Verschiedene Porträts von Ludwig Frank (von links): in seinen Jugendjahren, als Erwachsener und wie ihn der Maler Lovis Corinth sah Foto: Lahrer Zeitung

Am 3. September ist der 100. Todestag des SPD-Politikers aus Nonnenweier / Vortrag im Heimathaus

Nonnenweier. Zum 100. Todestag am 3 September gedenkt Nonnenweier seines berühmtesten Sohnes: Ludwig Frank. Er war ein Wortführer der badischen Sozialdemokraten und Mitglied des Reichstags. Beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs meldete er sich freiwillig für den Dienst an der Waffe. Nur kurz darauf starb er im Alter von 40 Jahren an der Front.

Der Förderverein ehemalige Synagoge Kippenheim gestaltet gemeinsam mit der SPD Ortenau am Mittwoch, 3. September, ab 19 Uhr im Heimathaus Nonnenweier eine Gedenkfeier. Der Lahrer Stadtrat und Autor Walter Caroli berichtet dort über das tragische Schicksal von Ludwig Frank. Die "Lahrer Zeitung" hat sich mit Caroli über die bekannte Persönlichkeit aus dem Ried unterhalten.

Ludwig Frank lag die deutsch-französische Verständigung am Herzen. Gleichzeitig entschied er sich beim Eintritt des Deutschen Reichs in den Ersten Weltkrieg, sich als Soldat in "Reih und Glied" einzuordnen. Taugt Ludwig Frank auch heute noch als Vorbild?

Ja, es ist ein Phänomen, dass einer, der eigentlich solch pazifistische Neigungen hat wie Frank, in den Krieg zieht. Genau auf diese Ambivalenz werde ich in meinem Vortrag im Heimathaus eingehen. Eine richtige Erklärung wurde dafür aber bis heute nicht gefunden. Eine Interpretation wäre etwa, dass er als Angehöriger des jüdischen Glaubens beweisen wollte, dass er ein guter Deutscher ist. Um auf die Frage zurückzukommen: Ein Vorbild ist Frank auf jeden Fall wegen seines Engagements, den gesellschaftlichen Status der Arbeitnehmerschaft zu verbessern. Seine Entscheidung, in den Krieg zu ziehen, ist heute sicherlich schwer zu verstehen. Darüber möchte ich mir kein Urteil erlauben.

Was würden Sie als Ludwig Franks größte Leistung bewerten?

Er war ein Vorreiter der Sozialdemokratie und hat Ideen vorweggenommen, auf welche die SPD sich erst 1959 im Godesberger Programm geeinigt hat. Dazu gehörte, sich zu öffnen und sich mit demokratischen Mitteln in die Gesellschaft einzubringen.

Nicht nur in der Frage nach Krieg oder Frieden war Franks Haltung sehr ambivalent. Auch in der Politik ist er manchmal schwer zu fassen. Wegen seiner realpolitischen, sehr praktischen Einstellung hatte er vor allem im linken Flügel der SPD starke Gegner. Auf der anderen Seite konnte er als Sozialdemokrat die Reichspolitik nie wirklich mitgestalten. Ludwig Frank hat es sich nicht leicht gemacht oder?

Auf der einen Seite würde man Frank heute von seinen politischen Überzeugungen her als links einordnen. So forderte er den Generalstreik als Mittel, um die Abschaffung des preußischen Dreiklassen-Wahlrechts zu erreichen. Auf der anderen Seite vertrat er einen politischen Stil, den die norddeutschen Genossen den süddeutschen damals verübelten: In Baden hatte die SPD kein Problem damit, mit bürgerlichen Parteien gemeinsam zu stimmen, etwa, als es darum ging, acht Schuljahre für Mädchen zu ermöglichen.

Viele seiner Forderungen sind heute Wirklichkeit. Ein großes Anliegen war, wie Sie schon andeuteten, die Abschaffung des Dreiklassen-Wahlrechts in Preußen. War Frank ein Visionär?

Keine Frage, er war seiner Zeit voraus. Er war vor allem ein reformorientierter Pragmatiker, der die Sozialdemokratie und eine Gesellschaft vorausdachte, wie sie damals noch nicht existierte. Wäre er nicht gefallen, hätte er höchstwahrscheinlich eine glänzende Karriere vor sich gehabt, schließlich war er auch ein hervorragender Redner. Aber leider ist es müßig, darüber zu spekulieren. Denken Sie nur daran, wie sich Deutschland weiterentwickelte. Zwei Geschwister von Ludwig Frank sind im Konzentrationslager Auschwitz umgekommen.

Einen Großteil seines Lebens und seiner Karriere hat Frank in Mannheim als Rechtsanwalt verbracht. 1904 wurde er in die Mannheimer Bürgerschaft gewählt, 1905 in den Badischen Landtag, nach der Wahl 1907 zog er als Abgeordneter in den Reichstag ein. Blieb er seinem Heimatort Nonnenweier und der Nachbarstadt Lahr, wo er das Gymnasium besucht hatte, verbunden?

Er war ja nicht ganz so schnell in Mannheim. Nach dem Abitur hat er zunächst in Freiburg Jura studiert und danach auch dort promoviert. Als Schüler am Lahrer Gymnasium ermöglichten ihm seine Eltern, in Dinglingen in der Sonnengasse ein Zimmer zu bewohnen. So musste er nicht von Nonnenweier aus pendeln. Zu seiner Schulzeit trat er in den Lessing-Verein ein und wurde stark von dem Mietersheimer Unterlehrer Emil Hauth und und dem Lithografen Paul Engert geprägt. Vor allem Letzterer brachte Frank mit sozialistischen Ideen in Berührung. Über das Verhältnis zu seiner Familie weiß man nicht allzu viel, aber die Eltern hatten wohl ihre Schwierigkeiten damit, dass ihr Sohn sozialdemokratischer Politiker war. Das fand Frank bedauerlich. In seinem Wesen blieb er immer ein Vertreter des Rieds, er war nicht überkandidelt oder hat etwa seine Herkunft verleugnet. Das hat ihm Sympathien über die politischen Lager hinaus eingebracht.

War Frank praktizierender Jude und eckte er deshalb an? Hatte er eventuell sogar mit antisemitischen Vorurteilen zu kämpfen?

Die intellektuellen Juden waren zu dieser Zeit nicht unbedingt sehr religiös, aber Frank bekannte sich zum jüdischen Glauben. Damals lebten weit über 200 Juden in Nonnenweier. Ich denke nicht, dass Frank mit konkreter Diskriminierung zu kämpfen hatte, wohl aber den latenten Antisemitismus der Gesellschaft zu spüren bekam.

Von den 394 Abgeordneten des Deutschen Reichstags sind im Ersten Weltkrieg nur zwei gefallen. Einer von ihnen war der jüdische Sozialdemokrat Ludwig Frank. Wurde diese Besonderheit in der Öffentlichkeit honoriert?

Sicherlich mehr, als er es gewollt hätte. Er wurde zu einem nationalen Vorbild stilisiert. Franks Absicht war aber eigentlich, den Krieg zu überleben, denn er hoffte, dass die Sozialdemokratie daraus gestärkt hervorgehen würde und er am Aufbau einer neuen, besseren Gesellschaft mitwirken könnte.

Können Sie Menschen, die sich für Ludwig Franks Leben interessieren, eine bestimmte Publikation empfehlen?

Wer sich eingehender mit Frank beschäftigen will, dem kann ich Karl Otto Watzingers Buch ans Herz legen: "Ludwig Frank – Ein deutscher Politiker jüdischer Herkunft".

Die Fragen stellte Florian Würth