Eine enorme Bandbreite deckte der Musikverein unter der Leitung von Christian Sade ab. Foto: Baublies

Dirigent Christian Sade bietet einmal mehr ein unkonventionelles Programm

Wo liegen die Grenzen zwischen Gut und Böse? Das zehnte Blasical des Seelbacher Musikvereins ist dieser Frage am Samstagabend im Bürgerhaus auf eine sehr amüsante Art und Weise auf den Grund gegangen.

Seelbach. Die Aufführung im bis zum letzten Platz besetzen Bürgerhaus steckte voller Überraschungen. Christian Sade, Dirigent und Autor der Blasicals, knüpfte mit der zehnten Wiederkehr thematisch an das erste Konzert der Reihe an. Reisende kehren aus der Unendlichkeit des Alls zurück und finden unsere Welt im Argen. "Jenseits von Gut und Böse" ist eine Schrift des Philosophen Friedrich Nietzsche, der damit gängige Moralvorstellungen im Jahr 1886 hinterfragte. Im Blasical verkehren sich Gut und Böse also schlicht ins Gegenteil.

Prinzessin Leila (Verena Brüstle) will das menschliche Leben von der Erde tilgen, "damit in 100 Jahren hier alles wieder Natur ist". Ihr Bruder Luke Skywalker (Marco Jörger) und Annakin Skywalker alias Darth Vader (Wim Cannie) müssen sich zur Not einig werden und mithilfe ihrer Lichtschwerter gemeinsam die böse Leila an der ruchlosen Tat hindern. Ob das am Ende gelungen ist? Die Frage wollte das Blasical sicher nicht beantworten. Es reichte vollkommen, sie zu stellen.

Erstaunlich ist neben dem Theater – wie in allen Jahren zuvor auch – aber die Entwicklung der musikalischen Beiträge gewesen. Paul Dukas, ein Komponist am Anfang der Moderne, hatte vor Jahren die Seelbacher zu einer rein musikalischen sogar atonalen Höchstleistung beflügelt. Daher war die "Fanfare pour prédéder La Péri" von Dukas in diesem Jahr "nur" eine gut inszenierte Ouvertüre. Das zweite Stück "The Imperial March" ist Teil der "Star-Wars Saga". Der Hausmeister der Halle – ein gewisser "Dorf Vader", wie er sich dem Bürgermeister Thomas Schäfer bei der Bewerbung vorgestellt hatte – warf da die Perücke und die Maskerade ab. Das Talent Cannies kam wunderbar zur Geltung. Die eiserne Lunge und die groteske Fratze waren hier das Böse in Reinkultur.

Ein erster musikalischer Höhepunkt war "Cantaloop" von Herbie Hancock und das Trompetensolo von Heiko Leppert. Den Übergang bis zum "Kaiserwalzer" von Johann Strauß nutzten Vater und Sohn Skywalker, um die vermeintlichen Fronten zwischen Gut und Böse abzustecken. Als Leila ungebeten auf die Bühne stürmte, sah sich Dieter Faißt, der Vorsitzende des Vereins, gezwungen, die Vorstellung erst ab- und dann zu unterbrechen – "bis sich die Wogen geglättet haben". Es folgte die "Nocturne" aus Felix Mendelssohns-Bartholdys "Sommernachtstraum" oder der "Earl of Oxfords March" von 1580. Die Darbietungen mit sechs Hörnern wurden durch zwei Alphörner ergänzt.

Der "Athletic Festival March" von Sergej Prokofjiev setzte erneut Maßstäbe. Der Höhepunkt der musikalischen Darbietung waren aber "Benny Goodmann Memories" und die Soloklarinette von Johannes Gruber. Das Orchester stieg mit Swing ein. Das erste gute Solo wurde sofort vom Orchester aufgenommen und grandios zerfetzt und verrissen. Das Spiel des Solisten und des Ensembles gegen-, mit- und vermeintlich sogar durcheinander war nicht mehr zu überbieten.

Wenn vom musikalischen Anspruch her nach den "Memories" keine Steigerung mehr möglich war, dann heißt das noch lange nicht, dass das Blasical auch zu Ende war. Die "Krone der Schöpfung" ist ein Abgesang von Udo Jürgens auf den "angeblichen Fortschritt der Evolution". Stattdessen schrie und tobe der Sänger Thomas Fehrenbach am Ende erfolgreich gegen das Orchester an.


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