Treten für einen Reformkurs des Islam ein (von links): Dieter Schleier, Jaklin Chatschadorian, Helga Wössner und Abdel-Hakim Ourghi. Foto: Mutz

Probleme bei der Integration sachlich diskutiert / Referenten betonen Reformbedarf

Der Islamwissenschaftler Abdel-Hakim Ourghi und die Rechtsanwältin Jaklin Chatschadorian haben in Ringsheim über den "Islam in der Bundesrepublik" referiert. Beide treten für einen Reformkurs des Islam ein und sparten nicht mit konstruktiver Kritik.

Ringsheim. Rund 100 Besucher waren ins Ringsheimer Bürgerhaus gekommen, um sich mit dem Thema "Islam in der Bundesrepublik – Herausforderung Integration" auseinanderzusetzen. Hintergründe und Fakten lieferten mit Kurzereferaten Abdel-Hakim Ourghi, Islamwissenschaftler der Pädagogischen Hochschule Freiburg und Mitglied der "Säkularen Muslime", sowie die Rechtsanwältin Jaklin Chatschadorian, CDU-Mitglied und stellvertretende Vorsitzende des Integrationsrats der Stadt Köln. Die mehr als zwei Stunden dauernde Veranstaltung war geprägt von einer Sachlichkeit, wie sie selten in der Öffentlichkeit anzutreffen ist.

Dies lag einerseits an beiden Referenten, die argumentativ und rhetorisch überzeugen konnten, sowie an Besuchern, darunter auch Gäste mit Migrationshintergrund, die in der anschließenden Podiumsdiskussion emotional verhalten, aber kritische Fragestellungen vorbrachten. Einführende Kurzreferate gaben Bürgermeister Heinrich Dixa, die Vorsitzende der Frauenunion des Kreisverbands Helga Wössner und Dieter Schleier, Vorsitzender des Ringsheimer CDU-Ortsverbands. Eine zentrale Aussage in der Diskussionsrunde war: Das Verbindende in der Gesellschaft ist nicht die Religion, sondern das Grundgesetz.

"Wir werden Sie heute nicht schonen", sagte Schleier vorweg. Die religiöse Identität müsse gewährleistet sein, dürfe aber nicht über allem stehen. "Was müssen wir tolerieren, ablehnen oder mit rechtsstaatlichen Mitteln begrenzen?", fragte Schleier in den Raum. Der Islam könne zu Deutschland gehören, sagte Ourghi. Kinder, die hier geboren werden und deutsch sprechen, gehörten dazu. Der jetzige Islam gehöre nicht dazu, er durchlebe eine Sinnkrise, von den Muslimen selbst verursacht. Politik und Kirche in Deutschland sprächen nur mit den muslimischen Verbänden, die jedoch nur 15 Prozent der Muslime vertreten würden. 85 Prozent der Muslime, viele davon reformwillig, würden nicht gehört. Zur Islamkonferenz im September dieses Jahres bemerkte Ourghi, dass die nichtorganisierten Muslime gar nicht wahrgenommen worden seien. Den konservativen, nicht reformwilligen Dachverbänden sei es daher auch gelungen, sich zu etablieren.

Scharfe Kritik übten beide Referenten am Dachverband "Ditib". Kritisch hinterfragte Ourghi die Auslegung des Korans, er sei nicht der Schlüssel zur absoluten Wahrheit. "Wir Muslime haben es nötig, den Islam zu reformieren", sagte Ourghi, etwa die Klärung der Gewaltfrage und die Unterdrückung der Frau. Dies könne nur gelingen, wenn sich der Islam selbst infrage stelle.

Chatschadorian nahm Bezug auf die politischen, religiösen und gesellschaftlichen Hürden verschiedener Kulturen. Es kämen Menschen nach Deutschland, die auf ihre Kultur stolz seien. Das Problem sei das Patriarchat in der muslimischen Gesellschaft, nämlich die muslimischen Männer und strenge familiäre Strukturen. "Die Ehre des Kollektivs steht selbst über dem Kindeswohl, diese Selbsterhöhung ist Teil der Krise", sagte Chatschadorian. Ein sachlich mutiger, kritischer Blick sei lebenswichtig. Integration bedeute deutsche Sprachkenntnisse, Freunde und Bekannte in der Mehrheitsgesellschaft zu finden sowie die Entwicklung einer kritischen Loyalität. Wer freiwillig den Handschlag verweigere oder auf die Vollverschleierung bestehe, müsse auch freiwillig auf die Sozialhilfe verzichten. In der Integrationspolitik habe man Fehler gemacht. Die Absicht, für muslimische Frauen besondere Schwimmbadöffnungszeiten zu ermöglichen, sei eine Abwertung für nichtmuslimische Frauen.