hund? Oder ein fressender Otter? Ich fühle mich eher wie der sterbende Schwan. Auf dem Rücken liegend drücke ich meine Arme gegen die angewinkelten Knie. Meine Bauchmuskeln zittern, jede Schweißpore arbeitet. "15 Sekunden halten." Kursleiter Steven Erath fängt an, herunterzuzählen. Es kommt mir wie eine Ewigkeit bis er die Null erreicht hat. Kollektives Aufatmen. Auch für die anderen scheinen die Übungen kein Spaziergang zu sein. Das erleichtert mich.

Als ich mich gegen kurz vor 19 Uhr auf den Weg zum Yoga-Kurs im Vitalcenter in Wolfach gemacht hatte, hatte ich mich schon – verbissen schwitzend und mit hochrotem Kopf – zwischen biegsamen, lächelnden jungen Damen unter 25 Jahren gesehen, die sich über mich und meine Laternenpfahl-Beweglichkeit amüsieren . Doch als ich den Trainingsraum betrete, finde ich mich in einer bunt gemischten Gruppe wieder. Die jüngste Teilnehmerin ist zwischen 16 und 18 Jahre alt, die älteste Ende 40. Da gerade Sommerferien sind, sind wir nur zu sechst. "Normalerweise nehmen an dem Kurs zwischen zwölf und 14 Personen teil. Darunter sind auch immer ein paar Männer", erklärt Steven Erath, der sich als "Gesundheitsbeauftragter" vorstellt. "Das ist eine recht neue Berufsbezeichnung in der Fitnessbranche", sagt er. Aber sie stellt in den Vordergrund, worum es ihm geht. Denn auch wenn "Trainer zu zehn Prozent Sadisten sind", wie er augenzwinkernd zugibt, ginge es ihm nicht darum, Leute zu schinden, sondern um die therapeutische Begleitung und Lösung von gesundheitlichen Problemen. "Meine Motivation ist es, den Leuten zu helfen", betont er.

Vielleicht ist das der Grund, warum die Atmosphäre im Trainingsraum so entspannt ist. Alle begrüßen mich sehr freundlich. Die junge Frau, die ihre Matte neben meine legt, erzählt mir, dass sie heute erst das zweite Mal dabei ist. Also bin ich wenigstens nicht die einzige Anfängerin.

Als Steven Erath die ersten Übungen vorführt, stelle ich sogar fest, dass das Erfahrungsniveau sehr unterschiedlich ist. Während einige zum Beispiel kein Problem haben, auf einem Bein auf Zehenspitzen und mit ausgebreiteten Armen das Gleichgewicht für mehrere Sekunden zu halten, rudern andere – wie ich – mit den Armen. Und wir schwitzen alle. Ich bin erstaunt, dass die Bewegungsabfolgen, obwohl sie eigentlich recht einfach aussehen, so viel Kraft benötigen. Als Erath sich auf die Seite legt, sich am Ellbogen hochstemmt und dann ein Bein und einen Arm hochreckt, sieht es mühelos aus. Doch als wir es versuchen, stöhnt und ächzt es aus fast allen Ecken. "Es ist immer wieder lustig, dass man gerade von den Jüngeren so viel Gemotze hört", kommentiert Erath grinsend, während er von Matte zu Matte läuft, die Haltung korrigiert und Tipps gibt. "Durch die Nase ein- und durch den Mund ausatmen. Und lächeln!", rät er mir und tatsächlich: Es hilft. Die Muskeln protestieren nicht mehr ganz so sehr und es fällt leichter, die Position zu halten. Nach mehreren Übungen und nachdem jede Muskelgruppe mindestens einmal gefordert wurde, folgt zum Schluss noch ein Entspannungsteil. Wenigstens musste ich mir keine merkwürdigen Tiernamen für die Bewegungsabfolgen merken. Wie Steven Erath mir später erklärt, läuft der Kurs im Kalender des Vital-Centers zwar unter "Yoga", doch eigentlich handele es sich eher um "Faszientraining und Beweglichkeitstherapie mit Kräftigung auf Basis von Yoga", wie Erath beschreibt. Es gebe aber noch keinen passenden, kurzen Namen für den Kurs. So oder so: Ich bin körperlich ausgepowert, fühle mich aber dennoch wach und frisch – und das nach einem langen Arbeitstag und einem anstrengendem Training.

"Der Großteil unseren jüngeren Kunden kommt eher am Abend", erzählt Steven Erath. "Die älteren sind am Morgen und Vormittag hier." Und mit "älter" meint er nicht Männer und Frauen ab 30 Jahren. "Unser ältestes Mitglied ist über 80 Jahre alt und kommt regelmäßig zur Wirbelsäulengymnastik. Wir haben hier eigentlich jede Altersgruppe", sagt der 26-Jährige. Fitness verbinde die unterschiedlichsten Menschen, "alt und jung, dick und dünn. Da gibt es einfach eine wahnsinnige Community, auch weltweit", meint Erath. Er selbst habe als Backpacker schon Kurse in Uruguay, Argentinien, Indonesien und Mexico gegeben "und dabei immer dieses Gemeinschaftsgefühl erfahren", berichtet er.

Zwar gebe es bei vielen anfangs eine Hemmschwelle, sich in ein Fitnessstudio zu begeben. Aber auf dem Land laufe vieles via Mund-zu-Mund-Propaganda. "Wenn einer erzählt, dass er jetzt hierher kommt und es ihm gefällt, trauen sich viele aus seiner Umgebung irgendwann auch", so Erath.

Generell seien die Menschen im Kinzigtal recht fit und sportlich vielseitig interessiert. "Es gibt hier viele Radsportler und Triathleten, aber die Landschaft bietet sich auch dafür an", meint Steven Erath.                Charlotte Reinhard