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Bei einer Kundgebung von Atomkraftgegnern ist es zu Handgreiflichkeiten gekommen

Von Ariane Fries

Wie schnell Emotionen hochkochen können, hat sich bei der Anti-Atom-Demonstration gestern auf der Brücke Schwanau/Erstein gezeigt. Als die Teilnehmer die Autos am Weiterfahren hinderten, kam es zu Handgreiflichkeiten.

Schwanau . Fast auf den Tag genau explodierte vor 30 Jahren am 26. April in Tschernobyl ein Reaktor im Kernkraftwerk. Vor fünf Jahren kam es infolge eines Tsunsamis zur Kernschmelze im Kernkraftwerk Fukushima. Zum Gedenken an beide Katastrophen hatte die Gruppe "antiatom-ortenau" zu einer Fahrradtour zur Brücke zwischen Schwanau und Erstein aufgerufen. Gegen 11.45 Uhr trafen sich etwa 50 Demonstranten an der alten Zollstation. "Die Demonstration war angemeldet", teilte Vera Böhmer von "antiatom-ortenau" auf Nachfrage mit. Außerdem wollten die Teilnehmer gegen das Atomkraftwerk in Fessenheim protestieren. Sie forderten, dass das Werk abgeschaltet wird.

Die Kundgebung hat zwar schon auf französischem Gebiet, aber zuerst auf dem Parkplatz beim Imbisswagen am Grenzübergang direkt am Rhein stattgefunden. In ihren Wortbeiträgen erklärten die Demonstranten, ihren Widerstand gegenüber der Energiegewinnung durch Atomkraftwerke. "Wo Experten das Sagen haben, sehen Hinz und Kunz und wir alt aus und können oft nur klein beigeben, zu Boden argumentiert von den Fachleuten", sagte ein Sprecher der "Anarchistischen Initiative Ortenau". Auch Organisatorin Vera Böhmer von "antiatom-ortenau" resümierte in ihrer Rede die Folgen von Tschernobyl und Fukushima.

Eine Demonstrantin forderte schließlich dazu auf, nun nicht mehr am Rand zu stehen und doch die Straße zu versperren. Zuerst verlief diese Aktion ruhig. Die Aktivisten machten Musik und tanzten im Kreis. Die Stimmung kippte, als ein Wagen sich an den Demonstranten mit aufheulendem Motor vorbeizwängte. Er stoppte auf deutscher Seite und beschwerte sich bei der Polizei. Aus Richtung Schwanau rollte ebenfalls laut hupend ein Geländewagen mit Kennzeichen aus dem Erzgebirge auf die Demonstranten zu. Das bestätigte auch Böhmer im Gespräch mit der "Lahrer Zeitung". Die Demonstranten drehten sich zu dem Wagen und versperrten den Weg. Der Beifahrer stieg wutentbrannt aus. Nach Zeugenaussagen sollen die Demonstranten die Autotür geöffnet haben. Es kam zu Handgreiflichkeiten zwischen dem Beifahrer und einem Demonstranten. Schließlich wurde der Beifahrer am Boden ruhig gestellt. Weitere Menschen stiegen aus dem Auto aus und äußerten ihr Unverständnis gegenüber den Demonstranten. Die Autoinsassen waren nach eigenen Angaben wohl auf dem Weg zu einer Familienfeier. Nach rund 20 Minuten fuhr die Familie weiter.

Zwar waren Polizeibeamte vor Ort, aber da sich der Vorfall auf französischem Gebiet ereignete, konnten sie nicht eingreifen. Es war auch keine Streife von den französischen Kollegen da. Auf Nachfrage erklärte das Polizeipräsidium Offenburg, das bislang keine Anzeige – weder von dem Autofahrer noch von einem der Demonstranten – vorliege.

"Danach gab es keinen Zwischenfall mehr", sagte Böhmer. Sie hätten noch ein bisschen Musik gemacht.

Jüngst sorgten Schlagzeilen aus Fessenheim für Angst. Denn das Kernkraftwerk in dem Ort gilt als das älteste und leistungsschwächste noch in Betrieb befindliche französische Kernkraftwerk. Nun kam raus, dass eine Panne 2014 deutlich schwerwiegender war, als es die Berichte zunächst vermuten ließen. Der Reaktor wurde mithilfe von Bor ausgeschaltet. Das heißt, dass die reguläre Abschaltung mit Steuerstäben anscheindend nicht funktioniert haben muss.

Auch der Sachverständige für AKW-Sicherheit, Manfred Mertins, kommt in einem Gutachten im Dezember 2015 im Auftrag der Grünen-Bundestagsfraktion in Kooperation mit Grünen-Landtagsfraktion in Baden-Württemberg zu dem Schluss, dass nach deutscher Rechtsauffassung keine ausreichend zuverlässige Störfallsicherheit gegeben sei. Die Standards, nach denen das Sicherheitskonzept entwickelt worden sind, seien von 1970. Also lange vor Tschernobyl und Fukushima. "Das ist ein bisher nie dagwesener Vorfall", sagte einer der Demonstranten, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Er fühle sich verhöhnt.

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