"Seine Heiligkeit", der Dalai Lama Foto: Roessler

Vortrag: Dalai Lama spricht in Straßburg vor Schülern / Entschlossenheit und Mitgefühl seien gefragt

Der Dalai Lama ist derzeit zu Besuch in Straßburg. Bei einem seiner Vorträge hat er am Donnerstag im Kongresspalast zu 900 Schülern gesprochen und dabei keinen Zweifel gelassen: "Niemand kann die Vergangenheit ändern – aber die Zukunft."

Straßburg. "Seine Heiligkeit", so die formelle Bezeichnung des 14. Dalai Lama Tenzin Gyatso, brachte es nüchtern und profan auf den Punkt: "Wir, die Generation des 20. Jahrhunderts, haben eine Menge Probleme geschaffen. Und ihr, die Generation des 21. Jahrhunderts, seid nun an der Reihe, sie zu lösen."

Der Dalai Lama sprach im Kongresspalast zu 900 Schülern zwischen 13 und 18 Jahren von 65 Hauptschulen und Gymnasien, mehrheitlich aus Straßburg, aber auch aus anderen Teilen des Elsass. Auch 900 Bürger, die sich im Internet um ein kostenloses Ticket bewerben konnten, waren bei der Begegnung dabei, die die Stadt Straßburg angeregt hatte. Unter den Schülern waren sechs ausgewählt worden, um "seiner Heiligkeit" eine Frage zu stellen. Alle sechs engagieren sich in sozialen und humanitären Projekten wie in einer Initiative gegen Diskriminierung.

Der Dalai Lama ließ in seiner Rede keinen Zweifel: Niemand könne die Vergangenheit ändern – aber die Zukunft. Im 20. Jahrhundert habe es zu viel Gewalt gegeben. Die Gegenwart werde von Angst und Hass dominiert. Gebete würden da nicht helfen, es sei notwendig zu handeln. Es seien Entschlossenheit, Willenskraft, Klugheit und Mitgefühl gefragt. Das 21. Jahrhundert müsse ein Jahrhundert des Dialogs werden. "Ihr habt die Verantwortung, ihr seid unsere Hoffnung", sagte der tibetische Mönch.

Noch am Vormittag hatte er im Europarat am Rande eines kurzen Begrüßungsbesuchs für sich selbst ein eher pessimistisches Bild gezeichnet: "Ich bin jetzt 81 Jahre alt, ich erwarte nicht, in meiner Lebenszeit eine glücklichere Menschheit zu erleben." Zudem beklagte er dort das Bildungssystem, das ein materialistisches Denken fördere. Die moralischen Standards müssten bei der Erziehung als Vorbereitung auf das Leben mit anderen mehr in den Vordergrund gerückt werden.

Die von den Schülern gestellten Fragen haben "seiner Heiligkeit" dann gezeigt, dass die Jugend besorgt, aber auch gewillt ist, über Probleme zu sprechen und nachzudenken. Wird Europa weniger tolerant? Und was sind die Gründe dafür? Wie ist die Flüchtlingswelle der Jugendlichen nach Europa zu sehen? Wie kann man von Instabilität zu Stabilität finden? Wie ist der Anstieg der Gewalt in der Welt zu sehen? Wie kann der Gewalt gewaltfrei begegnet werden? Alle Fragen zeugten von Sorgen – und der Dalai Lama antwortete auf alle mit Zuversicht. Der Tenor seiner Antworten: Er stellte immer wieder fest, dass engstirnige und egoistische Sichtweisen zu Problemen führten. Die Vielfalt in der Welt und unter den Menschen sei aber zu erkennen. Ein Leben ohne Furcht und Hass sei mit einem Dialog möglich. Dazu sei es notwendig zu lernen, alles aus verschiedenen Blickwinkeln zu sehen. Auch zitierte er ein buddhistisches Sprichwort, das bei vielen Problemen helfen könne: "Neun Mal zu versagen, heißt neun Mal wieder anzufangen."

Und immer wieder kam er auf eines zurück: Im 21. Jahrhundert müsse das aufgeräumt werden, was im 20. Jahrhundert angehäuft worden sei. "Da hilft nicht beten, da hilft nur handeln", betont der Buddhist mehrfach in den anderthalb Stunden, in denen er Auge in Auge mit jener Generation zusammen war, die dies umsetzen soll.