Den Blick immer in die Zukunft gerichtet, auf das, was kommt: Der Schwanauer Unternehmer Martin Herrenknecht wird am Samstag 75 Jahre alt. Ans Aufhören denkt er noch lange nicht. Dafür treibt er viel zu gern neue Projekte voran. Foto: Herrenknecht Foto: Lahrer Zeitung

Der Schwanauer "Tunnelbau-König" Martin Herrenknecht wird am Samstag 75 Jahre alt

Der Schwanauer Unternehmer Martin Herrenknecht feiert am Samstag seinen 75. Geburtstag. Mit unserer Zeitung sprach er übers Älterwerden und die Zukunft seiner Firma.

Schwanau. Trotz vollem Kalender hat Martin Herrenknecht ein Interview möglich gemacht. Im Besprechungsraum empfängt er den Besucher. Hemdsärmelig, gut gelaunt – und wie immer muss es zackig gehen. Noch bevor
er Platz genommen hat, ruft er über den Tisch: »Fang an, damit ich bald an den Baggersee zum Schwimmen kann!«

Herr Herrenknecht, Sie werden am Samstag 75. Wie fühlen Sie sich?

Mit geht es gut, ich bin gut drauf.

Wie halten Sie sich körperlich fit?

Ich habe einen persönlichen Fitnesstrainer, da trainiere ich, wenn es möglich ist, jede Woche zwei Stunden. Und im Sommer gehe ich jede Woche zweimal Schwimmen, wenn ich hier bin.

Am liebsten am Baggersee in Nonnenweier?

Ja, da kostet es kein Geld (lacht). In Schwimmbädern bekommt man ständig im Becken ein paar drauf und hat dauernd Hände in den Augen. Außerdem habe ich Chlor nicht so gern.

Und wenn Sie in der Welt unterwegs sind?

Da habe ich immer meine Badehose im Gepäck. Und Turnschuhe fürs Fitnesscenter.

Was ist mit 75 anders als mit 50 oder 60?

Man denkt, man ist ein bisschen weiser, weil man immer noch dazulernen kann. Man muss flexibel sein in der heutigen Zeit. In dieser hektischen Welt von heute kommt einem diese Weisheit dann doch zugute. Man macht die Arbeit ruhiger, mit Erfahrung. Andere schneiden mit 75 im Garten gemächlich Rosen, Sie jetten hingegen seit Jahrzehnten nonstop rund um den Globus.

Warum tun Sie sich das an?

Vor allem, um meine Kunden zu treffen und die junge Generation einzuführen. Um strategische Wege einzuleiten, zu überlegen, was für die Zukunft vernünftig ist. Und wenn es irgendwo kracht, muss man auch raus und hingehen. Da hilft nichts.

Belastet Sie das Reisen mit zunehmendem Alter?

Ich war in den vergangenen Tagen und Wochen in Baku, Los Angeles, San Diego, Moskau, Oslo und Bern. Da braucht man dann schon einen halben oder auch mal ganzen Tag, um wieder richtig anzukommen. Aber früher hab’ ich auch einen halben Tag gebraucht. Das ist Gewohnheitssache.

Wie viele Stunden arbeiten Sie pro Woche?

Die zähle ich nicht.

Bleibt da noch genügend Zeit für die Familie, für Privates?

Das ist kein Problem.

Dieses Umtriebige, dieses ständige Mitmischen, Dabeisein, Entscheiden: Ist das Ihr Benzin?

Ja, das ist mein Antrieb.

Sie sind einer der erfolgreichsten deutschen Unternehmer. Auszeichnungen stapeln sich bei Ihnen. Über welche haben Sie sich ammeisten gefreut?

Der Werner-von-Siemens-Ring war schon eine hohe Auszeichnung. Oder der Lifetime-Achievement-Award der »International Tunnelling Association «. Und das Bundesverdienstkreuz, das ich bekam, obwohl ich ein kritischer Typ bin. Und als CDU-Mann gute Männer der SPD unterstütze: Schröder, Steinmeier und Gabriel.

Ein kleines Ingenieurbüro zum Weltunternehmen zu machen, die beste Firma im Tunnelbau. Wäre so eine Erfolgsgeschichte heute noch machbar?

Schwierig. Wegen der Banken, die Start-ups sehr kritisch beobachten. Wir waren ja auch fast zweimal pleite. Ich habe das damals nicht gemerkt, aber mein Kaufmann. Dann hat die Sparkasse geholfen, und so lernte ich das Bankenwesen kennen. Großbanken waren in der Anfangsphase teils nicht so hilfreich. Heute hat sich das gewandelt, sie sind konstruktiver. Es ist schon schwierig, ein Unternehmen so hochzutreiben, wenn man am Anfang jedes Jahr den Umsatz verdoppelt, um das Eigenkapital zusammenzubekommen. Das war vielleicht ein bisschen der Fehler, dass ich zu viel Gewinn ins Unternehmen gesteckt und nichts für mich zurückgelegt habe.

Da freut sich der Staat.

Ja, das ist nun mit der Erbschaftssteuer schlecht. Man wird ja vom Staat bestraft, wenn man eine solche Firma aufbaut. Da wird es aber Korrekturen geben. Ich prognostiziere, dass die Erbschaftssteuer in zwei Jahren noch mal neu auf den Tisch kommt.

Was raten Sie Ihren jungen Mitarbeitern? Was ist im Beruf das Wichtigste?

Ich sage manchmal Lehrlingen, die anfangen, dass sie sich anstrengen sollen, denn ich gehe bald in Rente, und dann können sie Generaldirektor werden – wenn sie sich anstrengen (lacht). Man muss Ziele haben und seine Fähigkeiten nutzen können. Ich glaube, dass die praktisch Veranlagten langfristig bei der Bezahlung bessergestellt sein werden. Es fehlt ja überall an Fachkräften.

Gibt es etwas, was Sie stresst?

Wenn eine Baustelle schwierig läuft. Aber mit dem Alter werde ich ruhiger. Früher hätte ich vielleicht geschrien oder getobt. Aber das hat die Lage ja nicht verändert. Heute nehme ich solche Herausforderungen viel besser an.

Ans Aufhören in der Firma denken Sie mit 75 nicht?

Ich habe zu Hause keine Rosen, darin bin ich eine Flasche. Was soll ich zu Hause sitzen und zuschauen, was dort passiert?

Zuletzt erklärten Sie, nur Sie selbst würden entscheiden, wann Sie bei der Herrenknecht AG das Ruder aus der Hand geben werden. Dabei bleibt es?

Ja!

Ihr Nachfolger soll Ihr Sohn Martin-Devid werden?

Meinem Sohn gebe ich die Chance, in eine Schlüsselposition zu gelangen. Wer die Firma führt, das wird im Vorstand und Aufsichtsrat entschieden. Der Vorstand ist gut aufgestellt, mit jungen Leuten, die das sehr gut machen. Meinen Sohn unterstütze ich auch, weil ein Familienunternehmer etwa bei Verkaufsgesprächen immer Vorteile für das Unternehmen bringt.

Ihr Ziel ist es, die Firma in Familienhand zu halten, auch mit der vor kurzem gegründeten Stiftung?

Ja, unbedingt, die Voraussetzungen dazu sind gegeben. Das Unternehmen könnte, sagten Sie, von heute auf morgen auch ohne Sie weitergeführt werden.

Aber ist Herrenknecht ohne Martin Herrenknecht überhaupt denkbar?

Ja, die Weichen sind gestellt mit guten Köpfen an den entscheidenden Stellen. Das geht auch ohne mich. Ein Unternehmen in dieser Dimension ist ohnehin nicht mehr im Hauruck-Verfahren zu führen, wie wir es am Anfang gemacht haben. Das verändert sich mit der Größe.

Was sind die größten Herausforderungen für Ihr Unternehmen in den kommenden Jahren?

Die Technik zu pushen. Und die Konkurrenz aus China abzuwehren. Es wird in den nächsten zwei Jahren einen Preiskampf mit den Chinesen geben.

Und Amerika?

Wir haben dieses Jahr in Amerika gut verkauft. Wenn Trump darauf besteht, dass die Maschinen in Amerika gefertigt werden, werden sie 30 Prozent teurer. Ob die Kunden und er das wollen, kann ich nicht sagen, aber es könnte schon sein, dass er da großen Einfluss nimmt.

Wo würden Sie noch gerne große Tunnels bauen?

Südkorea, Vietnam, Indonesien, die Philippinen und Südamerika werden interessante Märkte.

Und in der Ortenau?

Die hat ja mit ihrem Tunnel in Offenburg ein großes Projekt vor sich. Aber bis die Naturschützer das freigeben, dauert es noch 15 Jahre. Anderswo auf der Welt wird einfach losgebuddelt, wenn ein Tunnel sinnvoll ist. Hier in Deutschland dauert das oft endlos.

Nervt Sie das nicht?

Die Planungsvorschriften müssen gravierend verändert werden. In den neuen Bundesländern hat man das gemacht, mit beschleunigten Verfahren. Das brauchen wir auch im Westen. Sonst ist das Land nicht mehr zu lenken. Es wird nur noch diskutiert, und unzählige Expertisen werden eingeholt. Jeder möchte seine Kröten und seltene Pflanzen schützen.

Zum 70. Geburtstag gab es eine große Feier mit Stargästen. Zum 75. und zum 40. Ihrer Firma feiern Sie am Wochenende im Familienrahmen?

Ja.

Dann zum 80. wieder eine große Sause?

Natürlich!

Fragen von Jörg Braun

INFO

Der Chef und seine Firma

> Martin Herrenknecht ist gebürtiger Lahrer. Er stammt aus einer Handwerksfamilie, absolvierte die mittlere Reife und studierte in Konstanz. Als Ingenieur machte er sich vor 40 Jahren selbstständig. Er ist mit der Kolumbianerin Paulina Ariza Suarez verheiratet. Das Paar hat drei Kinder.

> Die Herrenknecht AG in Schwanau-Allmannsweier beschäftigt weltweit rund 5000 Mitarbeiter. Sie gilt als Weltmarktführer beim Tunnelbau. Größtes Projekt war der Gotthard-Basistunnel in der Schweiz mit zwei  57-Kilometer-Röhren. Noch länger soll der Brennertunnel werden.