Gelassenheit fördert die Zufriedenheit, aber wohl auch Zufriedenheit die Gelassenheit: Günther Wolf-Melcher zeigte Wege zu Seelenruhe und innerem Frieden auf. Foto: Ande

Günther Wolf-Melcher spricht über Wege zu Seelenruhe und innerem Frieden

Ringsheim. Glücklich sein möchten viele, doch nur die wenigsten geben in Umfragen an, dieses Ziel auch zu erreichen. Warum ist das so? Der Psychologe Günther Wolf-Melcher aus Lahr vermutet, dass nicht wenige Menschen keine genauen oder sogar falsche Vorstellungen davon haben, was ein geglücktes Leben überhaupt ausmacht. Am Donnerstagabend war er auf Einladung der Volkshochschule ins Ringsheimer Rathaus gekommen, um Wege zu mehr Zufriedenheit aufzuzeigen.

Im Schatten von Freude und Glück

Im Vergleich mit Freude und Glück fristet die Zufriedenheit eher ein Schattendasein. Doch sie ist besser als ihr Ruf, wenn man Wolf-Melcher folgt. Für den früheren Leiter der psychologischen Beratungsstelle des Ortenaukreises in Kehl, inzwischen im Ruhestand, wurzelt die Zufriedenheit in der Persönlichkeit eines Menschen und bringt dessen grundsätzliche Haltung dem Leben gegenüber zum Ausdruck. Sie repräsentiere inneren Frieden und Seelenruhe und sei ein Schlüssel für ein glückliches und gelingendes Leben.

Für Wolf-Melcher ergeben sich zwei Wege, auf denen die Menschen ihre Zufriedenheit erhöhen können: der offensive und der defensive Weg. Dies verdeutlichte er mit zwei Beispielen: Wer sich den Traum vom Eigenheim oder von einer Weltreise erfüllen möchte, kann dies aktiv erreichen, indem er das dafür notwendige Kapital anspart – der offensive Weg. Wer beispielsweise gern joggt und am Freiburg-Marathon teilnehmen möchte, aber aufgrund beruflicher und privater Verpflichtungen nicht ausreichend Zeit zum Trainieren findet, dem empfiehlt Wolf-Melcher den defensiven Weg – die Ansprüche zu senken, die neuen Ziele den aktuellen Lebensumständen anzupassen.

"Wenn es nicht möglich ist, gesteckte Ziele zu erreichen, sind diese oft Quelle für Frustration, Entmutigung und Unzufriedenheit. Sie können unser Selbstwertgefühl nachhaltig schädigen und sogar im Extremfall zur Ausbildung von Depressionen führen", sagte der Referent, der auch Psychotherapeut und Diplom-Theologe ist. In der westlichen Kultur seien die Menschen sehr stark individualistisch geprägt und es gewöhnt, an ihrer Selbstoptimierung zu arbeiten und sich sehr hohe Ziele zu setzen. Was fehle, seien Anleitungen für den defensiven Weg zur Zufriedenheit, der sogar eher negativ als Resignation oder Aufgeben bewertet werde.

Wegweiser für die Suche nach mehr Zufriedenheit

Wolf-Melcher nannte fünf Wegweiser für die Suche nach mehr Zufriedenheit: Achtsamkeit, Gelassenheit, Mitgefühl, Dankbarkeit und Stille. Achtsamkeit sei eine besondere Form der Aufmerksamkeit, die sich bewusst nur auf den gegenwärtigen Zeitpunkt richtet – an der roten Ampel nicht lange ärgern, dass das Überqueren der Kreuzung nicht noch geklappt hat, sondern die unfreiwillige Pause für ruhige Atemübungen nutzen und sich sagen: So isses nun mal. Auch mangelnde Gelassenheit verhindere oft die Entscheidung für den defensiven Weg. "Wenn wir es nicht schaffen, Dinge oder Angelegenheiten auch mal in einem nicht-perfekten Zustand zu belassen, geraten wir in einen Befindlichkeitszustand des Getriebenseins und der latenten Unzufriedenheit", plädiert er dafür, Perfektionsansprüche an die eigene Person herunterzufahren. Der altruistischen Fähigkeit Mitgefühl komme beim Zustandekommen von Zufriedenheit eine große Bedeutung zu. Zufrieden seien in höherem Maße Menschen, die in ihrem Streben nicht materiell ausgerichtet seien, sondern jene, die auf Gemeinschaft ausgerichtete Ziele verfolgten, zum Beispiel Hilfsbereitschaft anderen Menschen gegenüber. Auch Dankbarkeit erzeuge ein tiefes Gefühl der Zufriedenheit. Die meisten Menschen hierzulande besäßen viel Materielles und Nichtmaterielles, worüber sie sich freuen könnten, wenn sie es nicht für selbstverständlich hielten, so Wolf-Melcher. Verlernt hätten viele Menschen den Umgang mit Stille. Doch sie sei grundlegend für das Streben nach Zufriedenheit. "Bei der oft schwierigen Entscheidung, ob in einer bestimmten Lebenssituation der offensive oder der defensive Weg angesagt ist, können Menschen aus der Stille heraus Klarheit finden", sagte der Referent.

So darf man wohl vom Glück der Zufriedenheit sprechen, wenn Menschen ihren Seelenfrieden gefunden haben.

Weitere Informationen: Günther Wolf-Melcher, Vortrag "Zufriedenheit", morgen, Mittwoch, in Friesenheim, Sternenberghalle, 19.30 Uhr